Sonntag, 18. Januar 2009

Abwrackprämie - Völliger Blödsinn

Ein Bestandteil des jetzt von der Bundesregierung beschlossenen Konjunkturprogramms ist die Abwrackprämie für ältere Autos. Damit sollen die Halden nicht verkaufter Neuwagen der Automobilher-steller abgebaut, und die CO2 Emissionen aus dem Straßenverkehr verringert werden. Seit dieser Woche kann jede Privatperson die Abwrackprämie in Höhe von 2500,- € erhalten, die ihr mindestens neun Jahre altes Auto verschrottet und gleichzeitig einen Neu- oder Jahreswagen der Schadstoffklasse 4 oder höher kauft und zulässt. Das alte Auto muss mindestens ein Jahr auf den Halter zugelassen gewesen sein. Mit der von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Summe in Höhe von 1,5 Milliarden € können maximal 600000 Prämien finanziert werden. Die Abwrackprämie wird nur bei Zulassung eines Neu- oder Jahreswagens bis zum 31. Dezember 2009 gezahlt. Wenn das Budget vorher ausgeschöpft sein sollte, dann gibt es schon vorher nichts mehr zu holen.


Kein Beitrag zum Klimaschutz

Die Süddeutsche Zeitung schrieb im März 2007, Herr Gabriel (SPD, Bundesumweltminister) wolle mit seinem Fuhrpark die Klimaziele der EU noch unterbieten. Er werde noch vor 2012 mit dem gesamten Fuhrpark seines Ministeriums das Ziel von maximal 120 g CO2/km erreichen. Damit würde er noch unter dem Durchschnittswert von 130 g CO2/km liegen, den die EU-Kommission bis 2012 fordert.

Der Fuhrpark des Ministeriums bestand zu diesem Zeitpunkt aus 20 Fahrzeugen. Herr Gabriel selbst fuhr einen Audi A8, der 249 g CO2/km emittiert. Herr Schroeren (Umweltministerium, Sprecher von Herrn Gabriel) fuhr zu dieser Zeit einen erdgasbetriebenen Opel Zafira. Lt. Herrn Schroeren laufen die Leasingverträge des Umweltministeriums in der Regel ein Jahr.

Wenn man einmal davon ausgeht, dass der Audi von Herrn Gabriel mit einer Emission von 249 g CO2/km im März 2007 also maximal ein Jahr alt war, dann war unser Opel Zafira zum Zeitpunkt des Kaufs seines Dienstwagens ungefähr sieben Jahre alt. Der 75 kW Ottomotor unseres Autos emittiert lt. Handbuch 190 g CO2/km. Als das Auto von Herrn Gabriel beschafft wurde, war es also bereits seit sieben Jahren möglich, ein nicht gerades kleines Auto zu bauen, das 59 g CO2/km weniger emittiert. Das Auto von Herrn Gabriel überschritt den von der EU für 1012 geforderten Wert von 130 g CO2/km mit 119 CO2 g CO2/km also um das doppelte im Vergleich zu unserem mit 60 g CO2/km. Ich habe natürlich keine Ahnung, wie viele Kilometer Herr Gabriel pro Jahr mit seinem Auto fährt. Aber einmal angenommen, sein Auto würde im Alter von sieben Jahren genauso weit gefahren sein, wie unseres im gleichen Alter gefahren war, dann wird seines ungefähr 7,9 t CO2 mehr emittiert haben als unseres. Wenn man den Zeitpunkt für eine rechtzeitige Verschrottung von älteren Autos nicht am Lebensalter, sondern an der gesamten CO2 Emission festmachen würde, dann wäre das Auto von Herrn Gabriel aus dem Jahre 2007 bedeutend eher reif für die Schrottpresse als unseres. So manches Auto dürfte gar nicht erst gebaut werden, wenn alle herkömmlich produzierten und angetrieben Autos das von Herrn Gabriel angestrebte Limit von 120 g CO2/km einhalten müssten. Und nur einmal so nebenbei bemerkt: Auch der erdgasbetriebene Opel Zafira von Herrn Schroeren verwendet einen fossilen Brennstoff für den Antrieb und ist mit 138 g CO2/km alles andere als CO2 neutral (Opel Zafira 1.6 CNG).


Wirtschaftlicher Unfug

Unser Opel Zafira war im Oktober 2008 neun Jahre alt. Damit erfüllt er also gerade das Kriterium "Mindestens 9 Jahre alt ...", damit wir die Abwrackprämie von 2500,-€ kassieren könnten. Unsere finanziellen Ressourcen erfüllen jedoch nicht das Kriterium "... beim Kauf eines Neu- oder Jahreswagens." Wir haben unser Auto im Alter von gut drei Jahren gebraucht gekauft, weil wir uns einen Opel Zafira als Neuwagen nie hätten leisten können. Die Tatsache, dass das Auto im Alter von zwei Jahren einen Unfallschaden im Heckbereich davongetragen hatte, minderte den Kaufpreis gerade einmal soweit, dass wir mit dem Kauf damals die Grenze unseres "Auto-Budgets" eben noch einhalten konnten. Mehr wäre also auf keinen Fall drin gewesen. Den Kredit, den wir dafür aufnehmen mussten, haben wir vor kurzem abgelöst und können jetzt wieder für die Anzahlung eines Nachfolgers sparen.

Unser monatliches "Auto Budget" umfasst die laufenden Kosten für Ratenzahlungen/Sparrücklage, Steuern, Versicherung und Betriebskosten sowie eine Rücklage für HU/AU, Wartung, Verschleißteile und mögliche Reparaturen. Da unser Familieneinkommen aufgrund der Lohnentwicklung in Relation zur Inflation und den gestiegenen Lebenshaltungskosten real eher gesunken als unverändert geblieben ist, fällt es immer schwerer, weiterhin einen gleichbleibenden Betrag im Monat für den Kauf eines neuen Autos zurückzulegen. Daran hat auch die Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst im Jahre 2008 nichts ändern können.

Ein neuer Opel Zafira 1.6 kostet derzeit mehr als 21000,- € (lt. Auto BILD zum Jahresbeginn 2008). Für einen ca. drei Jahre alten Opel Zafira 1.6 muss man immerhin noch ungefähr 11000,- € hinblättern (autoscout24.de, EZ Mitte 2005). Da ein solches Auto jedoch nicht unter das Kriterium "Neu- oder Jahreswagen" fällt, gibt es für die Verschrottung des alten Autos keine Abwrackprämie. Bei gleichbleibenden Preisen und unveränderter monat-licher Rücklage könnten wir in ungefähr neun Jahren einen dreijährigen Opel Zafira voll bezahlen. Von über einen neunjährigen Zeitraum gleichbleibenden Preisen ist allerdings ebensowenig auszugehen, wie davon, dass wir unser jetziges Auto mit 18 Jahren immer noch fahren können. Sicher ist jedoch, dass es in neun Jahren mindestens acht Jahre her sein wird, seit die jetzt von der Bundesregierung beschlossene Abwarackprämie zum letzten Mal ausgezahlt worden sein wird.

Für einen mit unserem Opel Zafira vergleichbaren 9 Jahre alten Zafira muss man derzeit um die 4000,- € ausgeben (autoscout24.de, EZ 1999). In Anbe- tracht des o.g. Unfallschadens könnten wir für unseren auf dem Gebraucht- wagenmarkt also noch mindestens 3500,- bis 4000,- € bekommen. Das wäre immerhin noch deutlich mehr, als die Abwrackprämie der Bundesre- gierung.

Es wird also wieder auf einen Gebrauchtwagen mit Kauf auf Kredit und zusammengekratzter Anzahlung hinauslaufen. Wenn es nach mir geht, dann werde ich den Kauf eines neuen Autos noch so lange wie möglich hinauszögern. Aus meiner Sicht wäre eine Voraussetzung für ein Vorziehen des nächsten Autokaufs, dass die Automobilhersteller kurzfristig mit Hilfe der von der EU angekündigten Unterstützung die ersten CO2 neutralen Fahrzeuge auf den Markt bringen, und ein solches Fahrzeug gebraucht im Rahmen meines finanziellen Rahmens zu bekommen ist.

Aber nur einmal angenommen, wir wollten unbedingt jetzt die Ab- wrackprämie kassieren, und würden uns deshalb kurzentschlossen zum Kauf eines Jahres- oder Neuwagens entschließen, dann müssten wir für einen neuen Opel Zafira, abzüglich der Abwrackprämie, einen Kredit in Höhe von rund 19000,- € aufnehmen. Man will sich ja schließlich nicht verschlechtern, und CO2-neutrale Autos gibt es ja noch nicht. Dadurch würde die Ersparnis aufgrund der Abwrackprämie (und wahrscheinlich noch etwas mehr) durch die Zinsen für den Kredit verschlungen werden. Davon einmal abgesehen müssten wir uns zur Zeit die Anzahlung dafür schon vom Munde absparen, und selbst, wenn es eine Bank gäbe, die sich auf solch einen Blödsinn einlassen würde, bräuchten ungefähr 15 bis 18 Jahre, bevor wir den Kredit abgezahlt hätten.

Bevor wir also überhaupt an den Kauf eines neuen Autos denken können, wird das alte schon noch "einige Jährchen" halten müssen - auch wenn es jetzt "schon" neun Jahre alt ist.

Hinzu kommt, dass bei der Produktion eines neuen Autos und der dafür verwendeten Rohstoffe aufgrund des hohen Energiebedarfs eine Unmenge CO2 entsteht. Je öfter ein Auto früher als unbedingt notwendig verschrottet und durch ein neues ersetzt wird, desto mehr CO2 heizt unnötigerweise den Treibhauseffekt zusätzlich an. Daran wird sich erst dann etwas ändern, wenn Fahrzeuge mit CO2 neutralen Antrieben zu Verfügung stehen, und wenn die für den Produktionsprozess notwendige Energie CO2 neutral erzeugt werden kann. Bevor hier jetzt wieder jemand unüberlegt die Atom- kraft ins Spiel bringen will: Auch die ist nicht CO2 neutral!

Deshalb ist die Abwrackprämie der Bundesregierung,
zumindest aus meiner Sicht, völliger Blödsinn.



PS:
Der Nachfolger unseres Zafira muss natürlich nicht zwangsläufig wieder ein Zafira sein, aber ich habe in meinen Ausführungen keine Äpfel mit Birnen vergleichen wollen. Solange sich die zurückzulegenden Wege auf Bremer- haven beschränken, könnte ich auch auf ein Auto verzichten. Für die meisten Wege nehme ich sowieso das Fahrrad. Die Verwandschaft seitens meiner Frau wohnt jedoch im Landkreis zwischen Bremerhaven und Cuxhaven. Seit der Degradierung des Bahnhofs im Wohnort meiner Schwiegereltern zur Bahnhaltestelle und derer späteren Schließung, ist mein Schwiegervater jedoch nur noch mit dem Auto zu erreichen. Aber die Geschäftspolitik der Deutschen Bahn steht auf noch einem anderen Blatt ...


(Quellen: Süddeutsche Zeitung, Autoscout 24, Autobild)

1 Kommentar:

juwi hat gesagt…

Lieber "Anonym",

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Deinen Kommentar vom 23.01.2009 um 08:58 Uhr mit der Einleitung ("Wir freuen uns über die Abwrackprämie ...") habe ich deshalb nicht veröffentlicht. Ich würde mich freuen, wenn du deinen Kommentar noch einmal, zumindest mit einem Nicknamen (Fantasie-Name) "unterzeichtet", abschicken würdest. Ich hoffe, du hast dafür Verständnis.

juwi

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