Dienstag, 21. Oktober 2008

Stadtteilkonferenz Lehe - Leerstand

Seit einigen Jahren schrumpft die Einwohnerzahl Bremerhavens. Junge Menschen zogen nach der Ausbildung weg, weil sie hier keine Arbeit fanden. Von denjenigen, die es sich leisten konnten, zogen viele in den Landkreis in ein eigenes "Häuschen im Grünen". Eine der Folgen für Bremerhaven sind leerstehende Wohnungen. Weniger Einwohner, von denen viele nur ein geringes Einkommen zur Verfügung haben, führten für den Einzelhandel zu weniger Kundschaft bei abnehmender Kaufkraft, und für die traditionellen Geschäftsstraßen in den Stadtteilen zu Ladenleerständen.


Wohnungsleerstand und Spekulantentum

Große Wohnungsgesellschaften erhielten öffentliche Fördermittel, um am Stadtrand in den Neubausiedlungen aus den 1960er und 70er Jahren Wohnblocks abzureißen. Das führte jedoch nur selten dazu, dass die Menschen von den Stadträndern zurück in die Innenstadt zogen. Die meisten von ihnen zogen in andere leerstehende Wohnungen der Wohnungsgesellschaften um.

Der wirtschaftlichen Misere Bremerhavens, für die unter anderem die Schließung westdeutscher Werften (von denen einige der bekanntesten in Bremerhaven ansässig waren) der Rückgang der Hochseefischerei, und nicht zuletzt auch der Abzug der US Armee nach dem Ende des kalten Krieges verantwortlich waren, wird seit einigen Jahren mit der Ansiedlung neuer Industrien und Gewerbebetrieben begegnet. Auch im Bereich der Forschung sind neue Arbeitsplätze entstanden. Einen nicht zu vernachlässigenden Anteil hat dazu auch die Hochschule Bremerhaven beigetragen.

Herr Ella (FDP) berichtete während der Stadtteilkonferenz Lehe am 15.10.2008, bundesweit sei ein Trend eines Rückzugs vom Land in die Städte zu verzeichnen. Schrumpfung sei also nicht gottgegeben. Die Politik müsse nur positive Rahmenbedingungen und die Infrastruktur dafür schaffen.

Mitglieder der Stadtteilkonferenz Lehe hatten zusammen mit Leher Bürgern eine Begehung im Leher Ortsteil Goethestraße durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass ca. 30 Häuser in dermaßen desolatem Zustand sind, dass man sie eigentlich nur noch als abgängig bezeichnen kann. Ursachen dafür sind sicherlich auch fehlende Mieter aufgrund der geschrumpften Einwohnerzahl. In vielen Fällen sind die Häuser aber Opfer von Immobilienspekulanten geworden. Herr Breuer (SPD) erklärte während der Stadtteilkonferenz Lehe, er habe von Herrn Holm (CDU, Baustadtrat) gehört, dass die Besitzer der verwahrlosten Häuser oftmals nicht auffindbar oder nicht erreichbar seien. Das könne er sich überhaupt nicht vorstellen.

Nach meinen Informationen wurden Häuser oft "optisch aufgewertet", und für einen zu hohen Preis an Käufer in anderen Bundesländern verkauft, denen vorgegaukelt worden war, sie würden eine günstige Immobilie erwerben, für die leicht Mieter zu finden seien. Wenn der "Lack wieder ab" war, trat der vertuschte Sanierungsbedarf zu Tage. Fehlendes Kapital für Sanierungen oder mangelndes Interesse führten zum Auszug von Mietern. Die leergewordenen Wohnungen ließen sich nur noch für geringe Beträge vermieten. Das führte teilweise zum massiven Zuzug von Menschen, die sich keine bessere Wohnung leisten konnten. Das wiederum bekam der im Ortsteil ansässige Einzelhandel aufgrund nachlassender Kaufkraft zu spüren. Letztlich mussten die Häuser versteigert werden. Sie wurden wieder etwas "optisch aufgewertet", für einen zu hohen Preis von Käufer in anderen Bundesländern ersteigert, die sich einen großen Gewinn davon erhofften, und das Spielchen ging - etwas beschleunigt - wieder von vorne los ...

Letztlich ist dabei immer irgend jemand der Dumme, der auf einer verwahrlosten Immobilie und einem Berg Schulden sitzen bleibt. Wenn jemand unter solchen Umständen alles dafür tut, nicht auch noch für Abriss- und Entsorgungskosten aufkommen zu müssen, dann kann ich es durchaus nachvollziehen, wenn er irgendwann nicht mehr auffindbar ist. Was ich jedoch nicht beurteilen kann ist die Frage, ob es gesetzliche Handhaben gegen diese Leute gibt. Eigentlich müsste es bei gefährdeten Häusern schon viel früher für die Gemeinden möglich sein, in den durch Immobilienspekulantentum verursachten Verfall einzugreifen. Gerade für das Stadtbild im Leher Ortsteil Goethestraße wäre es eine Katastrophe, wenn es aufgrund nicht mehr zu rettender verwahrloster Gebäude zu Baulücken in den Häuserzeilen mit ihren bisher durchgängigen Gründerzeitfassden käme. Die Folge wäre ein nicht wieder gut zu machender Identitätsverlust für den Ortsteil und für Bremerhaven. Aus meiner Sicht muss deshalb vor der Option "Abriss" unbedingt immer gründlich die Möglichkeit einer Sanierung geprüft werden.


Revitalisierung der Hafenstraße

Es ist aber auch schon einiges in Lehe zum Besseren verändert worden. So wurden zum Beispiel die Bürgersteige und die Fahrbahn der Hafenstraße in den letzten Jahren gründlich saniert. Mit der Aufbringung der Fahrbahnmarkierungen werden die Arbeiten in Kürze abgeschlossen sein. Herr Breuer meinte, die optische Aufwertung der Hafenstraße müsse "jetzt nur noch" auf die Ladensituation überspringen. Er habe jedoch auch keine Idee, wie man das mit politischen Mitteln forcieren könnte.

Das erste was mir dazu einfällt, wäre der Verzicht auf einen Supermarkt auf dem Phillips-Field. Falls es dort zu einer Ansiedlung eines großen Marktes käme, bestünde durchaus die Möglichkeit, dass für die nächsten Sanierung der Hafenstraße eine Schotterpiste als Fahrbahnbelag völlig ausreichend wäre. Dabei wäre es völlig unerheblich, ob der Supermarkt Kaufland, Edeka oder Sonstwie heißen würde.

Diese Ansicht vertrat auch Herr Ella. Er sagte, es sei wichtig, dass der Einzelhandel zurück in die Stadtteil Zentren geholt und dafür die Ansiedlung großer Einkaufszentren am Stadrand gestoppt werde. Herr Eversberg (Grüne) meinte es müsse wieder mehr Klein- und Kleinstgewerbe in Lehe angesiedelt werden, Es sei in der Vergangenheit ein großer Fehler gewesen, immer nur nach Großinvestoren Ausschau zu halten. Wie bereits berichtet, hatte Herr Eversberg außerdem vorgeschlagen, man solle einzelnen Existenzgründern nicht einzelne Läden, sondern möglichtst einer größeren Gruppe von Existenzgründern oder Interessenten "Laden Cluster" anbieten. Ich denke, es wäre eine gute Idee, wenn ein solches Konzept konkretisiert, und auf die Leerstandssituation in der Hafenstraße zugeschnitten aktiv bundesweit beworben werden würde.


1) Stadtteilkonferenz Lehe
2) Stadtteilkonferenz Lehe - Stadtpark
3) Stadtteilkonferenz Lehe - Stadtpark, Nachtrag
4) Stadtteilkonferenz Lehe - Leerstand


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