Mittwoch, 8. September 2010

Falsche Versprechen


Frontal21: Die falschen Versprechen der Atompolitik


Aus der schwarz-gelben Gebetsmühle:

  • "Ja, wir brauchen das verlängerte Laufzeiten für Kernkraftwerke."

    Angela Merkel
    (CDU, Bundeskanzlerin)


  • "Ich bin nicht bereit, die Entsorgungsfrage als ungelöste Frage den nächsten zukünftigen Generationen zu überlassen."

    Norbert Röttgen
    (CDU, Bundesumweltminister)


  • "Wir wollen unsere Klimaziele erreichen, richtig, und deswegen wird die Kernenergie als Brückentechnologie für eine Zeit lang noch eingesetzt werden müssen."

    Volker Kauder
    (CDU, Fraktionsvorsitzender)



Eine schlüssige Begründung für "das" notwendige Verlängern der Laufzeiten für Atomkraftwerke blieb Frau Merkel bisher schuldig. Statt dessen wiederholt sie gebetsmühlenartig ständig die gleichen Floskeln, und verbaut mit ihrer Entscheidung vom Sonntag, dem 5. September 2010, den Weg für den aus Klimaschutzgründen dringend notwendigen zügigen Umbau der Energieversorgung mit regenerativen Energiequellen und den Aufbau eines intelligenten Stromversorgungsnetzes in unserem Land. Damit hat sie ihr ehemals recht ordentliches Image als "Klimakanzlerin" endgültig verschrottet.


Auf die "Entsorgungsfrage" für den bereits jetzt vorhandenen Atommüllberg gibt es keine Antwort. Wer etwas anderes behauptet, der täuscht die Bürger in unserem Land. Auch das Salz unter der Erde bei Gorleben ist keine Antwort auf diese Frage. Trotzdem versucht die Bundesregierung ausschließlich hier weiter zu "erkunden", obwohl die früheren Erkundungen aufgrund von Bedenken gegen die Sicherheit des "Erkundungsbergwerks" als Endlager für hochradioaktiven Atommüll eingestellt wurden.

Das ehemalige "Forschungsbergwerk" Asse-II, das die Argumente für die Eignung von Salz als Endlager für Atommüll liefern sollte, hat sich als der Super-GAU der Atommüllentsorgung erwiesen: Bereits nach wenigen Jahrzehnten kam es zu gefährlichen Wassereinbrüchen. Die Stollen saufen ab und drohen einzustürzen. Die Halbwertzeiten einiger Bestandteile des hochradioaktiven Atommülls erfordern jedoch eine sichere Lagerung über Millionen von Jahren.

Auf die Frage, wie er das gewährleisten kann, und wie er unter diesen Umständen die "Entsorgungsfrage" lösen will, wird auch Herr Röttgen die Antwort schuldig bleiben müssen. Ebenso wie im Salzbergwerk Asse-II gibt es auch im Salz bei Gorleben Wassereinschlüsse sowie potentiell wasserführende Schichten, und im Deckgebirge über dem Salzstock gibt es Kontakte zwischen Salz und Grundwasser führenden Schichten. Trotzdem wird in verantwortungsloser Art und Weise weiterhin an einem "End"-Lager im Salz bei Gorleben festgehalten.

Unsere Kinder und Kindeskinder werden sich noch über viele Generationen mit dem strahlenden Erbe unserer Generationen herumschlagen müssen. Anstatt aber den angerichteten Schaden wenigstens zu begrenzen, fiel am 5. September 2010 die Entscheidung der Bundesregierung, den ohnehin schon vorhandenen Atommüllberg noch um ein vielfaches anwachsen zu lassen.


Wer zum einen "unsere Klimaziele" nicht einmal richtig benennt, zum anderen im gleichen Atemzug aber stumpf behauptet, die Atomenergie werde für eine Zeit lang noch als Brückentechnologie herhalten müssen, der hat den Ernst der Lage bezüglich der drohenden Klimakatastrophe nicht erkannt, oder es ist ihm egal, was nach seinem Ableben mit unserem Planeten geschieht. Der Verdacht liegt nahe, dass Herr Kauder anstelle von "... für eine Zeit lang noch ..." eigentlich "... noch für eine lange Zeit ..." meint. Später wird es dann möglicherweise wieder einmal heißen, er habe sich doch nur versprochen.

Bereits heute werden Windkraftanlagen bei Überangeboten im Stromnetz zugunsten von Atomkraftwerken stundenweise vom Netz genommen. Windkraftanlagen lassen sich kurzfristig herunterfahren und schnell wieder zuschalten - Atomkraftwerke nicht. Unterhalb eines bestimmten Levels muss ein Atomkraftwerk ganz abgeschaltet werden. Das Wiederanfahren ist eine langwierige Prozedur. De Facto dienen also derzeit bestenfalls regenerative Energiequellen der Überbrückung von Engpässen in Zeiten erhöhter Stromnachfrage. Von einer "Brückentechnologie Atomenergie" kann daher keine Rede sein. Dafür erweisen sich die Atomkraftwerke mehr und mehr als Bremsklotz beim nachhaltigen Umbau zu einer dezentralen Energieerzeugung für eine CO2 neutrale Zukunft.

Herr Trittin (Bündnis 90/Die Grünen, Vorsitzender der Bundestagsfraktion) brachte es am 24.04.2010 in Glückstadt während der Abschlusskundgebung zur Menschenkette zwischen den Atomkraftwerken in Schleswig-Holstein auf den Punkt: "Wir schalten heimische CO2-freie Energie ab, damit klimaschädliches CO2 aus Kohlekraftwerken und Atommüll produziert werden kann. Das ist pervers! Und gegen diese Perversion demonstrieren wir heute."

Wer ernsthaft dafür Sorge tragen will, dass das Ziel, die globale Temperatur auf der Erde unterhalb eines weiteren Anstiegs um maximal 2 °C zu stabilisieren, realisierbar bleibt, der muss die Laufzeiten für Atomkraftwerke drastisch verkürzen anstatt sie auch noch zu verlängern. In Deutschland wird heute erheblich mehr elektrische Energie erzeugt, als verbraucht wird. Die Atomkonzerne exportierten im Jahre 2009 die Strommenge die der jährlichen Stromproduktion von sechs Atomkraftwerken entspricht, ohne dass überhaupt alle Atomkraftwerke in Betrieb waren (z.B. war das AKW-Krümmel von Juni 2007 bis zum Juni 2009 abgeschaltet). Sechs Atomkraftwerke könnte sofort stillgelegt werden, ohne dass irgendwo das Licht ausgeht!


Mit Ignoranz und Arroganz gegen die Bevölkerung

Würde die Bundesregierung auf ihre eigenen Sachverständigen und die Mahner in ihren Reihen hören, anstatt gegen den Willen der Mehrheit der Bundesbürger die Wünsche der Atomkonzerne zu bedienen, dann wäre das letzte Atomkraftwerk in Deutschland schneller vom Netz, als es im Atomkonsens verabredet wurde. Zitate:
  • "Kein einziges deutsches Kernkraftwerk wäre heute genehmigungsfähig."

    Wolfgang Renneberg
    (Bundes-Atomaufsicht, ehemaliger Leiter)


  • "Es macht im Moment überhaupt keinen Sinn, die Laufzeiten für Kernkraftwerke zu verlängern. ... Wir haben im Moment die Chance, diese Entscheidung richtig zu fällen, aber die Regierung schickt sich an, die Weichen genau in die falsche Richtung zu stellen."

    Prof. Olav Hohmeyer
    (SRU, Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen)


  • "Wir bürden unseren Nachkommen da eine Last auf, die aus meiner Sicht ethisch nicht mehr verantwortbar ist."

    Josef Göppel
    (CSU, MdB)



Appell an Frau Merkel

Was die Bundesregierung da am 5. September 2010 zusammengeschustert hat, das ist kein revolutionäres Energiekonzept - wie Frau Merkel uns weismachen will - sondern ein Bauchladen, aus dem sich die Atomkonzerne ab 2016 nach Belieben bedienen können: Dann winken ihnen jährliche Gewinne in Milliardenhöhe.

Die Bundesregierung muss wissen, wie hoch der Preis dafür ist, Klientelpolitik gegen die Bevölkerung zu machen. Das demokratische Netzwerk Campact hat einen Appell der Bundesbürger initiiert, der bisher von 50218 Bürgern und Bürgerinnen unterzeichnet wurde und der am 28. September, wenn das ganze Kabinett über die Laufzeiten entscheidet, in bundesweiten Zeitungen veröffentlicht werden soll. Der Appell kann bis dahin auf der Internetseite von Campact online unterzeichnet werden.

Der Text im Wortlaut:

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,

Ihr Plan, die Laufzeiten der Atomkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre zu verlängern, trifft bei mir auf völliges Unverständnis. Damit setzen Sie die Bevölkerung einem steigenden tödlichen Unfallrisiko aus und bürden vielen Generationen nach uns noch mehr strahlenden Atommüll auf. Und das alles nur, um den Atomkonzernen milliardenschwere Zusatzprofite zu sichern.

Der dynamische Ausbau der Erneuerbaren Energien ermöglicht es uns, weit schneller als bisher geplant aus der Atomkraft auszusteigen und trotzdem auf den Neubau klimaschädlicher Kohlekraftwerke zu verzichten. Mit längeren Laufzeiten würgen Sie jedoch das rasante Wachstum der Erneuerbaren ab. Atommeiler blockieren durch ihre unflexible Stromerzeugung die Stromnetze und verhindern zunehmend die Einspeisung von Wind- und Sonnenenergie.

Hiermit kündige ich an, mich an Protesten gegen Ihre Atompolitik zu beteiligen. Ich fordere Sie auf: Steigen Sie jetzt aus der Atomkraft aus! Leiten Sie eine konsequente Wende hin zu Erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und Energiesparen ein!

Mit freundlichen Grüßen



Am 18. September 2010 wird sie es - möglicherweise nicht ganz so höflich formuliert - vor ihrer Haustür zu hören bekommen:

www.campact.de

Schluss jetzt!


(Quellen: Zeit vom 08.04.2010, TAZ vom 10.03.2009, ZDF Magazin Frontal21 vom 13.07.2010)

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