Samstag, 26. Juni 2010

Ein Jahr Klimahaus 8° Ost in Bremerhaven


Bremerhaven: Klimahaus 8° Ost

Axel Werner hinterlässt noch mal eben schnell eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter: "Ich bin dann mal weg. Zurück in ungefähr einem Jahr ...", und macht sich mit seinem Alu-Expeditionskoffer im Schlepp auf die abenteuerliche Reise in Richtung Süden entlang des 8. Längengrades rund um den Globus durch alle Klimazonen dieser Welt. 800000 Besucher des Klimahauses haben ihn bisher auf seiner Reise begleitet ...


"Im Klimahaus sind wir auf dem 8. Längengrad um die Welt gereist. Dort sind wir an vielen Kontinenten und auch Ländern vorbeigekommen. Wir kamen in die Schweiz, nach Sardinien, Niger und nach Kamerun, dann haben wir eine Pause gemacht. Anschließend ging es weiter in die Antarktis, nach Samoa über Alaska zurück nach Deutschland. Auf Langeness in Deutschland waren schon viele Sturmfluten. Deshalb werden die Häuser sehr hoch gebaut und daneben immer Steine gestellt. An den großen Steinen soll das Wasser abprallen."

So schildert ein Kind die Reise um die Welt in einem Artikel mit weiteren "Weltreiseberichten" im Blog einer Schulklasse 4b, die das Klimahaus im März 2010 besucht hatte. - Wer die Welt einmal wieder durch Kinderaugen sehen möchte, der sollte sich das Blog unbedingt einmal ansehen ;o)


Das Klimahaus lebt

Heute ist das erste Jahr für das Klimahaus erfolgreich zu Ende gegangen. Gleich nach meinem ersten Besuch am Eröffungstag stand für mich fest: Eine Jahreskarte muss her! Mit ungefähr acht Stunden für "Die Reise" um die Welt hatte ich erheblich mehr Zeit im Klimahaus verbracht, als vor der Eröffnung in der Presse angegeben worden war - und ich hatte ja lange noch nicht alles gesehen. Außerdem waren aufgrund der vorangegangenen Verzögerungen beim Bau auch noch nicht alle Teile der Ausstellung fertig geworden.



Sardinien: Auf Insektengröße geschrumpft

Im Laufe des ersten Jahres ihres ersten Bestehens habe ich die Entwicklung der Ausstellung miterleben können. Mit der Fertigstellung der "Chancen" und des Wetterstudios sind jetzt alle Bereiche zugänglich. Anders als in einem klassischen Museum, gibt es im Klimahaus auch viele ständige Bewohner. In Sardinien wird der Besucher zum Insekt unter Insekten. Auf Käfergröße geschrumpft betritt er eine Welt mit völlig ungewohnten Dimensionen. Immer wieder Spaß macht es, den Leuten dabei zuzsehen, wie sie sich die Nasen an den Terrarien platt drücken. Vor einer der Glasscheiben sehe ich oft ratlose Gesichter: "Da ist ja gar nichts drin!". Wenn ich die Leute anspreche, und ihnen erkläre, worauf sie achten sollten, dann verwandelt sich das bis dahin leblose Terrarium vor ihren Augen von einem Moment auf den anderen in eine von großen Gespensterschrecken bevölkerte Welt.



Kamerun: Ein Waran beim Sonnenbaden ...

Im flachen Wasser der Flusslandschaft in Kamerun konnte ich einmal beobachten, wie einige Fische ihre Jungen gegen aufdringliche Artgenossen verteidigten. Den winzigen Nachwuchs hatte ich zuerst kaum als eine Art Wolke wahrgenommen, und nur bemerkt, dass die erwachsenen Fische immer darum herumschwammen. Einige Tage später waren die Kleinen dann schon als richtige winzige Fische zu erkennen.



Samoa: Vom Regenwald auf den Bergen ins Dorf

Besonders deutlich haben sich aus meiner Sicht die Veränderungen in Samoa bemerkbar gemacht. In der ersten Zeit nach der Eröffnung wurde man bei der Ankunft im Regenwald auf den Bergen von Samoa mit "von den Bäumen tropfendem Wasser" empfangen, das in einen kleinen, tiefergelegenen Teich regnete, weiter unten als flaches Rinnsal den Weg kreuzte und im "Dickicht der rankenden Pflanzen" verschwand. Diese perfekte Illusion gab es dann leider irgendwann nicht mehr. Der ehemalige Teich ist ausgetrocknet und verleitet immer wieder Kinder und Jugendliche zu Klettertouren an den steilen ehemaligen Uferböschungen. Dafür rankeln im Dickicht des anfangs ausschließlich künstlichen Blättervorhangs jetzt mehr und mehr lebende Pflanzen. Wenn man Samoa wieder verlässt, dann taucht man in die Unterwasserwelt der Lagune und der Korallenriffe Samoas ab. Anfangs waren in den riesigen Aquarien nur wenige Fische zu sehen. Da sich in der künstlichen Unterwasserwelt ein möglichst natürliches Gleichgewicht einstellen sollte, konnten Tiere und Pflanzen nur nach und nach eingesetzt werden. Inzwischen sind dort neben Korallen, Seeannemonen oder Schwämmen auch viele unterschiedliche Fische, Krebse und andere Tiere zu sehen.



Samoa: Rifflandschaft unter Wasser

Dass in einer in vielen Bereichen interaktiven Ausstellung, die immer wieder zum Mitmachen anregt, auch einmal Schäden auftreten, liegt wohl in der Natur der Sache. Die Mitarbeiter des Klimahauses haben solche Ausfälle aber eigentlich immer sehr schnell wieder beheben können. Da tagsüber der "Reisebetrieb" nicht gestört werden durfte, haben die Techniker dafür wohl schon so manche Nachtschicht einlegen müssen.


Ein vorbildlicher Gastgeber

Ich habe das Klimahaus als ein sehr gastfreundliches Haus kennengelernt. Die Mitarbeiter in der Ausstellung sind jederzeit allen Fragen gegenüber offen. Wenn sie etwas nicht nicht sofort beantworten konnten, machten sie sich entweder kundig und beantworteten meine Frage bei einem späteren Besuch, oder sie verwiesen mich an fachkundige Kollegen. Anfragen per E-Mail wurden immer zeitnah beantwortet. In diesem Zusammenhang möchte ich mich insbesondere noch einmal für die schnelle Nachricht nach dem Tsunami bedanken, der am 29. September 2009 unter anderem die Küstengebiete Samoas verwüstet hatte. Die Bewohner der Orte an den verschiedenen Etappenzielen der "Reise" sind ja wirkliche Menschen, die von ihrem wirklichen Alltag berichten. Auch wenn ich sie alle nie persönlich kennengelernt habe, entwickelte sich bei meinen vielen Besuchen im Laufe des Jahre eine Art persönlicher Verbindung zu ihnen. Als ich dann in den Nachrichten von den Zerstörungen und den vielen Toten und Verletzten nach dem Tsunami in Samoa hörte, war ich deshalb sehr besorgt um sie.



Samoa: Dorf am Strand

Obwohl ein Tsunami keine klimatischen, sondern geologische Ursachen hat, beschäftigte sich die erste Sonderausstellung im frei zugänglichen Bereich neben dem Haupteingang des Klimahauses mit den Folgen der Tsumamikatastrophe von Samoa. Neben knappen Informationen über den Alltag der Bürger Samoas vor der Katastrophe, gab es geologische Informationen über die Entstehung und die Auswirkungen von Tsunamis, sowie über das Leben in Samoa unter dem Eindruck der Verwüstungen und dem Verlust so vieler Menschenleben nach der Katastrophe.



Niger: Die Bäume sind tot. Die Landschaft ist leer.

Zur Zeit findet an gleicher Stelle gerade eine Sonderausstellung über das Leben der Tuareg in Niger statt. Der Klimawandel hat auf das Leben der Menschen am Rande der Sahara besonders drastische Auswirkungen.

Es macht betroffen, wenn man während der Reise, auf dem Weg aus einem ausgetrockneten Flussbett in die offene Wüste, an der Leinwand vorbeikommt, auf der eine alte Tuareg Frau in einem Film über das Leben in ihrer Jugend berichtet - und darüber, wie sie jetzt lebt. Drastischer lassen sich die Veränderungen aufgrund des Klimawandels, die im Verlaufe eines einzigen Menschenlebens eintraten, nicht darstellen!

Die Frau spricht davon, dass sie damals Giraffen, Strauße, Schildkröten, Antilopen, Rehe, Panther, Hyänen und Löwen gesehen hat. Es habe viel Wasser und einen Fluss zwischen den Dünen gegeben. Manchmal habe es eine ganze Woche lang geregnet, und dann seien viele Pflanzen und Bäume gewachsen. Sie sagt, zu jener Zeit hätten sie viel Milch, Fleisch und Getreide gehabt. Das Leben sei leicht gewesen zu dieser Zeit.

"Nun, anstelle von Wasser, haben wir den Wind. Der Wind.", sagt sie. "Er kommt und bläst alles weg. Wenn du etwas Futter für die Tiere gefunden hast, kommt der Wind und bläst es weg. Gott!" In ihrer Jugend habe es keinen Wind wie diesen gegeben.

"Die Menschen sind heute nicht glücklich. Wie könnten wir glücklich sein? Wir haben nicht einmal genug zu essen. Ohne Nahrung und hungrig? Wie können wir hier glücklich sein?" Heute, sagt sie, gäbe es nichts mehr:

"Jetzt sind die Bäume tot.
Die Landschaft ist leer!"


Vandalen und Diebe


Antarktis: Eislandschaft bei minus 13 Grad Celsius

Verärgert war ich immer wieder über "Gäste" der Ausstellung, welche die Gastfreundschaft des Klimahauses nicht zu schätzen wussten. Die Ärgernisse betrafen die Missachtung einfacher Bitten, die dem Schutz der Tiere in einigen Bereichen "Der Reise" dienen, mutwillige Zerstörungen und gestohlene Ausstellungsgegenstände. In Alaska ist zum Beispiel zur Verdeutlichung der krassen Gegensätze zwischen der traditionellen Lebensweise der indigenen Bevölkerung, und derjenigen der weißen Einwanderer ein Supermarktregal aufgebaut, in dem die dort üblichen Konsumgegenstände zu sehen sind. Scheinbar waren unter den Gästen wohl auch einige auf Supermärkte spezialisierte Ladendiebe, und haben einige der leeren(!) Verpackungen "mitgehen" lassen. Dort, wo die Verpackungen einmal in den Regalen befestigt waren, sind jetzt nur noch Klebespuren im Lack der Regalböden zu sehen.

Mit Blick auf die vielen kleinen Details und den fundierten wisssenschaftlichen Hintergrund der seiner Meinung nach "schier unglaublichen Ausstellung" hatte Bob Geldorf in seiner Rede zur Eröffnung des Klimahauses gesagt:


Ich hoffe, dass auch die wenigen "Schwarzen Schafe", die mit ihrem unsozialen Verhalten der großen Mehrheit der Gäste des Klimahauses Schaden zufügen, irgendwann erkennen, dass sie sich mit ihrem Verhalten selbst aus der Gesellschaft ihrer Mitmenschen ausschließen. Auf Dauer macht das einsam ... - und eine Liebeserklärung tritt man nicht mit Füßen!


Was man mit nach Hause nimmt ...

Aber auch wer nicht zu den vorgenannten Ladendieben gehört, wird das Klimahaus mit mehr im Gepäck verlassen, als er beim Betreten der Ausstellung dabei hatte.

Während eines Gesprächs sagte mir eine Mitarbeiterin des Klimahauses einmal, die Ausstellung habe nicht den Anspruch, die Besucher zu belehren. Das entspricht auch meiner Erfahrung. Diejenigen Besucher, die bei ihrem Besuch im Klimahaus etwas lernen wollen, die müssen schon selbst aktiv werden. Wer "Die Reise" um den Planeten mit oberflächlichem Blick innerhalb von vielleicht zwei Stunden "absolviert" der wird sicherlich seinen Spaß gehabt haben, aber nicht viel mehr als einen groben Eindruck aus den Bildern von der Dekoration und der Wirkung der Klimasimulationen auf sein Befinden mit nach Hause nehmen. Er wird jedoch nicht das Gefühl haben, belehrt worden zu sein.

Wer sich aber unter dem Eindruck der jeweiligen Klimasimulation die Zeit nimmt, den Menschen in den Video-Interviews aufmerksam zuzuhören, die Info-Texte zu lesen und das Erfahrene zu verarbeiten, der wird die Auswirkungen, die der Klimawandel bereits jetzt auf das Leben der Menschen an den verschiedenen Etappenzielen entlang des 8. Längengrades hat, quasi am eigenen Leibe erfahren. Belehrt fühlen wird er sich jedoch dennoch nicht. Was jeder Besucher für sich selbst an neuen Erkennnissen mitnimmt, wird abhängig von seiner subjektiven Wahrnehmung der Welt jeweils völlig individuell ausfallen. Das wird auch anhand der Einträge in den Gästebüchern des Klimahauses deutlich, wenn die Besucher von ihren individuellen Standpunkten aus über das gleiche Thema schreiben.

In Anbetracht der drohenden Klimakatastrophe wünsche ich dem Klimahaus, dass der Besucherstrom nie abreißen wird, und möglichst viele der Gäste die Erkenntnis mit nach Hause nehmen, dass uns der Klimawandel nicht erst dann bevorsteht, wenn die mittlere globale Erwärmung noch um mehr als zwei Grad Celsius zunehmen sollte. Es ist wichtig für uns zu begreifen, dass viele Menschen auf der Welt schon heute vom Wandel betroffen sind. Irgendwann werden seine Auswirkungen jeden von uns, beziehungsweise jeden unserer Nachkommen, mit voller Wucht treffen - es sei denn, es gelingt der Menschheit nach dem Desaster des Klimagipfels von Kopenhagen im Dezember 2009 doch noch ein gemeinsamer Schulterschluss zur Abwehr zumindest der schlimmsten zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels.

Dem Planeten Erde - der einzigen(!) Heimat aller Tiere, Pflanzen und der Menschheit - wünsche ich, dass die Besucher des Klimahauses, denen die Gefährdung des Lebens auf der Erde bewusst geworden ist, Druck auf unsere Politiker und auf diejenigen aller Nationen der Welt ausüben, diesen aufrechterhalten und möglichst noch erhöhen, um sie zu wirksamen Maßnahmen gegen den Klimawandel zu drängen. Der von der bisherigen Landesregierung Nordrhein-Westfahlens angestrebte Neubau von Kohlekraftwerken oder die von der gelb-schwarzen Bundesregierung geplante Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke führen in die Sackgasse. Die einzige Chance die wir haben, um unseren Nachkommen einen bewohnbaren Planeten übergeben zu können, besteht nach meiner Überzeugung in der konsequenten Einsparung von Energie und im Umbau der Energieversorgung und des Stromnetzes auf dezentrale, CO2-neutrale und regenerative Energiequellen.


(Quellen: Radio Bremen vom 28.12.2009, Regenbogenschule, Nordsee-Zeitung vom 25.06.2010, Klimahaus 8° Ost)

1 Kommentar:

Lucki hat gesagt…

Hola juwi,
das Klimahaus hast Du ja schon einmal berichtet. Die Bilder sind beindruckend, und Deine Schilderungen kann man kaum widerstehen, dieses unbedingt zu besuchen. Die Erde ist zwar nicht zu rund wieder WM-Ball. Teamgesit könnte sie auch heißen. Schützenswert ist sie auf jeden Fall. Umso überraschter war ich als ich neulich mal las, dass man von Seiten der deutschen Politik auch nicht mehr so vorpreschen will, da die anderen Staaten der Welt, kaum an einer gemeinsamen Verwirklichung Interesse zeigt (vgl. auch Kopenhagen).
Euch ein sonniges Sommerwochenende an der Nordsee..
LG Lucki

Kommentar veröffentlichen



Eigene Meinungen, konstruktive Kritik, Anregungen etc. sind jederzeit willkommen.

Nettikette
Bitte achtet auf den »guten« Ton.
Beschimpfungen und ähnliches werden im Papierkorb veröffentlicht.


Anonyme Kommentare:
Wenn ihr "Anonym" bei "Kommentar schreiben als" auswählt, dann lasst mich und die anderen Leser bitte wissen, wer ihr seid.

Um faire Diskussionen zu gewährleisten, werde ich Kommentare ohne "Identität" in Form einer E-Mail-Adresse, einem Namen oder zumindest einem Nicknamen nicht veröffentlichen!

Zum Schutz vor Spammern müssen die Kommentare erst von mir freigeschaltet werden. Ich bitte dafür um euer Verständnis.