Mittwoch, 16. Juni 2010

Gebundene Hände oder plumper Täuschungsversuch?


Bremerhaven, Elbe-/Rheinstraße (Feb. 2010): Supermarkt im Bau

Am 10.06.2010 war in der Nordsee-Zeitung zu lesen, dass der Geestemünder Turnverein (GTV) seine Sporthalle an der Elbestraße verlieren wird. Die Halle steht auf dem Gelände der abgerissenen Hermann-Löns-Schule.

Das Gelände im Bereich zwischen der Straßengabelung Elbestraße/Rheinstraße erwarb der Investor "Dieckell Vermögensverwaltung", der darauf einen Lidl-Supermarkt errichten ließ. Lidl betrieb bis dahin einen Supermarkt auf der gegenüberliegenden Seite der Rheinstraße, der nach dem Umzug in das neue Gebäude aufgegeben wurde. Im Zusammenhang mit dem Supermarkt-Wildwuchs in Bremerhaven hatte die Stadt damals bedauernd auf Kritik aus der Bevölkerung reagiert. Der Stadt seien in diesem Falle die Hände gebunden. Man könne nichts dagegen unternehmen, da das Gelände einem privaten Investor gehöre. Was dieser mit seinem Eigentum vorhabe sei dessen Privatangelegenheit. Die Nordsee-Zeitung berichtete am 10.06.2010, die Dieckell Vermögensverwaltung habe der Stadt ein Kaufangebot gemacht, um die vom GTV genutzte Sporthalle der ehemaligen Hermann-Löns-Schule abreißen zu lassen und eine größere Zufahrt zum neuen Supermarkt auf dem Areal zu bauen.


Fiese Pläne eines gemeinen Investors?


Die Sporthalle auf dem Gelände der abgerissenen Hermann-Löns Schule

Herr Behrens (CDU, Sportdezernent) hatte der Nordsee-Zeitung gegenüber bestätigt, dass ein Kaufangebot vorliegt. Er würde einem Verkauf nicht im Wege stehen, da die Halle sehr sanierungsbedürftig sei. Vor allem die Wärmedämmung lasse zu wünschen übrig. Falls eine Sanierung aus Kostengründen nicht möglich sein sollte, müsse aber gesichert sein, dass dem Verein Ersatz angeboten wird. Man bemühe sich um eine Lösung und sei mit allen Beteiligten im Gespräch.

Das scheinen die Sportler, welche die Halle nutzen, "etwas differenzierter" zu sehen. Wo sie in Zukunft ihren sportlichen Aktivitäten nachgehen können, stehe noch nicht fest. Die Nordsee-Zeitung zitierte Herrn Schramm (GTV, Karate-Abteilungsleiter) mit den Worten: "Es kann ja wohl nicht sein, dass ein weiterer Supermarkt den Breitensport verdrängt". Verärgert seien die Sportler auch darüber, dass sie erst so spät von dem geplanten Verkauf erfahren haben. Erst als sie gerade dabei waren, die Halle in Eigenarbeit neu zu streichen, und fast damit fertig waren, erhielten sie die Nachricht dass sie mal besser damit aufhören sollten, da die Halle wohl verkauft werde.


Politische Tricks zur Täuschung der Bürger?

Gestern war ich jedoch sehr überrascht, als ich die Fortsetzung der Geschichte der Nordsee-Zeitung las: Weder Lidl noch der Investor hätten jemals die Absicht gehabt, die GTV-Halle an der Elbestraße abreißen zu lassen. Beide hätten klargestellt, dass die Initiative zum Verkauf des Geländes und dem Abriss der Sporthalle von der Stadt Bremerhaven ausgegangen sei.

Der stadteigene Betrieb Seestadt Immobilien habe den Investor gebeten, zusätzlich zum Gelände der früheren Hermann-Löns-Schule auch das Grundstück mit der Sporthalle darauf zu erwerben. Nach den Vorbesprechungen solle es geräumt übergeben werden. Eine endgültige Entscheidung darüber müsse im Magistrat gefällt werden.

Herr Gollücke (Lidl) nannte es der Nordsee-Zeitung gegenüber völlig unfair und daneben, wenn die Stadt jetzt versuchen sollte, Lidl jetzt als Buhmann hinzustellen. Lidl habe überhaupt nichts dagegen, wenn die Halle stehen bleibe. Die Nordsee-Zeitung zitiert ihn in ihrer Ausgabe vom 15.06.2010 mit den Worten: "Im Gegenteil. Die Sportler kaufen schließlich bei uns ein, das sind unsere Kunden." Auch verkehrstechnisch stehe die Halle nicht im Weg. Die Zufahrt von der Elbestraße könne problemlos daran vorbei geführt werden. Die Nordsee-Zeitung schrieb weiter, der Investor habe sich jedoch dahingehend geäußert, dass er sich dem Wunsch der Stadt, das Grundstück zu erwerben, nicht verschließen wolle. Nur für einen Abriss der GTV-Sporthalle wolle er nicht verantwortlich gemacht werden.


Wahrheit oder Vertuschung?


Der "alte" Supermarkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite

Nach den mir jetzt vorliegenden Informationen stellt sich mir die ganze Angelegenheit so dar, als würden sich die Politiker mit einem plumpen Täuschungsversuch hinter den "fiesen Absichten eines privaten Investors" verstecken, um den Bürgern nicht klar ins Gesicht sagen zu müssen, dass die Pläne zum Abriss der Sporthalle auf ihrem eigenen Mist gewachsen sind. Das ließe immerhin Rückschlüsse auf eine gewisse Sensibilisierung der Bremerhavener Politiker bezüglich der Stimmung in der Bevölkerung angesichts des Supermarkt-Wildwuchses zu. Statt den Wildwuchs einzudämmen, sieht es jetzt jedoch irgendwie danach aus, als würden sie versuchen, ihre Supermarkt-Pläne unter falschen Etiketten zu verwirklichen: Wo "Lidl-Abriss" draufsteht, ist in Wirklichkeit "Stadt-Abriss" drin. Vor diesem Hintergrund drängt sich mir irgendwie der Gedanke auf, ob sich die Supermarkt-Ansiedlung auf dem ehemals repräsentativen Grundstück im Zentrum der wichtigsten Nord-Süd-Verkehrsachse Bremerhavens nicht vielleicht doch hätte verhindern lassen.

Vor allem aber steht mit der Angelegenheit "Abriss der GTV-Sporthalle" wieder einmal die Schieflage der Sportförderung in Bremerhaven im Rampenlicht. Während nur einen Kilometer nördlich der vom GTV genutzten Sporthalle mindestens 15,7 Millionen Euro im Neubau der Eissporthalle für die Mitglieder des örtlichen Eishockey-Clubs und seine Fans verschwinden, für den die Stadt Bremerhaven sich auf Jahre hinaus verschuldet, fehlt das Geld für die Sanierung und die Wärmedämmung einer bestehenden Sporthalle des Bremerhavener Breitensports! Ich würde es begrüßen, wenn die politisch Verantwortlichen bei der Wahl zur Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung am 22. Mai 2011 unter anderem auch dafür ihre Quittung bekommen würden.


(Quellen: Nordsee-Zeitung vom 10.06. und vom 15.06.2010)

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