Sonntag, 13. Juni 2010

Was machbar ist ...

Bisher sind die Angaben über die aus dem Bohrloch nach der Explosion auf der Bohrinsel "Deep Water Horizon" in das Meer strömenden Ölmengen ständig nach oben korrigiert worden. Die ARD-Tagesschau berichtete heute, neue Messungen würden erneut darauf hindeuten, dass wesentlich mehr Öl ins Meer geflossen sei und weiter fließe als bislang angenommen.

Nach Angaben der US-Geologiebehörde hätten von der US-Regierung beauftragte Forscher angegeben, sie gingen davon aus, dass 5400 Tonnen pro Tag aus dem Bohrloch in 1500 Metern Tiefe ins Meer strömen. Das wären noch einmal 2000 Tonnen mehr pro Tag, als bisher angenommen wurde.

Wenn Herr Obama (USA, Präsident) den Verursacher der Ölpest, den Ölkonzern BP, per Ultimatum auf ein schlüssiges Konzept festnageln will, dann ist das vielleicht gut für sein Ansehen - suggeriert es doch, er beschleunige damit die Beendigung der Katastrophe - aber erreichen wird er damit nach meiner Einschätzung nichts. Wenn es eine praktikable Möglichkeit gäbe, das Bohrloch zu schließen, dann wäre das Problem längst gelöst.

Aus meiner Sicht ist es zwar richtig und alternativlos, weiterhin alles nur denkbare zu versuchen, um das Bohrloch zu schließen, doch sieht es mehr und mehr danach aus, als wären die Ingenieure zwar in der Lage eine Bohrinsel für Bohrungen in der 1500 Metern Tiefe zu konstruieren, aber nicht dazu, technische Lösungen zum Schließen eines Bohrlochs nach einem Unfall in diesen Tiefen zu entwickeln. Einer meiner Physik-Lehrer vertrat bei jeder Gelegenheit die Ansicht, alles, was machbar sei müsse auch gemacht werden. Ich habe ihm damals schon widersprochen. Ich wäre gespannt, was er angesichts dieser Katastrophe sagen würde. Wenn er mir heute sagen würde, Offshore-Ölbohrungen seien machbar. Deshalb sei es richtig Öl aus Lagerstätten unter dem Meeresboden zu fördern, dann würde ich ihm sagen, die Folgen eines jederzeit möglichen Unfalls unverzüglich in den Griff zu bekommen ist nicht machbar. Deshalb ist es unverantwortlich Öl aus Lagerstätten unter dem Meeresboden zu fördern!

Den Ölkonzernen (nicht nur BP!) ging es immer nur um den schnellen Profit. Ein Unfall, zumal einer wie dieser, ist in ihren Planspielen ganz einfach nicht vorgesehen - möglicherweise, weil ihnen bereits von Beginn an klar war, dass es dafür eh keine Lösung gäbe. Ähnlich wie der Bau und der Betrieb von Atomkraftwerken ist auch das Bohren nach Öl in der Tiefsee ein reines Vabanque Spiel: Solange nichts passiert wird kräftig abgesahnt. Wenn etwas schief geht, dann war's das.

Die Tagesschau berichtet weiter, Herr Obama habe BP aufgefordert, die anstehende Dividende an die Aktionäre wegen der Ölkatastrophe vorerst einzubehalten. Außerdem müsse BP für die Folgen der Umweltkatastrophe aufkommen. Dies beinhalte die Kosten für die Aufräumarbeiten sowie die Schadenersatzansprüche. Erstaunlich, dass er diese Selbstverständlichkeiten überhaupt erwähnen musste. Ich frage mich jedoch, ob BP irgendwann noch Willens und in der Lage sein wird, diesen Verpflichtungen nachzukommen.

Nach einem Bericht der Nordsee-Zeitung von gestern würde ich mir an Stelle der von der Ölpest Geschädigten keine große Hoffnung machen. Ein Shrimpfischer warte bisher vergeblich auf den Eingang von 5000 Dollar von BP auf seinem Konto, der eigentlich zum 1. Juni zugesagt gewesen sei. Seit zehn Tagen gäbe es statt Geld nur Ausreden. BP behaupte den Fischern gegenüber immer wieder, die Scheckformulare seien ausgegangen. Der genannte Shrimpfischer stelle die Frage, wer sich da wohl nicht für dumm verkauft fühlen würde. So würden mittlerweile tausende Betroffene in der Katastrophenregion denken, deren Existenz am Geldhahn des Ölkonzerns hänge.

Bei all diesen Fragen und Schuldzuweisungen habe ich bisher jedoch die entscheidende Frage nach den wirklich Schuldigen an diesem Super-GAU der Erdölbranche vermisst. Ich meine damit nicht die Frage nach dem Verursacher der Ölpest, also BP, sondern ich frage nach denjenigen, die weltweit derart verantwortungslose Genehmigungen erteilen, die Katastrophen dieses Ausmaßes zur Folge haben können.

Strafmildernd könnte man den Schuldigen in der Politik, in den Behörden und den Verwaltungen vielleicht zugute halten, dass sie nicht wirklich wussten, was sie taten. Damit ist es jetzt jedoch vorbei. Als Konsequenz aus dieser menschengemachten Umweltkatastrophe sollte man jeden, der auch nur daran denkt, noch einmal eine Ölbohrung im Meer zu genehmigen, vorsorglich lebenslänglich einsperren. Ebenso sollte mit denjenigen verfahren werden, die bereits erteilte Offshore Bohrgenehmigungen nicht unverzüglich widerrufen.


(Quellen: Nordsee-Zeitung vom 12.06.2010, Tagesschau vom 13.06.2010)

1 Kommentar:

Cloudy hat gesagt…

Ja, es ist eine große Schande, was dort geschieht. Und wenn man bedenkt, dass kleine ferngesteuert Autos auf dem Mars herumfahren, dann läßt sich schwer erklären, warum die Technik nicht diese 1500 Meter zuverlässig erreicht und den Ölstrom abstellt...
Servus und so long
Kvelli

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