Mittwoch, 2. Juni 2010

Der Super-GAU der Ölindustrie

Alle "genialen Ideen" zur Versiegelung des Bohrlochs haben sich bisher als Misserfolge und vorschnelle Erfolgsmeldungen entpuppt. BP erklärte jetzt die "Operation Top Kill", auf der zuletzt alle Hoffnungen ruhten, ebenfalls für gescheitert. Der Untergang der Bohrinsel "Deep Water Horizon" ist bereits jetzt zum Super-GAU der Ölindustrie geworden.

Der nächste Versuch, einen "Deckel" über dem Bohrloch anzubringen, soll in den nächsten Tagen unternommen werden, nachdem der Stumpf der Steigleitung abgetrennt worden ist. Dann werden ca. 20 Prozent mehr Öl aus dem Bohrloch strömen, als bisher. In der Tagesschau ist heute von 1,9 bis 3,6 Millionen Liter täglich die Rede, bzw. zwischen 1600 und 3400 Tonnen, wie der Spiegel am 30.05.2010 berichtete. Aus der mit 163000 Tonnen Rohöl beladen "Exxon Valdez" flossen 1989 "nur" 40000 Tonnen in das Meer vor der Küste Alaskas - bis vor kurzen die katastrophalste Ölpest in den USA. 12 bis 25 Tage wird es dauern, bis die gleiche Menge wie damals zusätzlich zum bereits aus dem Bohrloch ausgetretenen Öl ins Meer gelangt sein wird. Die US-Regierung schätzt, dass seit der Explosion auf der Ölbohrplattform "Deepwater Horizon" am 20. April bereits jetzt zwischen 68 Millionen und 151 Million Liter Öl ins Meer geflossen sind.

Wenn der Versuch mit dem "Deckel" ebenfalls zu keinem Erfolg führen sollte, dann versiegt der Ölstrom aus dem unkontrollierbaren Bohrlach er dann, wenn sich der Druck in der Öllagerstätte weit genug abgebaut hat. Zur Beschleunigung des Druckabbaus sollen Entlastungsbohrungen in die Öllagerstätte eingebracht werden. Die Bohrungen werden aber frühestens in 60 Tagen beginnen können. Aber selbst dann wird der Ölstrom nicht sofort versiegen. Bis der Druck soweit abgenommen hat, dass die Ünglücksquelle versiegt, wird weitere Zeit verstreichen.

Ob das Krisenmanagement des verantwortlichen Ölkonzerns BP dilletantisch ist, vermag ich nicht wirklich zu beurteilen. Möglicherweise zeigt die unendliche Serie der Misserfolge nur, dass solche Unglücksfälle bei Tiefseebohrungen technisch schlicht und einfach nicht beherrschbar sind. Die Informationspolitik des Konzerns lässt jedoch sehr zu wünschen übrig. Selbst als es schon längst nichts mehr zu verstecken gab, versuchte BP die Folgen der Havarie seiner Bohrinsel herunterzuspielen. Das zeigt einmal mehr, dass menschliches Fehlverhalten immer eine unvermeidliche Begleiterscheinung technischer Gigantomanie ist. Solange, wie alles läuft, werden immer kühnere Pläne in die Tat umgesetzt - bis dann zwangsläufig "doch etwas passiert". Dann wird in der Hoffnung, die Situation schon irgendwie schnell genug in den Griff zu bekommen, solange versucht, die Sache herunterzuspielen, bis sich nichts mehr vertuschen lässt.

Auf "Spiegel online" ist heute zu lesen, die "New York Times" habe berichtet, BP habe schon Monate vor der Explosion der "Deepwater Horizon" Sorge um die Sicherheit der Bohrinsel gehabt. Unter Berufung auf interne Dokumente des Unternehmens habe die "New York Times" geschrieben, BP-Ingenieure hätten bereits am 22. Juni 2009 ihre Bedenken darüber geäußert, dass eine Metallverschalung, die am Bohrloch installiert werden sollte, unter großem Druck kollabieren könnte. Entgegen den eigenen Sicherheitsbestimmungen habe BP jedoch an der Verwendung festgehalten.

In den Orten an der Küste von Louisiana fürchten die Menschen inzwischen um ihre wirtschaftliche Existenz. Der Spiegel zitiert einen Manager einer Marina in Venice mit den Worten: "Jetzt wird jedem klar, dass dieser Sommer verloren ist. Unsere ganze Lebensgrundlage ist womöglich verloren.". Ein Mitarbeiter der Gemeinde Plaquemines habe die Verzweiflung der Küstenbewohner noch drastischer ausgedrückt: "Sie zerstören den Süden von Louisiana. Wir sterben hier einen langsamen Tod." Das ist natürlich bildlich gesprochen. Den wirklichen, qualvollen Tod sterben die Tiere und Pflanzen im Meer, sowie unzählige Vögel, die auf eine intakte Natur in den Küstengewässern angewiesen sind.

Und noch etwas zeigt diese menschengemachte Umweltkatastrophe: Weitere Genehmigungen für Ölbohrungen im Meer sind in höchster Weise unverantwortlich. Niemand kann garantieren, das die Welt von einem weiteren Desaster diesen Ausmaßes verschont bleiben wird. Und das Öl, das in der Erde bleibt, wird nicht verbrannt. Das CO2 das dabei entstanden wäre kann nicht zur Klimakatastrophe beitragen.
  • Herr Nelson (USA, Florida, Senator) hat vor gut zwei Wochen ein neues Gesetz vorgestellt, dass den Ausbau der Bohrungen vor der Küste einschränkt. Das internationale demokratische Netzwerk AVAAZ hat daraufhin eine Petition verfasst, um Herrn Nelson dabei mit einem weltweiten Proteststurm zu unterstützen.

    Die Petition, die Herrn Obama (USA, Präsident) und die Abgeordneten im Kongress der USA auffordert, auf Ölbohrungen zu verzichten und stattdessen die USA und die Welt in eine saubere Zukunft zu führen, kann auf der Internetseite von AVAAZ online unterzeichnet werden.

    Sobald 500000 Unterschriften zusammengekommen sind, wird AVAAZ die Petition an das Weisse Haus in Washington übergeben - bis dahin fehlen noch ca. 20000 Unterzeichner.

(Quellen: Tagesschau vom 02.06.2010, Spiegel online vom 30.05.2010 und vom 02.06.2010)

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