Golf von Mexiko: Die Opfer der Schwarzen Pest - Ölverschmierte Pelikane
Foto: (c) International Bird Rescue Research Center, CC Attribution 2.0
Eine Ölpest unvorstellbaren Ausmaßes nach einer Explosion auf einer Tiefsee-Ölbohrplattform: Undenkbar? Seit dem Desaster im Golf von Mexiko wissen wir es besser - sollte man meinen.
Das dachten sich auch Herr Obama (USA, Präsident) und die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika. Herr Obama verhängte deshalb ein befristetes Verbot für Tiefsee-Ölbohrungen, um die anderen Plattformen und ihre Ausrüstung auf Schwachstellen zu untersuchen. Immerhin kann man nach der Explosion und dem Untergang der "Deepwater Horizon" davon ausgehen, dass der Super-GAU der Mineralöl-Industrie nicht der einzige bleiben wird.
Mit der Begründung, das zuständige Innenministerium habe das Moratorium der Regierung nicht ausreichend begründet, gab ein Bundesrichter in Louisiana dem Antrag von 32 Öl-Unternehmen gegen das sechsmonatige Regierungsverbot von Tiefseebohrungender statt. Außerdem sei eine Aufhebung des Moratoriums im öffentlichen Interesse. Was lernen wir daraus? Die Definition für "öffentliches Interesse" lautet in den USA also "die Interessen von 32 klagenden Öl-Firmen". Die US-Regierung kündigte umgehen Revision an. Derweil strömt das Öl weiterhin aus dem Bohrloch ins Meer. Die Natur setzt sich gnadenlos über alle Gesetze der Menschheit hinweg ...
Irgendwie pervers finde ich in diesem Zusammenhang auch die Argumentation des Anwalts, der mehrere der klagenden Unternehmen vertritt. Er sagte, im Golf von Mexiko gebe es "ein ganzes Ökosystem von Unternehmen, die durch dieses Moratorium jeden Tag geschädigt" würden. Das Kürzel "Ökosystem" steht bekanntlich für den Begriff "ökologisches System", also für ein komplexes System wechselseitig voneinander abhängiger Lebewesen in einem jeweils von den dort vorherrschenden Umweltfaktoren abhängigen Lebensraum. In dem Zusammenhang, in dem der Anwalt das Kürzel "Ökosystem" verwendet, beschreibt er damit die profitorientierten Interessen der klagenden Unternehmen, welche mit ihren Tiefsee-Ölbohrungen die marinen Ökosysteme weiterhin in verantwortungsloser Weise gefährden. Mit diesem Missbrauch der Sprache sollen wohl die schutzbedürftigen Ökosysteme im Meer und an den Küsten in den Köpfen der Menschen durch den Schutz der Ölkonzerne ersetzt werden. Die Fischer und die vom Tourismus abhängigen Küstenbewohner sind dann am Ende bedauerliche Kollateralschäden: Die Schlacht der Worte ist eröffnet!
Ölförderung auf Teufel komm raus
Der wirtschaftliche Schaden für die Küstenbewohner ist bereits jetzt verheerend - für den ökölogischen gibt es im Vergleich mit den Erfahrungen aus der Havarie der "Exxon Valdez" vor der Küste Alsakas in keiner Sprache der Welt einen Begriff, mit dem man die Folgen der Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko noch in Worte fassen könnte. Selbst "Super-GAU" klingt da schon irgendwie harmlos. Und da klagen 32 Unternehmen, deren einer Mitbewerber zuvor unzählige Existenzen an der Küste vernichtet hat, gegen die Sicherheitsmaßnahmen der US-Regierung? Damit, dass die auf Teufel-komm-raus weiterbohren wollen, riskieren sie den endgültigen Exitus des marinen Ökosystems, der umliegenden Küstengebeite und Inseln.
Und machen wir uns nichts vor: Selbst wenn nach einem sechsmonatigen Bohrverbot und der technischen Überprüfung der Bohranlagen festgestellt werden würde, dass die Ölbohrplattformen "sicher" sind, ist das überhaupt keine Garantie dafür, dass nicht bald die nächste Katastrophe ins Haus steht. Was bisher (angeblich) undenkbar war, muss spätestens seit dem 20. April 2010 als ständige Gefahr betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund reicht ein befristetes Tiefsee-Bohrverbot nicht aus. Da Unfälle offensichtlich nicht beherrscht werden können, sind weitere Tiefseebohrungen angesichts der ökologischen und wirtschaftlichen Folgen unverantwortlich. Sie müssen deshalb weltweit verboten und geächtet werden.
Nach der Explosion auf der "Deep Water Horizon" und den anschließenden Vertuschungsversuchen des BP-Krisenmanagements sowie dem Offenbarungseid bezüglich der Unmöglichkeit, das Bohrloch mit technischen Mitteln zu verschließen, gab es ja bereits von verschiedenen Seiten Aufrufe, den BP-Konzern zu boykottieren und an anderen Tankstellen zu tanken. Ich fürchte aber, dass sich das Problem gemeingefährlicher Tiefseebohrungen mit solchen Maßnahmen leider nicht grundlegend bekämpfen lassen wird. Eigentlich müssten diejenigen, die dazu aufrufen BP zu boykottieren, ihren Aufruf ehrlicherweise auch auf all diejenigen Firmen ausweiten, die weiterhin mit ihren Tiefseebohrungen oder anderen Offshore Förderanlagen sensible Ökosysteme gefährden. Ich fürchte nur, dass dann nicht mehr sehr viele Tankstellen übrig bleiben werden, an denen sie noch tanken könnten. Konsequenterweise müssten sie sich also von ihren Autos trennen. Nicht nur für den Schutz der Meere, sondern auch für die Eindämmung der Folgen des Klimawandels wäre das ein großer Fortschritt.
Die Geschichte droht sich zu wiederholen
Und noch etwas lehrt die Erfahrung aus den Folgen der von der "Exxon Valdez" verursachten Ölpest: Bevor die Ölkonzerne auch nur einen Cent mehr an die Geschädigten zahlen, als sie unbedingt müssen, werden sie eher viele Hundertmillionen ihrer Dollars in die Manipulation des Rechtssystems investieren, um die Opfer der Ölpest so fertig zu machen, dass diese für den Rest ihres Lebens nicht mehr froh werden. Die Fischer an der Küste von Louisiana, die immer hofften, den Versprechen von BP glauben zu können, sind inzwischen nur noch wütend. Selbst einen der von BP bezahlten Jobs beim Reinigen der Strände haben die wenigsten von ihnen bekommen. Die meisten stehen kurz vor der Pleite.
Frau Brockovich, eine in den USA bekannte Umwelt-Aktivistin, organisierte ein Treffen bei dem sie die Geschädigten zu einer Sammelklage aufrief. Unterstützung erhielt sie dabei von der ebenfalls im ganzen Land bekannten Frau Ott aus Alaska, die an dem Treffen teilnahm, um den Fischern und den anderen geschädigten Küstenbewohnern am Golf von Mexiko klar zu machen, was den Menschen in Alaska mit dem Exxon-Konzern passierte. Es sei wichtig, dass sie verstünden, dass das, was BP jetzt mit ihnen mache, für sie genauso ausgehen könne, wie für ihre Leute in Alaska.
130 Kutter, die gesamte Heringsflotte ihres Dorfes, sei innerhalb kürzester Zeit arbeitslos gewesen, und Exxon sei vor Gericht gegen deren Ansprüche zu Felde gezogen. Bis zur Verhandlung hätten die Anwälte der Fischer in Alaska 40 Millionen Dollar investiert. Währenddessen habe Exxon für 400 Millionen Dollar einfach alle Rechtsanwälte in der Gegend "aufgekauft". Da diese dann befangen gewesen seien, habe keiner von ihnen mehr von den Fischern beauftragt werden können. Exon habe die Entschädigungssumme von fünf Milliarden Dollar vor Gericht auf gerade einmal ein Zehntel herunterhandeln können. Einige ihrer Leute bekämen gerade einmal 6 Cent Entschädigung im Monat. Frau Ott sagt, die Heringsbestände hätten sich auch nach fast 20 Jahren nicht einmal ansatzweise erholt. Es bestünde für die Fanggebiete im Golf von Mexiko in Anbetracht des vielfachen der Ölmenge und der Rekordmengen von Chemikalien die Gefahr eines ganz großen Fischsterbens. Dagegen sei das Leck der "Exxon Valdez" eher ein kleiner Betriebsunfall gewesen.
Die Täter versuchen sich im Rampenlicht der Öffentlichkeit immer wieder gerne als Opfer ihrer eigenen Habgier darzustellen. Aber die Täter bleiben in der Regel die Täter, die Opfer bleiben die ewigen Opfer, und die Geschichte scheint sich ein weiteres Mal zu wiederholen. Exxon existiert nach wie vor. Im Mittelalter wurden Brunnenvergifter noch von den Gerichten zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Brunnenvergifter der Neuzeit brauchen sich davor nicht mehr zu fürchten: Sie stehen unter dem Schutz des "öffentlichen Interesses". Es ist zu befürchten, dass die Täter wohl auch dieses Mal wieder nahezu unbeschädigt davonkommen könnten.
(Quellen: Weltspiegel vom 13.06.2010, Stern vom 22.06.2010, Der Standard vom 22.06.2010, Tagesschau vom 23.06.2010, Wikipedia)
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