Report Mainz vom 05.10.2009: Krieg gegen Flüchtlinge
Das ARD Politmagazin "Report Mainz" berichtete gestern abend im Zusammenhang mit der Agentur "Frontex", welche die Europäische Union mit dem Schutz ihrer Außengrenzen beauftragt hat, über skandalöse Menschenrechtsverletzungen. Auch Deutschland stelle für Frontex-Einsätze Bundespolizisten sowie Hubschrauber zur Verfügung und leiste finanzielle Unterstützung.
Nach Auskunft von "Report Mainz" führte Frontex im Mittelmeer im Rahmen der Operation "Hera 2008" Abfangmanöver gegen Flüchtlinge aus Afrika durch. Im vergangenen Jahr seien 5969 Menschen auf See abgefangen und nach Afrika zurückgeschickt worden. Dabei wurden Flüchtlinge unter Androhung der Zerstörung ihrer überfüllten Boote zur Umkehr gezwungen, die zwar noch genug Treibstoff an Bord hatten, um eine europäische Küste zu erreichen, deren Treibstoffvorrat jedoch nicht mehr für eine Rückkehr nach Afrika reichte. Andere wurden mit gleichlautenden Drohungen zur Umkehr gezwungen, obwohl sie für eine Rückkehr nicht mehr genug Trinkwasser dabei hatten. Einige der Flüchtlinge an Bord waren schon gestorben. Gleichzeitig verweigerte man ihnen die Ergänzung ihres Trinkwasservorrats. Das geht unter anderem aus Berichten überlebender Flüchtlinge in der Sendung hervor.
- Im Klartext heißt das, es wurden Flüchtlinge unter Inkaufnahme ihres sicherern Todes zurück nach Afrika geschickt.
All das verstößt in übelster Weise gegen die Genfer Flüchtlings-
konvention, gegen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
und gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.
"Report Mainz" zeigte in der Sendung ein Dokument von Frontex, das die Zahlen bezüglich der Zurückweisung von Flüchtlingen auf See belegt. Die Verantwortung für die deutsche Beteiligung an Frontex trägt offenbar Herr Schäuble (CDU, Bundesinnenminister). Gegenüber "Report Mainz" bestritt er die Zurückweisungen auf See. So etwas sei mit der geltenden Rechtslage unvereinbar. Wörtlich sagte er in der Sendung: "Das ist gegen alle Regeln. Wer in Not ist und Flüchtling ist, hat einen Anspruch auf Aufnahme und wer auf hoher See ist, wird nicht zurückgeschickt, sondern es gelten die Regeln der Genfer Konvention." Als er in der Sendung mit den Frontex-Zahlen konfrontiert wurde, sagte er: "Solche Zahlen sind mir nicht bekannt". Im Gegensatz zu Herrn Schäuble war anderen Politikern in Deutschland offenbar seit längerer Zeit bekannt, dass Frontex Flüchtlinge auf See zur Umkehr zwingt. Dafür spricht unter anderem eine Kleine Anfrage einiger Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 16.09.2009 (Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/14062). In der Einleitung zu der Anfrage ist zu lesen:
"Durch die Praxis der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (Frontex), die Flüchtlingsschiffe zu orten und dem betreffenden Anrainerstaat wie Griechenland oder Italien zu melden, werden die Boote oft vor Erreichen der Küstengewässer eines Mitgliedstaates auf Hohe See zurückgedrängt. Das hat zur Folge, dass die auf den Booten befindlichen Personen keine Möglichkeit erhalten, gegebenenfalls einen Asylantrag zu stellen."
Und da will der für die deutsche Beteiligung an den Frontex-Einsätzen verantwortliche Bundesinnenminister nichts davon gewusst haben? Das kann ich kaum gauben!
Auch Herr Weber (CSU, Vizefraktionschef der Konservativen (EVP) im Europäischen Parlament), widerspricht Herrn Schäuble. Er sagte in dem Beitrag von Report Mainz: "Wir haben leider Gottes Meldungen auf dem Tisch liegen, wo kollektiv zurückgeführt wird, ohne Einzelfallprüfung und das ist definitiv mit europäischem Recht nicht zu vereinbaren."
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl schrieb am 12.05.2009 in einem Artikel mit dem Titel Frontex, Bootsflüchtlinge und die Menschenrechte:
"... Der Innenausschuss des Europäischen Parlaments greift in
einem Bericht vom 10. März 2009 zumindest vorsichtig einen
Konstruktionsfehler bei der Schaffung von Frontex an. Das
Mandat der Agentur müsse überarbeitet werden und »Schutz-
und Menschenrechtsbelange« unbedingt in die Mission von
Frontex integriert werden. Die Grenzüberwachung solle zukünftig
außerdem detaillierte Berichte über die abgefangenen Personen
und ihre einzelnen Schicksale vorlegen.
Was fehlt, ist die Klarstellung, dass das Abfangen und Abdrängen von Menschen auf hoher See rechtswidrig und
zu beenden ist. Schutzsuchende haben das Recht, in einen europäischen Hafen gebracht zu werden, und auf ein faires Asylverfahren. ..."
Demnach ist auch in der Europäischen Union offenbar seit längerem bekannt, dass sich Frontex mit seinen Aktionen offensichtlich zumindest in einer Grauzone bewegt - möglicherweise mit Billigung politischer Institutionen der Europäischen Union.
Mit der Sendung von "Report Mainz" sind Verstöße gegen europäisches Recht und gegen Menschrechte öffentlich geworden. Aus meiner Sicht müssen die politisch Verantwortlichen und die für diese Praxis bei Frontex Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Frontex-Einsätze, die gegen Menschenrechte und geltendes europäisches Recht verstoßen, müssen umgehend unterbunden werden. Die Europäische Union, die Menschenrechtsverletzungen anderer Staaten kritisiert, muss dafür sorgen, dass so etwas in ihrem Verantwortungsbereich nicht vorkommt. Das gleiche gilt auch für Deutschland. Ein deutscher Innenminister, der für die Beteiligung Deutschlands an Frontex die Verantwortung trägt, und behauptet, er wisse nicht, was dort geschehe, ist in diesem Amt aus meiner Sicht nicht länger tragbar. Er schadet dem internationalen Ruf der Bundesrepublik Deutschland.
- Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor
Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen.
(Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Artikel 14)
(Quellen: Report Mainz, Pro Asyl, Deutscher Bundestag)
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