Freitag, 9. Oktober 2009

Cap Anamur - Freispruch in Italien

Fünf Jahre nach der Rettung afrikanischer Flüchtlinge aus Seenot sind Herr Bierdel (damals Vorsitzender der Hilfsorganisation "Cap-Anamur"), Herr Schmidt (damals Kapitän der "Cap Anamur II") sowie Herr Daschkewitsch (damals Erster Offizier der "Cap Anamur II") vom Strafgericht im italienischen Agrigent für nicht schuldig erklärt worden. Italien hatte die drei Männer wegen der "Beihilfe zur illegalen Einwanderung" angeklagt.

Vorangegangen war im Juni 2004 die Rettung von 37 afrikanischen Flüchtlingen im Mittelmeer aus einem überfüllten Schlauchboot, das zu sinken drohte. Italien hatte der "Cap Anamur II" dann drei Wochen lang die Einfahrt in einen sizilianischen Hafen verwehrt. Da das Schiff vorher maltesische Hoheitsgewässer durchfahren habe, verlangten die italienischen Behörden von der Organisation "Cap Anamur", die Flüchtlinge nach Malta zu bringen. Als die Situation an Bord des Schiffes zu eskalieren drohte, durften die Flüchtlinge schließlich doch an Land gehen.

Italien beschlagnahmte die "Cap Anamur II", nahm den Kapitän und den 1. Offizier fest und erhob Anklage gegen die Schiffsführer und den Vorsitzenden der Hilfsorganisation. Nicht lange danach schob Italien alle 37 Flüchtlinge in ihre Heimatländer ab.

Vertreter der Hilfsorganisation "Cap Anamur" sprachen nach dem Urteil von einem wichtigen Tag für die humanitäre Arbeit und einem Erfolg für die Menschlichkeit. Die Rettung von Menschenleben dürfe nicht juristisch geahndet werden.

Herrn Bierdel war damals vorgeworfen worden, er habe lediglich ein Medienspektakel inszenieren wollen. Obwohl ihm im Falle einer Verurteilung 4 Jahre Haft und 400000 Euro Bußgeld drohten, stand er jedoch während der ganzen Zeit weiterhin zu seinem damaligen Handeln. Er sagte in einem Interview, selbstverständlich seien Fehler gemacht worden, weil man auf die Situation nicht vorbereitet gewesen sei. So habe man etwa zu viel Zeit gebraucht, bis ein geeigneter Hafen zum Anlaufen gefunden worden sei. Dennoch habe er keinen einzigen Journalisten eingeladen oder an Bord geholt. Diese seien selbst gekommen, weil sie sich informieren wollten.

Dass damals davon die Rede war, "Cap Anamur" habe ein Medienspektakel inszeniert, habe er in Anbetracht der Tatsache, dass Menschen in großer Zahl an der EU-Außengrenze verschwinden, ertrinken, verdursten und von europäischen Grenztruppen abgewehrt würden, schon damals - und rückblickend erst recht - obszön gefunden. Herr Bierdel will aber erst von einem Erfolg sprechen, wenn in der Urteilsbegründung des italienischen Gerichts festgestellt werden sollte, dass die Rettung der Flüchtlinge aus Seenot damals rechtens war und Kapitäne wieder Mutfassen können, Flüchtlinge in Seenot zu retten. Die Urteilsbegründung soll in drei Wochen veröffentlicht werden.

Als die Odyssee der "Cap Anamur II" damals tägliches Thema in den Medien war, hatte ich den Vorfall für einen drastischen Einzelfall gehalten. Seit dem Bericht über die EU-Agentur "Frontex" in der ARD Sendung "Report Mainz" am 05.10.2009 weiß ich es besser.

Ich freue mich deshalb um so mehr über den Freispruch für die Herren Bierdel, Schmidt und Daschkewitsch. Alles andere wäre völlig absurd gewesen, und hätte besser zu einem schlechten Film gepasst, als zur Entscheidung eines Gerichts in einem europäischen Rechtsstaat. Es wird dringend Zeit, dass die EU ihre Organisation "Frontex" der parlamentarischen Kontrolle unterstellt, und Flüchtlinge in Auffanglagern ein rechtsstaatliches Asylverfahren gewährt.

Wenn die italienischen Behören damals menschlich gehandelt hätten, dann hätten sie die "Cap Anamur" gleich in ihren Hafen einlaufen und die Flüchtlinge an Land gehen lassen. Sie hätten sie dann im Falle eines unberechtigten Asylantrags immer noch abschieben können, so wie sie es ja ohnehin getan haben. Dann hätte der italienische Staat in dieser Sache jetzt erheblich besser ausgesehen, die angeklagten "Cap Anamur" Angehörigen hätten nicht unter dem Ungewissen Ausgang eines jahrelangen Gerichtsverfahrens leiden müssen, und den afrikanischen Flüchtlingen wäre eine wochenlange Odysee im Rampenlicht der internationalen Presse erspart geblieben, nachdem sie gerade erst knapp dem Tod entgangen waren.



Video-Tagebuch von Bord der "Cap Anamur"

(Quellen: Nordsee-Zeitung vom 08.10.2009, Focus online, Deutschlandfunk vom 07.10.2009, Tagesschau vom 07.10.2009)

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