Montag, 26. Oktober 2009

Grad' versprochen, schon gebrochen

Vor der Bundestagswahl haben alle Parteien viel verprochen. Aber versprechen kann sich ja schließlich jeder einmal ...

Bereits vor der Bundestagswahl machte die FDP deutlich, dass sie plant, das Sozialsystem zu privatisieren und den Gesundheitsfonds abzuschaffen. Noch Ende August gab es über dieses Thema heftigen Streit zwischen den jetzigen Koalitionären, da Frau Merkel für die CDU versicherte, sie wolle am Gesundheitsfonds festhalten.


Vor der Wahl

Mit Verweis auf das Vorhaben der FDP wurde Frau Merkel am 18. September 2009 während einer Bundespressekonferenz von einem Pressevertreter gefragt: "Können Sie den Bürgern versichern, dass sich die FDP in diesen Punkten definitiv nicht durchsetzen wird?" Frau Merkel antwortete: "Ja, das kann ich". Im Regierungsprogramm stehe, was die CDU verändern wolle. Das, was darin nicht stehe, wolle die CDU auch nicht verändern. Darüber berichtete die TAZ am 24.10.2009.

Im Regierungsprogramm der CDU ist von einer Kopfpauschale à la FDP tatsächlich keine Rede. Dort heißt es auf Seite 36: "Unser Ziel ist es, die Finanzierbarkeit der gesundheitlichen Versorgung zu sichern und die gesetzliche Krankenversicherung mittelfristig auch im Hinblick auf mehr Generationengerechtigkeit konsequent weiterzuentwickeln ...".


Nach der Wahl ...


Armer kranker Michel: Schwarz-gelbe Stiche

... wurde die Katze aus dem Sack gelassen. Die schwarz-gelbe Wespenkoalition will den Arbeitgeberanteil einfrieren, und den Arbeitnehmeranteil zukünftig einkommensunabhängig berechnen. Mit Details halten sich CDU/CSU und FDP bisher lieber zurück (möglicherweise haben die ja selbst noch nicht wirklich darüber nachgedacht?). Die Randbedingungen "eingefrorener Arbeitgeberanteil" und "einkommensunabhängiger Arbeitnehmeranteil" lassen aus meiner Sicht aber nur einen Schluss zu:

Wenn jeder einkommensunabhängig den gleichen Betrag zahlen soll, das Geld in den Kassen aber nicht weniger werden soll, dann werden die diejenigen, die bisher aufgrund ihres geringen Einkommens weniger zahlten, in Zukunft mehr zahlen müssen. Das wären dann die Verlierer des angekündigten radikalen Systemwechsels. Diejenigen, die aufgrund ihres höheren Einkommens ohnehin schon auf der Sonnenseite stehen, werden dann weniger zahlen. Beide Arbeitnehmer-"Gruppen" werden jedoch zukünftig jede Kostensteigerung im Gesundheitswesen insgesamt allein tragen müssen, da die Beiträge der Arbeitgeber auf dem letzten Stand bis in alle Ewigkeit weiter gelten sollen.

Im Gegensatz zu den Arbeitnehmern werden die Arbeitgeber weiterhin "einkommensabhängige" - oder besser gesagt "Lohnabhängige" - Beträge in das Gesundheitssystem einzahlen. Ein Gebäudereinigungsunternehmen, das heute niedrige Löhne zahlt, wird in Zukunft weiterhin weniger in das Gesundheitssystem einzahlen, als ein Hightech-Unternehmen mit hochqualifizierten, gut bezahlten Mitarbeitern. Für die Arbeitgeber scheint die Welt damit insgesamt aber in Ordnung zu sein. Von den zukünftigen Kostensteigerungen im Gesundheitswesen bleiben sie ja schließlich verschont.

Wenn entsprechend der Arbeitnehmer-Kopfpauschale wirklich "Gleichheit für alle" gelten sollte, dann müssten auch die Arbeitgeber zukünftig jeweils den gleichen Betrag zahlen. Dieser Posten steht jedoch nicht auf der Liste der noch zu erledigenden Arbeiten der FDP, denn ein solches Vorhaben würde jedem kleinen Unternehmen den Kopf kosten. Wie vielen Familien mit geringem Einkommen der Einheitsbrei "Kopfpauschale" zukünftig den Kopf kosten wird, ist der FDP - und jetzt nach der Bundestagswahl offensichtlich auch der CDU/CSU - völlig egal.

Oh, fast hätte ich es vergessen: Da gibt es ja noch das Versprechen, dass Härtefälle aus Steuermitteln abgefedert werden sollen. Das hört sich doch erst einmal gut an. Allerdings wird dabei mit viel Aufwand verschwiegen, dass dann über das Hinterstübchen "Steuer" viele Steuerzahler doppelt angeschmiert sein werden, denn schließlich zahlen ja auch Geringverdiener Steuern. Außerdem ist fraglich, wie solche Härtefälle definiert sein werden. Wenn dafür ähnliche Maßstäbe angesetzt werden sollten, wie für Hartz-IV, dann werden wir bald nicht mehr weit von den Verhältnissen in den USA entfernt sein. Es darf ja schließlich nicht so teuer werden. Für viele Amerikaner kann eine schwere Erkrankung der Beginn des Weges an den Rand der Gesellschaft sein. Viele Amerikaner können sich überhaupt keine Krankenversicherung leisten und müssen bei jeder Erkrankung ums Überleben kämpfen.


Und das alles will diese schwarz-gelbe Wespen-Koalition dem etwas tumben "Deutschen Michel" dann auch noch als sozial ausgewogen verkaufen. Um aber die Landtagswahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen im Mai 2010 - und damit die Mehrheiten im Bundesrat - nicht zu gefährden, soll im nächsten Jahr noch alles beim Alten bleiben. Die Koalitionspartner denken wohl: "In einem halben Jahr werden sich die derzeitigen Aufgeregtheiten schon wieder gelegt haben."

Ich hoffe, sie irren sich. Ich nenne das "Täuschen und Vertuschen". Mit der geplanten Einführung der Kopfpauschale bricht Frau Merkel ein Versprechen, das sie noch kurz vor der Bundestagswahl abgegeben hatte. Wenn sie es ehrlich gemeint hätten, dann wären Frau Merkel und ihre CDU bei bei ihrer Aussage aus der Zeit vor der Bundestagswahl geblieben, hätten sich nicht von der FDP unter Druck setzen lassen und hätten sich nach anderen Partnern für eine andere Regierungskoalition umgesehen. Vielleicht hätte das ja die FDP dazu ermutigt, Kompromisse einzugehen.


(Quellen: Hamburger Abendblatt vom 28.08.2009, TAZ vom 24.10.2009, Regierungsprogramm der CDU, Der Westen vom 23.10.2009, Tagesschau vom 23.20.2009)

2 Kommentare:

Helmut hat gesagt…

Ging da ein Aufschrei durch die Medien wie bei dem "Wortbruch" von Frau Ypsilanti ??? Nein, das ist doch alles NORMAL.
Ich habe vor der Wahl gewußt was auf uns zu kommen wird, deshalb konzequent LINKS gewählt. Unsere Politiker interessieren sich nur vor der Wahl für dumme Volk. Deshalb wird in Sachen AKW's vor der Wahl in NRW NICHTS passieren. Dann läßt man auch dort die Katze aus dem Sack.

juwi hat gesagt…

@Helmut:

Da bestätigt sich einmal wieder, dass es noch lange nicht das selbe ist, wenn zwei das gleiche tun.

Wenn ich ständig die Worthülse "sichere Atomkraftwerke" höre, die man fröhlich weiter laufen lassen will, dann schwillt mir der Kamm. ES GIBT KEIN SICHERES ATOMKRAFTWERK. Ich hoffe nur, dass wir nicht eines Tages die Bestätigung dafür erhalten werden. Für mich ist schon der täglich weiter anwachsende Atommüllberg der blanke Horror.

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