Samstag, 20. Oktober 2012

Demontage der Energiewende verhindern

Windenergieanlagen im Norden Bremerhavens
Solange diese Bundesregierung und ihr Umweltminister noch das Sagen haben, droht die zwingend notwendige, zügige Umsetzung der Energiewende zu scheitern. Anstatt froh darüber zu sein, dass die Erschließung regenerativer Energiequellen schneller vorangeht, als es vor noch gar nicht allzulanger Zeit einmal prognostiziert worden war, will Herr Altmeyer (CDU, Bundesumweltminister) den weiteren Ausbau regenerativer Energiequellen einschränken.

Dabei sollte eigentlich auch der letzte Hinterbänkler inzwischen begriffen haben, dass es - soweit das überhaupt noch möglich ist - um nichts geringeres geht, als den nachfolgenden Generationen die existentiellen Grundlagen für ihr Leben auf einem bewohnbaren Planeten Erde zu hinterlassen. Da es aber einige Staaten gibt, deren Regierungen der Realität nicht ins Auge sehen wollen und bisher alle Bemühungen zur Einigung auf ein internationales, für alle verbindliches Abkommen zur Begrenzung der weiteren gobalen Erwärmung blockieren, haben sich die Staaten, denen der Ernst der Lage bewusst ist, darauf geeinigt, vorerst zumindest freiwillige, nationale Anstrengungen zur Abwendung der drohenden Klimakatastrophe zu unternehmen.

Zum Kreis dieser Staaten zählt auch Deutschland, obwohl es die Chance, im Kampf gegen die Klimakatastrophe eine führende Rolle zu übernehmen, unter der Führung von Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) und ihrem damaligen Bundesumweltminister (Herr Röttgen, CDU) schon während der UN-Klimakonferenzen in Kopenhagen (Dänemark, 2009) und Cancún (Mexico, 2010) und Durban (Südafrika, 2011) verspielt hat. Was Herr Röttgen uns nach Abschluss der Klimakonferenz in Durban als "großen, wegweisenden Erfolg für den globalen Klimaschutz" verkaufen wollte, ist bei näherer Betrachtung nichts weiter, als ein weiteres Lippenbekenntnis ohne irgendeinen international rechtsverbindlichen Status.

Der einzig greifbare Erfolg ist der, dass auch die USA, China und Indien, die bisher noch nicht einmal das Kyoto-Protokoll unterzeichnet haben, dieses Mal immerhin dazu überredet werden konnten, sich dem neuen Lippenbekenntnis anzuschließen. Die Rechtsform eines zukünftigen Abkommens, das nach dem bisherigen Zeitplan erst im Jahre 2020 unterzeichnet werden soll, wurde bisher völlig offen gehalten. Das gleiche gilt für die bis 2020 zu ergreifenden Maßnahmen. Das aber heißt, dass sich die internationale Staatengemeinschaft nicht vor 2020 dazu durchringen wird, den gemeinsamen Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe aufzunehmen.


Die Zeit drängt!

Ohne klimapolitische Maßnahmen wird die globale Erwärmung in der
Mitte des Jahrhunderts zwei Grad Celsius überschreiten (rot). Bei recht-
zeitiger Umsetzung ambitionierter Maßnahmen gegen den Klimawandel,
die geeignet wären, die CO2-Emissionen in der ersten Hälfte des Jahr-
hunderts auf eine Billion Tonnen zu begrenzen, ließe sich dieses Risiko
auf 25 Prozent begrenzen (blau). Im Jahre 2050 lägen die Emissionen
klimaschädigender Gase dann bei rund 70 Prozent unter dem Stand
von 1990.  (Grafik: M. Meinshausen et al., 2009)

Der 2007 veröffentlichte IPCC-Klimareport stellt jedoch klar, dass der Menschheit keine Zeit mehr für ihre kleinlichen Schachereien um die Verteilung  von Zugeständnissen für fossile CO2-Emissionen bleibt. Jetzt geht es jetzt nur noch darum, die notwendigen Maßnahmen zur Begrenzung des Anstiegs der mittleren globalen Temperatur unterhalb der darin genannten "maximal zwei Grad über dem vorindustriellen Wert", in die Tat umzusetzen. Seit 2007 sind auf internationaler Ebene inzwischen aber schon fünf Jahre untätig verstrichen. Umso wichtiger ist es, dass die Bundesregierung auf nationaler Ebene alles unternimmt, unseren Anteil zum Erreichen des "Zwei Grad"-Ziels zu leisten, und die Regierungen anderer Staaten dazu bewegt, ihre Energieversorung ebenfalls auf regenerative Energeiquellen umzustellen.

Die mit Unterstüzung der Umweltstiftung "World Wide Fund For Nature" (WWF) und des Finanzdienstleisters Allianz SE erstellte "RECIPE"-Studie (Report on Energy and Climate Policy in Europe, 2009), die das "Potsdam Institut für Klimafolgenforschung" (PIK) in Zusammenarbeit mit vier weiteren europäischen Forschungsinstituten erstellt hat, untermauert die Tatsache, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der drohenden Klimakatastrophe umso teurer werden, je länger mit der Umsetzung der dafür notwendigen Maßnahmen noch gewartet wird. Im Rahmen der Studie wurden die Energieversorgung, die Stahl- und Zement-Industrie, die Landwirtschaft sowie Transport und Verkehr untersucht.

In einer im November 2009 veröffentlichten Pressemitteilung des PIK heißt es dazu (Zitat):
"Der Schlüssel für einen bezahlbaren Klimaschutz sind verbindliche und umgehend wirksame politische Rahmenbedingungen für das kommende Jahrzehnt. Klimaschutz ist wirtschaftlich verträglich und machbar. Für Europa macht sich der rechtzeitige Einstieg in einen umfassenden Klimaschutz sogar im Alleingang durch deutlich niedrigere Kosten bezahlt."

Würden die Kosten des Klimaschutzes und das Wirtschaftswachstum miteinander verrechnet, dann würde das der Studie zufolge für Europa eine Verzögerung des Wachstums von lediglich etwa einem Jahr bedeuten. Bei diesen Überlegungen seien "die drohenden, aber so vermiedenen Kosten durch Klimaschäden" noch nicht einmal berücksichtigt worden. Da seit 2009 auch schon wieder drei Jahre vergangen sind, hätte es hier heute eigentlich heißen müsstenn: "..., dann hätte das der Studie zufolge für Europa eine Verzögerung des Wachstums von lediglich etwa einem Jahr bedeuten können."

Auch auf die Frage, wie kurz die verbleibende Zeit inzwischen ist, innerhalb der wir der drohenden Klimakatastrophe überhaupt noch mit einer ausreichend hohen Wahrscheinlichkeit auf den gewünschten Erfolg begegnen können, gibt die Studie eine klare Antwort (Zitat):
"Wird das kommende Jahrzehnt nicht genutzt, steigen laut RECIPE nicht nur die globalen CO2-Minderungskosten. Die Chance, die gefährlichen Folgen des Klimawandels noch aufhalten zu können, sinkt erheblich. Nach 2020 schließt sich das Handlungsfenster für ambitionierten Klimaschutz ganz."

Zur Erinnerung: Diese Feststellung stammt aus dem Jahre 2009.
Das war vor drei Jahren! Auch das (aus damaliger Sicht) "kommende Jahrzehnt" ist bereits zwei Jahre alt: Die Zeit drängt!


Demontage per Totschlagsargument

Wenn hierzulande jetzt der Versuch unternommen wird, das vordergründige Argument: "Drastisch steigende Stromkosten" für die Demontage der (bisher) erfolgreichen Energiewende zu missbrauchen, dann drängt sich mir unwillkürlich das Bild von an die Türen der Bundesregierung klopfenden Lobbyisten der Ausbeuter fossiler Brennstoffe, der Betreiber fossil befeuerter Großkraftwerke und der Atomkonzerne auf. Möglicherweise hofft hegt die wespenfarbene Bundesregierung auch immernoch die Hoffnung, die im letzten Jahr gescheiterte "Laufzeitverlängerung" zugunsten kurzfristiger Profite der Atomkonzerne doch noch durchzusetzen zu können (solange der Rückbau der acht abgeschalteten Atommeiler hierzulande noch nicht begonnen hat, könnte der Bundestag jederzeit deren Reaktivierung beschließen!).

Mit ihrem Totschlagsargument "Drastisch steigende Stromkosten" verschleiert die Bundesregierung jedoch, dass die Lasten der Energiewende bisher immer weiter auf die Schultern des Herrn "Otto Normalverbraucher" verlagert wurden, während gleichzeitig immer mehr Unternehmen - und zwar nicht nur energieintensive Stahl-, Aluminium- oder Zement-Produzenten! - von der Beteiligung an der EEG-Umlage (EEG = Erneuerbare Energieen Gesetz) befreit worden sind. Daran muss dringend etwas geändert werden.

Herr Altmaier wehrt sich darüberhinaus gegen den Vorschlag, die Stromsteuer abzuschaffen. Wenn er sagt, das käme im wesentlichen den großen Stromverbrauchern zugute, während klein- und mittelständische Unternehmen und die privaten Haushalte kaum etwas davon hätten, dann könnte er ja die industriellen Stromfresser von der Steuerbefreiung ausnehmen, um auch ihnen Anreize für die Umsetzung von Energiesparmaßnahmen und die Nutzung regenerativer Energiequellen zu geben.

Eine weitere derzeit diskutierte Maßnahme ist eine "Abwrackprämie" für alte, energieintensive Haushaltsgeräte (Kühlschränke, Gefriergeräte, Waschmaschinen, Geschirrspüler etc.). Aber auch davon will die wespenfarbene Bundesregierung nichts wissen: Offensichtlich kann die Lobby der Haushaltsgerätehersteller der Lobby der Automobilhersteller diesbezüglich leider nicht das Wasser reichen ...
  • Um Spekulationen von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen, will ich hier gleich vorwegnehmen, dass ich eine "Abwrackprämie für energieintensive Haushaltsgeräte" nicht deshalb begrüßen würde, weil ich mir davon persönliche Vorteile erhoffe: Wir haben unsere Kühl- und Gefiergeräte bereits vor mehr als einem Jahr gegen die sparsamsten Geräte eingetauscht, die im Angebot waren.


Kosten müssen gerecht verteilt werden

Die ursprüngliche Absicht, stromintensive Industriezweige zu schützen, um Benachteiligungen im internationalen Wettbewerb durch höhere Stromkosten vorzubeugen, hat inzwischen absurde Ausmaße angenommen. So finden sich auf der Liste der von der Abgabe befreiten Unternehmen neben der Stahl- oder der Zement-Industrie auch "Golfplätze, der Berliner Friedrichsstadtpalast und Hähnchenmastanlagen" (Campact, 5-Minuten-Info).

In einer Studie im Auftrag der internationalen Umweltschutzorganisation "Greenpeace", die von "Green Budget Germany - Forum Ökologisch-Sozials Marktwirtschaft" (FÖS) erstellt und im Oktober 2012 veröffentlicht wurde, heißt es, der Anteil des Stroms der von der EEG-Umlage befreiten Unternehmen am Gesamtstromverbrauch sei in den letzten Jahren immer weiter gestiegen. Einer Prognose aus dem Jahr 2011 zufolge wird der Anteil dieser Unternehmen in diesem Jahr bei 18 Prozent des gesamten Stromverbrauchs liegen. Gleichzeitig trügen diese aber nur 0,3 Prozent des gesamten Umlagebetrags. Für das Jahr 2013 seien bereits mehr als doppelt so viele Begünstigungsanträge eingegangen, wie in diesem Jahr.

Die Antwort vom 04.09.2012 auf eine Anfrage des ZDF-Magazins "Frontal 21" zur EEG-Umlage macht deutlich, dass Herr Rösler (FDP, Bundesumweltminister) alles daran setzen wird, um die Ausnahmen von der EEG-Umlage für die Unternehmen beizubehalten. Wenn in der FDP von einer Reform des EEG die Rede ist, dann ist darüberhinaus in der letzten Zeit häufiger auch eindeutig die Abschaffung des Gesetzes gemeint.

Derartigen Bemühungen begegnet das demokratische Netzwerk "Campact" mit dem folgenden Online Appell:
Kosten der Energiewende gerecht verteilen!

Die Gefahren der Atomkraft und der Klimawandel erfordern dringend und weltweit den konsequenten Umstieg auf Erneuerbare Energien. Deutschland kann zum Vorbild für die Energiewende werden. Doch deren Akzeptanz ist gefährdet, solange die Kosten nicht fair verteilt werden.

Die Regierung befreit immer mehr Großunternehmen von den Kosten der Energiewende - und bürdet sie uns Bürger/innen auf. Damit muss Schluss sein! Wir fordern deshalb:

Die Kosten für die Energiewende müssen solidarisch verteilt werden. Die überwiegend durch Privathaushalte und kleine und mittelständische Unternehmen finanzierten Geschenke an Teile der Industrie müssen gestoppt werden.

Haushalte mit niedrigem Einkommen müssen einen Ausgleich für steigende Strompreise und eine Unterstützung für mehr Energieeffizienz erhalten.




(Quellen: ZDF Magazin "Frontal 21" vom 03.09.2012, Campact, Greenpeace, FAZ vom 12.08.2012, Pressemitteilung des PIK vom 03.11.2009, Wikipedia)

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