Freitag, 10. Februar 2012

Herr Nasheed, der Putsch und der Klimawandel

Nach Protesten von Anhängern der Opposition auf den Malediven und einer Meuterei revoltierender Polizisten wurde Herr Mohamed Rasheed (Malediven, bis dahin Präsident) zum Rücktritt gezwungen.

Bei einer von der Opposition organisierten Protestkundgebung hatten zahlreiche Bewohner der Malediven Ende letzten Jahres ein Ende "antiislamischer" Aktivitäten gefordert. Herrn Nasheed wurde vorgeworfen, er untergrabe die Prinzipien des Islams, der auf den Malediven die einzige zugelassene Religion ist. Die Regierung der Malediven hatte daraufhin Ende Dezember 2011 die Schließung der Wellness-Center in hunderten von Luxushotels angeordnet.

Nachdem im Januar 2012 ein Richter festgenommen worden war, der die Freilassung eines inhaftierten Oppositionspolitikers angeordnet hatte, waren die Spannungen zwischen der Regierung und Anhängern des früheren Präsidenten Maumoon Abdul Gayoom eskaliert. Herr Gayoom, der 30 Jahre lang autokratisch geherrscht hatte verlor im Jahre 2008 die Wahl, aus der Herr Nasheed, der unter Herrn Gayoom als politischer Gefangener inhaftiert war, als Gewinner hervorgegangen war.

Menschenrechtsgruppen hatten die Regierung der Malediven während der Präsidentschaft Herrn Nasheeds dafür kritisiert, dass sich an der Diskriminierung anderer Religionen auf den Malediven nichts geändert hatte. Nach dem Putsch wird sich daran mit Sicherheit auch weiterhin nichts ändern. Für die Demokratie im Inselstaat ist die Entwicklung der letzten Tage jedoch ein herber Rückschlag. Mit Herrn Rasheed in seiner Funktion als Präsident der Republik Malediven verliert außerdem auch die weltweite Bewegung im Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe einen ihrer stärksten Vorkämpfer. Manchmal ist eben doch nicht alles einfach schwarz oder weiß.


Eine kurze Geschichte der Demokratie

Herr Nasheed war der erste demokratisch gewählte Präsident in der Geschichte des im Pazifik gelegenen Inselstaats der bis 1963 unter britischem Protektorat stand. Seit 1942 hatte Großbritanien mehrere Militärflugplätze auf den Inseln angelegt. 1956 gewährten die Briten den Malediven die innere Autonomie. Nachdem Großbritannien die Inseln im Jahre 1963 aufgegeben hatte, behielt es jedoch weiterhin das Nutzungsrecht an den Militärflugplätzen. 1965 wurden die Malediven unabhängig, aber erst nachdem die Nutzungszeit der Militärflugplätze abgelaufen war verließen die Briten das Land im Jahre 1976 endgültig.

Dem Eintrag "Malediven" bei Wikipedia zufolge waren die Bewohner der Malediven im Jahre 1153 von einem arabischen Reisenden zum Islam bekehrt und seitdem von Sultanen und Sultaninnen regiert worden. Sultan Mohammed Shamsudeen III gab dem Inselstaat im Jahre 1932 seine erste Verfassung. 1953 wurde auf den Inseln die Republik ausgerufen und ein Verwandter des Sultans übernahm das Präsidentenamt.

Aber bereits ein Jahr darauf kam es infolge einer Volksabstimmung zur Wiedereinführung des Sultanats. Mit der Verfassungsänderung von 1968 und der erneuten Umwandlung des Sultanats in eine Republik endete die über 250 Jahre währende Herrschaft der Sultane aus der Dynastie der Didi. 1982 traten die Malediven dem Commonwealth of Nations bei.

Im Juni 2005 stimmten die Abgeordneten einstimmig für einen Antrag, der die Etablierung eines Mehrparteiensystems zum Inhalt hatte. In der Folge duldete Herr Gayoom neben seiner eigenen Partei DRP vier weitere Parteien. Insbesondere die Mitglieder der "Maldivian Democratic Party" (MDP), allen voran Herr Nasheed (MDP, damals Geschäftsführer) sahen sich zum Teil erheblichen Repressionen und Einschränkungen im Zusammenhang mit ihrer politischen Arbeit ausgesetzt.

Im Oktober 2008 fanden die ersten demokratischen Wahlen auf den Malediven statt. Wahlsieger war die MDP und Herr Rascheed wurde der neue Präsident der Malediven. Mit dem Putsch gegen die Regierung unter der Präsidentschaft Herrn Nasheeds vom 07. Februar 2012 findet die kurze Geschichte der Demokratie auf den Malediven - zumindest vorerst - ein jähes Ende.


Gegen die Folgen des Klimawandels

Nachdem er vier Monate im Amt war, hatte Herr Nasheed im März 2009 verkündet, die Regierung der Malediven arbeite an Plänen, um die Malediven innerhalb eines Jahrzehnts zum ersten CO2-neutralen Land der Welt zu machen. Bereits 1989 hatte in der Hauptstadt Malé schon eine internationale Konferenz stattgefunden, mit der die Bedrohung der abgelegenen Inseln im Pazifik durch den infolge der Klimaveränderung steigenden Meeresspiegel in das Licht der Weltöffentlichkeit gerückt werden sollte. Internationales Aufsehen erregte allerdings erst eine Sitzung des Parlaments, die im Vorfeld der Klimakonferenz in Kopenhagen von 2009 demonstrativ auf den Meeresboden vor einer der Inseln verlegt worden war.

Auch das internationale Netzwerk im Kampf gegen den Klimawandel "350.org" ist vom Putsch auf den Malediven betroffen, denn Herr Nasheed ist einer seiner prominentesten Botschafter. 350.org hat deshalb eine internationale Petition verfasst, mit der die Sicherheit Herrn Nasheeds und eine friedliche Lösung des Konflikts gefordert wird. Wer sich der Petition anschließen möchte, kann diese auf der Internetseite des Netzwerks online unterzeichnen. Die an die Regierungen der Unterzeichner gerichtete, in Englisch verfasste Petition lautet:
"We are deeply concerned about the recent coup that forced Maldives President Mohamed Nasheed from office. President Nasheed was the first democratically elected leader of his country and a global voice for action to address the climate crisis. He needs your support to ensure his safety.

Please put diplomatic pressure on the leaders of this coup to avoid violence and to work for a peaceful, democratic solution to their conflict.

Signed,
(your name)"


Für diejenigen, deren Schulenglisch vielleicht nicht ganz ausreichen sollte, habe ich den Text übersetzt:
'Wir sind tief besorgt über den gerade erfolgten Staatsstreich, mit dem der Präsident der Malediven, Mohamed Nasheed, aus dem Amt gedrängt wurde. Präsident Nasheed war der erste demokratisch gewählte Führer seines Landes und seine Hinweise auf die Folgen des Klimawandels fanden international Gehör. Um seine Sicherheit sicherzustellen, braucht er Ihre Unterstützung.

Üben Sie bitte diplomatischen Druck auf die Führer des Staatsstreichs aus, damit diese auf Gewalt verzichten und an einer friedlichen, demokratischen Lösung des Konflikts arbeiten.

Unterzeichnet,
(Ihr Name)'


Die "magische" 350

Für alle, die mit der Zahl 350 im Namen des internationalen Klima-Netzweks "350.org" nichts anfangen können, versuche ich einmal kurz zu erklären, was es damit auf sich hat.

Wenn ich bisher über den Punkt geschrieben habe, ab dem der globale Temperaturanstieg infolge des Klimawandels außer Kontrolle geraten wird, dann habe ich mich immer auf die im IPCC-Klimareport von 2007 genannte "maximal plus 2 Grad"-Marke bezogen. Wie die Regierungen der meisten Staaten, so haben sich auch die Europäische Union und die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, ihren Teil dazu beizutragen, der einen darüber hinausgehenden Temperaturanstieg verhindern soll. (Das die Bundesregierung dieses Ziel gelegentlich zugunsten wirtschaftlicher interessen diverser Lobbys aus dem Blick verliert, steht wieder auf einem anderen Blatt!)

350 ppm (ppm: Parts Per Million = Teile pro Million) ist nach Ansicht vieler Wissenschaftler die gerade noch sichere Obergrenze für die CO2-Konzentration in der Atmosphäre. 350 ppm CO2 bedeutet, dass von einer Million Moleküle verschiedener Gase in der Atmosphäre 350 der Moleküle CO2 sind. Die bereits festzustellenden Auswirkungen des Klimawandels lassen darauf schließen, dass wir uns, mit zurzeit 391.57 ppm CO2 in der Atmosphäre (Quelle: CO2now.org) bereits oberhalb des noch sicheren Levels befinden. Sollte es der Menschheit nicht schnell gelingen auf eine geringere Konzentration als 350 ppm CO2 zurückkehren, könnten die Folgen des Klimawandels unumkehrbar werden.

Während der gesamten Menschheitsgeschichte, bis vor ungefähr 200 Jahren, betrug die globale CO2-Konzentration im Durchschnitt 275 ppm. Diese Konzentration ist notwendig, denn ohne CO2 und weitere Gase, die dafür sorgen, dass die Wärmestrahlung zur Erdoberfläche zurückreflektiert wird, wäre es so kalt, dass Leben auf unserem Planeten nicht möglich wäre. Wer mehr darüber erfahren möchte, der kann auf der Seite von 350.org weiterlesen ...

Auch wenn die hemmungslose Ausbeutung und Verbrennung fossiler Energieträger wohl die maßgebliche Ursache für den übermäßigen Anstieg der globalen mittleren Temperatur ist, halte ich die ausschließliche Betrachtung der CO2-Konzentration für nicht ausreichend. Nach Ansicht von Wissenschaftlern ist zum Beispiel der Effekt, den Methan auf den Anstieg der globalen mittleren Temperatur hat, mit demjenigen von CO2 mindestens gleichzusetzen. Sollte die globale Erwärmung zum großflächigen Auftauen der Permafrostböden in den Tundren rund um den Polarkreis und in Sibirien führen, dann würden sich diese Gebiete in gigantische Sumpfgebiete verwandeln aus denen dann - zusätzlich zum CO2 - soviel Methan emittiert werden würde, dass sich die Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs auf unserem Planeten vervielfachen würde und die schlimmsten zu befürchtenden Folgen des Klimawandels nicht mehr aufzuhalten wären. Derartige Überschreitungen von Grenzen, die weitere verheerende Prozesse in Gang setzen, werden auch als Kipppunkte bezeichnet. Neben dem Einsetzen des Auftauens der Permafrostböden unseres Planeten gibt es noch einige weitere solcher Kipppunkte.

Mehr darüber gibt es auf der Internetseite der östereichischen Umweltorganisation "Gobal 2000", sowie in den Artikeln "Kippelemente im Klimasystem der Erde" und "Kipppunkte im Klimawandel werden absehbar" auf den Internetseiten des "Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung" (PIK) zu lesen.

Und noch eins sollte man immer im Auge behalten, je länger die notwendigen Maßnahmen gegen die drohende Klimakatasrophe noch hinausgezögert werden, desto schmerzhafter werden sie uns treffen. Die Abbildung 2 im Abschnitt "Die einfache "bottom line" des Artikels "Wie viel CO2 ist zu viel?" auf den Internetseiten der KlimaLounge verdeutlicht das recht anschaulich.

"People around the world must unite and pressure their leaders to reduce carbon dioxide levels to 350 ppm. Dramatic climate change action is possible. The Maldives will play its part by becoming the world's first carbon neutral nation within 10 years."

Mohamed Nasheed

  • 'Die Menschen überall auf der Welt müssen sich vereinigen und ihre Regierungen dazu auffordern, die die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf 350 ppm zu vermindern. Drastische Maßnahmen gegen den Klimawandel sind möglich. Die Malediven werden ihren Teil dazu beitragen, indem sie innerhalb von 10 Jahren die erste CO2-neutrale Nation der Welt sein werden.'

    Mohamed Nasheed


(Quellen: 350.org, Greenpeace Magazin vom 09.02.2012, Neue Züricher Zeitung vom 09.02.2012 und vom 07.02.2011, TAZ vom 08.02.2012, Berliner Tagesspiegel vom 08.02.2012, New York Times vom 08.02.2012 - "The Island President Deposed" [englisch] und "The Dregs of Dictatorship" by Mohamed Nasheed [ebenfalls englisch], Focus vom 08.02.2012 und vom 07.02.2012, TAZ vom 19.10.2009 und vom 04.09.2009, KlimaLounge vom 10.07.2009 und vom 29.04.2009, Global 2000, PIK, Wikipedia)

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