Donnerstag, 28. Oktober 2010

Größtes Artensterben seit dem Ende der Dinosaurier

Morgen geht in Nagoya (Japan) die Artenschutzkonferenz der UNO zu Ende. Das Ziel: Weltweit sollen bis 2020 zwanzig Prozent der Oberfläche unseres Planeten als Schutzgebiete ausgewiesen werden. Außerdem sollen Maßnahmen zur Bekämpfung der Biopiraterie verabredet werden. Dabei geht es um nichts weniger, als die Eindämmung des Artensterbens, das immer besorgniserregendere Ausmaße annimmt.

Korallenriffe oder Blauwale stehen ganz oben auf der langen Liste gefährdeter Arten. Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten konzentrieren sich auf einige wenige Ökosysteme, wie zum Beispiel die tropischen Regenwälder, die vielfach ihrerseits durch fortgesetzte Rodungen ungeheueren Ausmaßes akkut bedroht sind. Da wird nicht eine Art durch durch die Jagd ausgelöscht, sondern durch den Verlust ihres Lebensraums werden unzählige Arten zum Aussterben verurteilt.


Unsere Gleichgültigkeit bedroht unsere eigene Existenz

Dass dieses Jahr zum internationalen "Jahr der Artenvielfalt" erklärt wurde, erscheint mir so langsam wie ein schlechter Scherz. Angestrebt war einmal eine bemerkenswerte Verringerung des Artensterbens bis 2010. Statt dessen werden nach wie vor die Interessen der und der Profit multinationaler Konzerne vor den Schutz der Artenvielfalt gestellt. Weltweit wurde die Zerstörung von Lebensräumen hemmungslos fortgesetzt. Dabei wird unsere Welt immer ärmer: Pflanzen, Tiere, Wälder, Meere, unsere Böden, unsere Luft zum Atmen ... - alles um uns herum wird auf dem Altar der Gewinnmaximierung dem Prinzip "Wachstum" geopfert.

Es wird vermutet, dass es zwischen 10 und 100 Millionen Arten auf der Erde geben könnte. Experten, die sich mit der Matierie beschäftigen, gehen nach Angaben des BMU von ca. 15 Millionen Arten aus. Bekannt und wissenschaftlich beschrieben seien bislang etwa 1,8 Millionen Arten, von denen mehr als die Hälfte Insekten sind. Die Anzahl der bekannten Insektenarten sei wiederum fast dreimal so groß wie die der Pflanzenarten insgesamt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass vielleicht gerade einmal 12 Prozent aller Tier und Pflanzenarten bekannt sind, während 88 Prozent aller Arten möglicherweise den Menschen zum Opfer gefallen sind werden, ohne dass jemand sie je zu Gesicht bekommen hätte. Darunter könnten Pflanzen sein, mit denen sich Krankheiten besiegen ließen, oder Tiere, deren Eigenarten die Idee für völlig neue Technologien liefern könnten.

Weltweit gelten mehr als 25 Prozent der heute bekannten, noch lebenden Arten als vom Aussterben bedroht, also ungefähr 45000 Arten mit einer vielfach größeren Anzahl an Individuen. Ich kann es nicht mehr hören, wenn einige meiner Mitmenschen, die das alles nicht mehr hören wollen, achselnzuckenderweise meinen, es schere sie doch nicht, ob es eine Insektenart mehr oder weniger auf der Welt gebe oder ob eine seltene Vogelart mehr oder weniger der Ansiedlung eines Chemieunternehmens geopfert wird.

Das Pech der Käfer oder seltenen Vögel: Ihnen fehlt das nötige Kapital und sie sind unglücklicherweise nicht in der Lage, Arbeitsplätze zu schaffen. Das gibt aber keinem Lebewesen das Recht, ihnen und ihren Artgenossen das Existenzrecht abzusprechen. Viele Leute übersehen infolge ihrer Gleichgültigkeit, dass ohne konsequente Schutzmaßnahmen der Kollaps kompletter Ökosysteme droht. Und dann wird es in der Folge irgendwann auch für uns Menschen ans Eingemachte gehen.

Die drastische Reduzierung der Fischbestände, der Verlust landwirtschaftlich nutzbarer Flächen, schwindende Trinkwasser Reservoirs (z.B. Gletscher infolge der Klimakatastrophe!) oder das Aussterben unzähliger Arten von Nahrungspflanzen zugunsten einiger weniger genmanipulierter Sorten etc. sind ernst zu nehmende Bedrohungen für die gesamte Menschheit.


Es droht ein weiteres Desaster

Bisher haben die Delegationen aus 193 Staaten in wichtigen Punkten jedoch noch keine Einigung erzielen können. Die Kluft verlaufe vor allem zwischen den Industriestaaten und den Entwicklungsländern schrieb die "Neue Züricher Zeitung" in ihrer Online-Ausgabe von gestern.

Ein zentrales Thema der Verhandlungen sei das ABS-Protokoll (ABS = Access and Benefit Sharing), das den Zugang zu biologischen Wirkstoffen regeln und den Gewinn daraus regeln solle.

Dabei gehe es unter anderem auch um die Eindämmung der Biopiraterie zugunsten einer fairen Aufteilung von Ergebnissen und Gewinnen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, wenn die Pflanzen, die in Entwicklungsländern wachsen, in Industrieländern für gewinnbringende Medikamente genutzt werden.

Zur Zeit hat es den Anschein, als drohe der Artenschutzkonferenz in Nagoya das gleiche Schicksal wie der Weltklimakonferenz 2009 in Kopenhagen. Und ebenso, wie bei der kontraproduktiven Einflussnahme weltweit vernetzter Lobbys und dem Versagen der Politiker bezüglich der Verhinderung der schlimmsten zu erwartenden Auswirkungen der Klimakatastrophe, geht es auch beim Artenschutz und der Erhaltung der Vielfalt des Lebens auf unserem Planeten ums Ganze.


Eine dringende Petition

Um die Delegierten, sozusagen in letzter Sekunde, doch noch zum Abschluss konkreter Maßnahmen für einem ehrgeizigen Schutzplan zu drängen, hat das internationale demokratische Netzwerk AVAAZ eine Petition verfasst. Diese soll ihnen bewusst machen, daß die Augen der Welt auf sie gerichtet sind.

Eine möglichst große Anzahl Unterzeichner aus allen Teilen Welt könnte letztlich den Ausschlag für den Abschluss bindender Verträge geben. Die verbleibende Zeit bis zum morgigen Ende der UNO-Artenschutzkonferenz in Nagoya ist kurz. Der Text der Petition lautet:

An alle Teilnehmer UN-Artenschutzkonferenz:

Ein Drittel der Arten der Erde sind vom Aussterben bedroht. Wir rufen Sie eindringlich auf, 20% der Erdoberfläche - Meere wie Land - bis 2020 als Schutzgebiet auszuweisen, zu finanzieren und sicherzustellen. Nur ehrgeizige Sofortmaßnahmen können den Schutz der reichen Vielfalt des Lebens auf der Erde ermöglichen.


  • Die Petition kann jeder online
    auf der Internetseite von AVAAZ
    unterzeichnen.


(Quellen: Wendland Net vom 04.06.2008, Süddeutsche Zeitung vom 18.10.2010, Deutsche Welle vom 18.10.2010, Die Zeit vom 27.10.2010, NZZ vom 27.10.2010, BMU)

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