Montag, 8. Februar 2010

Schnee und Grünkohl


Probsteierhagen (Schleswig-Holstein) im Januar 2003
  • 28. November:
    Es hat angefangen zu schneien. Der erste Schnee in diesem Jahr. Meine Frau und ich haben unsere Cocktails genommen und stundenlang am Fenster gesessen und zugesehen wie riesige, weiße Flocken vom Himmel herunter schweben. Es sah aus wie im Märchen. So romantisch - wir fühlten uns wie frisch verheiratet. Ich liebe Schnee.
  • 29. November:
    Als wir wach wurden, hatte eine wunderschöne Decke aus weißem Schnee die Landschaft zugedeckt. Was für ein phantastischer Anblick! Kann es einen schöneren Platz auf der Welt geben? Hierher zu ziehen war die beste Idee, die ich je in meinem Leben hatte. Habe zum ersten Mal seit Jahren wieder Schnee geschaufelt und fühlte mich wieder wie ein kleiner Junge. Habe die Einfahrt und den Bürgersteig freigeschaufelt. Heute Nachmittag kam der Schneepflug vorbei und hat den Bürgersteig und die Einfahrt wieder zugeschoben, also holte ich die Schaufel wieder raus. Was für ein tolles Leben!
  • 11. Dezember:
    Die Sonne hat unseren ganzen schönen Schnee geschmolzen. Was für eine Enttäuschung. Mein Nachbar sagt, ich solle mir keine Sorgen machen. Wir werden auf jeden Fall eine weiße Weihnacht haben. Kein Schnee zu Weihnachten wäre schrecklich! Bobby sagt, daß wir bis zum Jahresende so viel Schnee haben werden, daß ich nie wieder Schnee sehen will. Ich glaube nicht, daß das möglich ist. Bobby ist sehr nett - ich bin froh, daß er unser Nachbar ist.
  • 14. Dezember:
    Schnee, wundervoller Schnee! 30 cm letzte Nacht. Die Temperatur ist auf -20 Grad gesunken. Die Kälte läßt alles glitzern. Der Wind nahm mir den Atem, aber ich habe mich beim Schaufeln aufgewärmt. Das ist das Leben! Der Schneepflug kam heute nachmittag zurück und hat wieder alles zugeschoben. Mir war nicht klar, daß ich soviel würde schaufeln müssen, aber so komme ich wieder in Form. Wünschte ich würde nicht so Pusten und Schnaufen.
  • 15. Dezember:
    60 cm Vorhersage. Habe meinen Kombi verscheuert und einen Jeep gekauft. Und Winterreifen für das Auto meiner Frau und zwei Extra-Schaufeln. Habe den Kühlschrank aufgefüllt. Meine Frau will einen Holzofen, falls der Strom ausfällt. Das ist lächerlich - schließlich sind wir nicht in Alaska.
  • 16. Dezember:
    Eissturm heute Morgen. Bin in der Einfahrt auf den Hintern gefallen, als ich Salz streuen wollte. Tut höllisch weh. Meine Frau hat eine Stunde gelacht. Das finde ich ziemlich grausam.
  • 17. Dezember:
    Die Temperatur ist immer noch weit unter Null. Alle Straßen sind total vereist und spiegelglatt. Es ist unmöglich, irgendwohin zu kommen. Der Strom war 6 Stunden lang ausgefallen. Ich mußte mich in Wolldecken einwickeln, damit ich nicht erfror. Ohne Strom funktionerte nicht einmal das Fernsehgerät. Es gab nichts zu tun als meine Frau anzustarren und zu versuchen, sie zu irritieren. Ich glaube, wir hätten einen Holzofen kaufen sollen, würde das aber nie zugeben. Ich hasse es, wenn sie recht hat! Ich hasse es, in meinen eigenen Wohnzimmer zu erfrieren!
  • 20. Dezember:
    Der Strom ist wieder da, aber noch mal 40 cm von dem verdammten Zeug letzte Nacht! Noch mehr schaufeln. Hat den ganzen Tag gedauert. Der idiotische Schneepflug kam zweimal vorbei. Habe versucht eines der Nachbarskinder zum Schaufeln zu überreden. Aber die sagen, sie hätten keine Zeit, weil sie Eishockey spielen müssen. Ich glaube, die lügen. Wollte eine Schneefräse im Baumarkt kaufen. Die hatten keine mehr. Kriegen erst im März wieder welche rein. Ich glaube, daß die lügen. Bobby sagt, daß ich schaufeln muß oder die Stadt macht es und schickt mir die Rechnung. Ich glaube, daß er lügt.
  • 22. Dezember:
    Bobby hatte recht mit weißer Weihnacht, weil heute Nacht noch mal 30 cm von dem weißen Zeug gefallen ist und es ist so kalt, daß es bis August nicht schmelzen wird. Es hat 45 Minuten gedauert, bis ich fertig angezogen war zum Schaufeln und dann mußte ich zum Klo. Als ich mich schließlich ausgezogen hatte, zum Klo war und mich wieder angezogen hatte, war ich zu müde zum Schaufeln. Habe versucht für den Rest des Winters Bobby anzuheuern, der eine Schneefräse an seinem Lastwagen hat, aber er sagt, er hat zu viel zu tun. Ich glaube, der Blödmann lügt.
  • 23. Dezember:
    Nur 10 cm Schnee heute. Und es hat sich auf 0 Grad erwärmt. Meine Frau verlangt von mir, ich dass ich heute das Haus dekoriere. Ist die bescheuert? Ich habe keine Zeit - ich muß SCHAUFELN!!! Warum hat sie es mir nicht schon vor einem Monat gesagt? Da hätte ich noch Zeit gehabt. Sie sagt, Sie hat, aber ich glaube, die lügt.
  • 24. Dezember:
    20 Zentimeter. Der Schnee ist vom Schneepflug so fest zusammengeschoben, daß ich die Schaufel abgebrochen habe. Dachte ich kriege einen Herzanfall. Falls ich jemals den Blödmann in die Finger kriege, der den Schneepflug fährt, dann ziehe ich ihn an seinen Haaren durch den Schnee. Ich weiß genau, dass er sich hinter der Ecke versteckt und wartet bis ich mit dem Schaufeln fertig bin. Und dann kommt er mit 150 km/h die Straße runtergerast und wirft tonnenweise Schnee auf die Stelle, die ich gerade frei geschippt habe. Heute Nacht wollte meine Frau mit mir Weihnachtslieder singen und Geschenke auspacken, aber ich hatte keine Zeit, da ich nach dem Schneepflug Ausschau halten musste.
  • 25. Dezember:
    Frohe Weihnachten. Heute liegen noch 60 Zentimeter mehr von dem weißen Müll in der Landschaft! Eingeschneit und von der Außenwelt abgeschnitten. Der Gedanke an Schneeschaufeln läßt mein Blut kochen. Gott, ich hasse Schnee! Dann kam der Schneepflugfahrer vorbei und hat nach einer Spende gefragt. Ich hab ihm meine Schaufel über den Kopf gezogen. Meine Frau mein, ich hätte schlechte Manieren habe. Ich bin da völlig anderer Ansicht. Ich glaube, daß sie eine Idiotin ist. Wenn ich mir noch einmal Hank Snow anhören muß, werde ich sie umbringen.
  • 26. Dezember:
    Wir sind immer noch eingeschneit. Warum um alles in der Welt sind wir hierher gezogen? Es war alles IHRE Idee. Sie geht mir echt auf den Keks.
  • 27. Dezember:
    Die Temperatur ist auf -30 Grad gefallen und die Wasserrohre sind eingefroren.
  • 28. Dezember:
    Es hat sich auf -5 Grad erwärmt. Immer noch eingeschneit. DIE ALTE MACHT MICH VERRÜCKT !!!
  • 29. Dezember:
    Noch mal 30 Zentimeter. Bobby sagt, daß ich das Dach freischaufeln muß, oder es wird einstürzen. Das ist das Dämlichste was ich je gehört habe. Für wie blöd hält der mich eigentlich?
  • 30. Dezember:
    Das Dach ist eingestürzt. Der Schneepflugfahrer verklagt mich auf 50.000 Dollar Schmerzensgeld. Meine Frau ist zu ihrer Mutter gefahren. 25 Zentimeter Neuschnee sind vorhergesagt.
  • 31. Dezember:
    Habe den Rest vom Haus angesteckt. Nie mehr Schaufeln.
  • 7. Januar:
    Mir geht es gut. Ich mag die kleinen Pillen, die sie mir andauernd geben. Äh: Warum bin ich eigentlich an's Bett gefesselt?

Diese nette Geschichte hatte vor vielen Jahren einmal jemand auf einer Weihnachtsfeier erzählt, und ich hatte sie mir damals abgeschrieben. Wenn man sich zur Zeit so umhört, dann entspricht sie ziemlich genau der allgemeinen Stimmungslage in Sachen Winter, Schnee und allem was damit zusammenhängt. Als mir die Geschichte am Wochenende durch Zufall wieder einmal in die Finger fiel, und ich wieder über den armen Kerl schmunzeln musste, war das - neben der Grünkohlwanderung - definitiv der schönste Moment in Sachen "Winter" seit Tagen.


Kohl und Pinkel
Grünkohl & Pinkel

Das zweite schöne Erlebnis war die Grünkohlwanderung mit der ESG-Lehe und dem Bürgerverein Lehe. Wer mit dem Begriff "Grünkohlwanderung" nichts anfangen kann, den kommt mit Sicherheit nicht aus unserer Gegend, kann sich aber hier gerne darüber informieren.

Im Gegensatz zu früheren Erfahrungen wurde niemand zum Alkoholkonsum gedrängt. Anstelle der sonst üblichen Spielchen gab es auf dem Weg durch das Gründerzeitviertel sehr interessante Geschichten im Zusammenhang mit einigen der zum Teil weit über 100 Jahre alten Häuser. Ich glaube nicht, dass irgendjemand die oft eher schon nervigen als "lustigen" Spielchen vermisst hat. Unterwegs fing es natürlich an, dicke Flocken zu schneien: War ja schon klar, dass ich am Freitag zu früh gejubelt hatte. Aber trotz streckenweise spiegelglatter Wege kam niemand zu Schaden und das Essen war ausgeprochen lecker und reichhaltig.

Wer angesichts der oben erwähnten augenblicklichen allgemeinen Stimmungslage auf der Suche nach schönen Momenten im Winter ist, der wird bestimmt bei Katinka auf den Seiten ihres Projekts "Schöne Momente im Herbst und Winter" fündig.

1 Kommentar:

Elfe hat gesagt…

Guten Abend Juwi

Mmmm da bekomme ich gleich Appetit, sieht lecker aus. Vom Schneeschaufeln bin ich glücklicherweise verschont, seit zwei Tagen ist die weisse Pracht hier auch wieder zurückgekehrt -:(
Liebe Grüsse
Elfe

Kommentar veröffentlichen



Eigene Meinungen, konstruktive Kritik, Anregungen etc. sind jederzeit willkommen.

Nettikette
Bitte achtet auf den »guten« Ton.
Beschimpfungen und ähnliches werden im Papierkorb veröffentlicht.


Anonyme Kommentare:
Wenn ihr "Anonym" bei "Kommentar schreiben als" auswählt, dann lasst mich und die anderen Leser bitte wissen, wer ihr seid.

Um faire Diskussionen zu gewährleisten, werde ich Kommentare ohne "Identität" in Form einer E-Mail-Adresse, einem Namen oder zumindest einem Nicknamen nicht veröffentlichen!

Zum Schutz vor Spammern müssen die Kommentare erst von mir freigeschaltet werden. Ich bitte dafür um euer Verständnis.