Sonntag, 1. Februar 2009

Huldigung der norddeutschen Speisepalme

Mit Beginn des Januars bis etwa Anfang März begegnen einem in unserer Gegend gelegtlich Gruppen von Fußgängern, die in der Regel deutlich als Mitglieder einer Kohl- & Pinkel Wandergruppe erkennbar sind. Untrügliche Anzeichen dafür sind kleine Trinkgefäße, die sie an einer Kette um den Hals tragen, und dass sie gelegentlich innehalten um mit großer Begeisterung Spielen zu fröhnen, die ungefähr dem gleichen Niveau entsprechen, wie jene Wettbewerbe die dem einen oder anderen vielleicht noch von seinen Kindergeburtstagen in Erinnerung geblieben sind. Gelegentlich führen die Wanderer auch einen sogenannten "Bollerwagen" mit sich, einen vierrädrigen Handwagen mit Deichsel und Lenkachse, auf dessen Ladefläche reichlich Wegproviant verstaut ist, und der oft mit den Blättern des Grünkohls dekoriert ist.


Originelle Tischdekoration: Rose mit Grünkohlblättern

Alle diese Wandergruppen haben eines gemeinsam: Sie huldigen mit ihrem Tun der norddeutschen Speisepalme, auch Grünkohl genannt (Brassica oleracea convar. acephala var. sabellica L.), indem sie am Ziel ihrer Wanderung in einer Lokalität reichlich davon verzehren. Dazu werden Salz- oder Bratkartoffeln, sowie Unmengen von Kassler, Bauchspeck, Kochwurst und Pinkel als Beilage serviert. Die oben genannten kleinen Trinkgefäße führen sie bei sich, um daraus den wohlverdienten Lohn für die erfolgreiche Absolvierung der ebenfalls oben genannten Spiele zu sich zu nehmen. Den nicht ganz so erfolgreichen Spielern wird in der Regel ein Trostschluck genehmigt.


Grünkohl und Pinkel mit Bratkartoffeln

Da es den Uneingeweihten unter euch möglicherweise vielleicht zumindest merkwürdig vorkommen könnte, wie jemand auf die Idee kommen könnte etwas zu essen, das "Pinkel" genannt wird, werde ich das am besten kurz erklären. Pinkel (plattdeutsch: Mastdarm) ist eine Grützwurst im Naturdarm, deren Inhalt vor dem Verzehr aus seiner Umhüllung enfernt wird. Es gibt zwei Sorten. Das eine ist die Oldenburger Fleischpinkel und das andere die Bremer Pinkel. Die Bremer Pinkel enthält einen hohen Anteil von Speckwürfeln, was sie erheblich fettiger macht, als die Oldenburger Pinkel. Ich persönlich bevorzuge daher die Oldenburger Pinkel. Im Rahmen einer Kohl- & Pinkel Wanderung kann man sich das allerdings nicht aussuchen. da muss man schon die Pinkel nehmen, die auf den Tisch kommt.

Aufgrund der sehr fetthaltigen Beilagen gibt es nach dem Essen einen klaren Korn, dem die wundersame Fähigkeit zugesprochen wird, der besseren Verdauung der reichhaltigen Kohl- & Pinkelmahlzeit förderlich zu sein.


Urkunde zur Krönung Seiner Majestät, dem Kohlkönig

Von der- und demjenigen, die und der am längsten mit dem Essen beschäftigt waren, wird im allgemeinen angenommen, sie und er seien diejenigen die am üppigsten unter allen Mitstreitern der norddeutschen Speisepalme gehuldigt hätten. Aufgrund ihrer überragenden, von allen anderen anerkannten Leistung, werden sie zum Abschluss des offiziellen Teils der Veranstaltung zur Kohlkönigin und zum Kohlkönig ernannt, und erhalten mit diesem Titel die ehrenvolle Aufgabe, die Organisation der Kohl- & Pinkel Wanderung der nächsten Saison zu übernehmen.

Gestern war ich zusammen mit unserer Singgemeinschaft "Querbeet" unterwegs um der norddeutschen Speisepalme zu huldigen. Es war wieder einmal sehr lustig und sehr lecker. Allerdings beschränke ich mich bei den Beilagen, je nach Fettgehalt, auf eine oder zwei Pinkel.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hola Juwi,
Pinkel ist im Revier nicht ganz so bekannt. Ich habe bekannte, die lassen sich den dann aus Bremen kommen. Schweinebauchm Kassler und Mettwurst sind bei uns die klassischen Beilagen.
Grünkohl gibt es bei uns auch als etwas suppigen Eintopf, auch sehr lecker.
Ich hoffe, ihr habt alles Dank dem Korn gut wegstecken können. Es ist halt einfach ein schönes, leckeres Wintergericht.
Einen schönen sonntag noch
Lucki

Anonym hat gesagt…

Hallo Juwi

Das ist ein unterhaltsamer und erst noch leckerer Brauch, den Ihr da pflegt. Von den Pinkeln bin ich nicht so angetan, doch von den Bratkartoffeln und dem Grünkohl tät ich gerne kosten. Und sogar eine Königin oder ein König wird da ausgerufen! Die hübsche Tischdekoration ist für die Kohlkönigin ein ganz passender Schmuck.

Eine schöne Woche wünsche ich Dir
Liebe Grüsse
Elfe

Anonym hat gesagt…

Igitt Grünkohl... *schüttel* Aber die Tischdeko mit der Rose ist schön! :)

juwi hat gesagt…

elfe, Steffi: Wenn die Pinkel so ausgepult auf dem Teller liegt, sieht das für diejenigen, die sie nicht kennen, sicher mindestens ebenso schlimm aus, wie sie es beim Namen möglicherweise schon vermutet haben. Dass jemand die ganzen fettigen Fleischbeilagen nicht essen mag, kann ich auch gut nachvollziehen, aber Grünkohl ist schon lecker und im Gegensatz zu vielem anderen, das es heutzutage ganzjährig aus Spaniens Plastikmeer (Almeria) oder Hollands Turbo-Gewächshäusern zu kaufen gibt, noch ein echtes einheimisches Saison Gemüse. Die Geschmäcker sind eben verschieden. Es gibt auch bei uns immer wieder Leute, die keinen Grünkohl mögen. Für die wird bei einer Grünkohl Tour ein "Ausweichessen" bestellt.

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