Mittwoch, 24. Februar 2010

Zweierlei Maß

Wenn ein Herr Meier mit 1,5 Promille Alkohol im Blut Auto fährt, und dabei erwischt wird, dann muss er einige Monate zu Fuß gehen und eine saftige Geldstrafe zahlen. Wenn er nicht gerade beruflich auf seinen Führerschein angewiesen ist, dann ist der Fall für ihn damit erledigt.

Wenn ein bekannter Sportler oder Musiker mit zuviel Alkohol im Blut am Steuer seines Autos erwischt wird, dann trifft ihn die gleiche Strafe wie Herrn Meier und sein Fehlverhalten wird außerdem einige Tage lang in der Tratschpresse breitgetreten. Die wenigsten Leser werden sich wohl kaum darüber aufregen. Die meisten unter ihnen werden bestenfalls hämisch grinsed kommentieren: "Hä, hä, hä. Da haben sie ja mal den Richtigen erwischt!"

Wenn ein Ministerpräsident öffentlich die Meinung vertritt, nachdem man zwei Maß Oktoberfestbier ausgetrunken habe, sei man durchaus noch fahrtüchtig, dann taugt das ebenfalls bestenfalls vorübergehend als Füllstoff für die Zeitungsblätter.

Wenn aber eine hochrangige Vertreterin der evangelischen Kirche mit 1,54 Promille am Steuer erwischt wird nachdem sie einer Polizeistrafe dadurch aufgefallen war, dass sie gerade eine rote Ampel ignoriert hatte, dann droht augenblicklich der Himmel auf die Erde zu stürzen? Ich denke hier wird mit zweierlei Maß gemessen und diejenigen, die zur Zeit am lautesten lamentieren, sind die Schein-"Heiligen" unter uns.

Dass sie mit ihrem Verhalten einen großen Fehler begangen hat, hat Frau Käßmann bereits kundgetan, und sie kann von Herzen froh darüber sein, dass nichts schlimmeres passiert ist. Sie wird ebenso wie jeder andere ihre Strafe erhalten. So wie es den Anschein hat, hat macht sie zur Zeit wohl ihrem "inneren Schweinehund" schwerere Vorwürfe, als es einer anderen Person überhaupt möglich wäre. Wenn sie für ihr eigenes Fehlverhalten die gleichen Maßstäbe anlegt, wie für das Verhalten anderer Menschen, dann ist Frau Käßmann bereits schwerer gestraft, als Herr Meier oder irgendein sonstiger "Promi" es je waren. Dass ihr Fehler jetzt in der Presse breiter getreten wird, als es sonst üblich ist, liegt wohl vor allem daran, dass sie die erste hochrangige Kirchenvertreterin ist, die mit Alkohol am Steuer erwischt wurde.

Ich selbst habe für mich schon die Null Promille Grenze festgelegt, als bundesweit noch niemand an der 0,8 Promille Grenze rütteln mochte. Wenn es etwas zu feiern gibt, und ich noch Auto fahren muss, dann müssen die anderen Anwesenden akzeptieren, dass ich mit alkoholfreien Getränken anstoße. Trotzdem fände ich es schade, wenn Frau Käßmann jetzt zurücktreten würde. Für die evangelische Kirche wäre das jedenfalls ein großer Verlust.

Immer wenn es darum geht, Andersgläubige in unsere Gesellschaft zu integrieren, dann wird gerne Wert darauf gelegt, dass wir in einer christlichen Gesellschaft leben. Wenn wir jedoch nicht einmal dazu in der Lage sind, einer Christin unter uns einen Fehler zu verzeihen, den sie öffentlich eingeräumt hat, und sie so anzunehmen, wie sie ist, dann muss ich mich ernsthaft fragen, welchen Stellenwert die christlichen Werte in unserer Gesellschaft überhaupt noch haben.


(Quellen: Focus vom 22.04.2008, Stern vom 16.09.2008, Welt 19.01.2009)

4 Kommentare:

podruga hat gesagt…

Hallo juwi, ich sehe das ähnlich und habe ihren Kommentar bei April gelesen. auch ich bedaure käßmanns Rücktritt sehr und ich finde es traurig, zu welch einer Hähne die deutsche Presse fähig ist. Jeder Politiker hätte weitaus größere vergehen ausgesessen. Da wird in der Tat mit zweierlei Maß gemessen. Schade, ein herber Verlust für die evangelische Kirche ist das.

Frank Frenzel hat gesagt…

Ich gebe Dir 100 Prozent recht für jedes Wort, das Du da geschrieben hast. Ich unterschreibe ausdrücklich den gesamten Text. Ich als "Gottloser" habe sie sehr bewundert für ihr konsequentes und kritisches Aftreten in religiösen, gesellschaftlich und auch politischen Fragen. Aber ich habe fest mit dieser ihrer Entscheidung gerechnet ... jede andere hätte mich nicht enttäuscht ... verwundert. Und ich bin sicher, dass wir noch viel Streitbares von ihr hören werden ... auch wenn es zunächst nur von der Kanzel sein wird. An ihr könnten sich alle unsere Laienspieler in Politik, Wirtschaft und im Bank-Gewerbe eine ganz dicke Scheibe abschneiden.

Frank Frenzel

kelly hat gesagt…

der teufel alkohol hat sich ein opfer geholt.
ein jammer in diesem fall, auch ich hatte hoffnung für diese, meine kirche.
doch es gibt noch mehr fähige menschen im lka und ich bin neugierig wer das erbe antritt, eine grosse herausforderung!
ich hoffe das beste für frau käßmann und rückhalt für die nächste zeit.
dein eintrag und die kommentare hier haben mich getröstet und erfreut.
lg kelly

Helmut hat gesagt…

Ich darf in diesem Zusammenhang an den Unfall mit Todesfolge erinnern, den ein CSU-Generalsekretär verursacht hat. Herr Wiesheu wurde damals (1983) zu 12 Mon. Haft verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Plus 20.000 DM Strafe. Dem Bullen, der diese wichtige Nachricht an die Zeitung mit den großen Buchstaben weiter geleitet hat, gebe ich ein Zitat für seinen Lebensweg mit: Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet.

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