Mittwoch, 13. Januar 2010

Die Mär vom "glücklichen Huhn"

Da gibt es doch diesen Hersteller von Geflügelprodukten, der damit wirbt, alles vom Ei bis zum Endprodukt stamme aus Deutschland und werde von ihm streng kontrolliert.

Die Rede ist von der Firma "Wiesenhof", deren Eier von Hühnern auf sogenannten Elterntierfarmen gelegt werden. In einem Werbefilm sieht man die glücklichen Hühner und im Filmkommentar heißt es: "Mit gesunden Elterntieren fängt bei Wiesenhof die Herstellungsstufe an. Bis zum späteren Hähnchenprodukt gehen die Kontrollen weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus." - und: "Mit der Wahrheit machen wir die besten Geschäfte."



"Report Mainz" vom 11.01.2010: Tierquälerei bei Wiesenhof? Wie Hühner leiden müssen

Ein Filmbeitrag des ARD Politmagazins "Report Mainz" vom 11.01.2010 zeigt die Wahrheit hinter der schönen heilen Werbewelt dieser Firma. Darin ist eine solche Elterntierfarm zu sehen. 25000 Hühner und Hähne "leben" in einem fensterlosen Stall dicht gedrängt in ihren eigenen Exkrementen. Wenn Tiere, die in einer sozialen Rangordnung leben, keinen Platz zum Ausweichen haben, dann gehen sie aufeinander los. Diese Tatsache machen sich die Organisatoren von Hahnenkämpfen zu Nutze. Hahnenkämpfe, die bei uns aus gutem Grund verboten sind, enden immer mit den Tod eines der beiden "Kampfhähne" in der kleinen Arena. Auf der gezeigten Elterntierfarm haben die Tiere weniger Platz, als die Hähne bei Hahnenkämpfen. Die Vögel stehen unter ständigem Dauerstress. Viele von ihnen sind halb nackt gerupft, haben offene Wunden oder sonstige schwere Verletzungen. Dazwischen sieht man immer wieder tote Tiere liegen.

In heimlich von ehemaligen Wiesenhof-Mitarbeitern aufgenommenen Videosequenzen sind Mitarbeiter zu sehen, wie sie brutal auf die Vögel einschlagen, mit den Füßen nach ihnen treten oder sie gegen die Wand werfen. Andere halten die Tiere am Kopf, und schleudern sie so lange herum, bis deren Genick gebrochen ist. Wenn es zum Schlachthof geht, werden die Tiere in Transportkisten verpackt. Der Film zeigt, wie die Hühner brutal in die Kisten hineingequetscht werden - einige werden regelrecht mit aller Kraft hineingestopft. Die Tiere erleiden dabei Knochenbrüche, Quetschungen und andere Verletzungen. Bei der Verladung stürzen die Kisten mit den darin zusammengepferchten, verletzten Tieren des öfteren am Ende der Laufbänder aus großer Höhe auf den Boden, weil niemand zur Stelle ist, um die vom Band laufenden Kisten in Empfang zu nehmen. Aber auch sonst geht es den Tieren an dieser Station ihres Leidensweges nicht besser. Es ist zu sehen, wie Mitarbeiter die Kisten vom Fließband nehmen und auf den Boden werfen. Die nächsten Kisten werden darauf geworfen und die Kistenstapel dann mit Fußtritten zusammengerückt.



Dieses Video von PETA ist nichts für schwache Nerven

Als ich das oben eingebundene Video der Tierrechtsvereinigung PETA gesehen hatte, war ich fassungslos. Ich habe zuerst überlegt, ob ich es hier überhaupt zeigen sollte, habe mich dann aber doch dazu entschlossen. Nur wer sich darüber im Klaren ist, welchen Qualen die Tiere in ihrem kurzen Leben ausgesetzt sind, bevor die Käufer sie - hübsch in Plastik verpackt - aus der Tiefkühltruhe im Supermarkt nehmen, oder zu sie zu "Bruzzler"-Wurst verarbeitet bei der fröhlichen Gartenparty auf dem Holzkohlegrill landen, wird sein Kaufverhalten ändern.

Einige Sequenzen aus dem PETA-Video sind auch in dem Beitrag von "Report Mainz" zu sehen. Dass Menschen dermaßen sadistisch und brutal mit wehrlosen Tieren umgehen, hätte ich nie für möglich gehalten. Wie war das doch gleich? "Bis zum späteren Hähnchenprodukt gehen die Kontrollen weit über die gesetzlichen Vorgaben hinaus."?
  • Wenn Wiesenhof wirklich - wie in der Werbung dargestellt - die gesammte Lebensspanne vom Ei bis zur Schlachtung so rigoros und lückenlos überwachen würde, dann hätten die Verantwortlichen diesen Skandal längst selbst bemerken und abstellen müssen. In meinen Augen ist das nicht nur eine unbeschreibliche Tierquälerei, sondern auch eine gezielte Täuschung der Verbraucher! - Die Ställe haben ja keine Fenster. Da wird's schon niemand merken.

Das sieht auch Herr Bröckling (PETA) in dem Beitrag von "Report Mainz" ähnlich: "Wir reden ja hier von einem Unternehmen, dass sich Tier- und Verbraucherschutz, Transparenz und Ehrlichkeit auf die Fahne schreibt. Das Gegenteil von allem ist aber der Fall. Es werden Tiere unter schlimmsten Bedingungen gehalten, die Haltung allein bringt schon Krankheit und Tod der Tiere mit sich."

"Report Mainz" informierte das zuständige Veterinäramt über die Praktiken von Wiesenhof. Im Film kommt Frau Dr. Eisenack (Amtstierärztin) zu Wort: "Wir haben auf jeden Fall verschiedene Ordnungswidrigkeitentatbestände, vielleicht sogar Straftatbestände. So dass wir das nach einer intensiven Prüfung dann wahrscheinlich auch an die Staatsanwaltschaft abgeben. Und es wird auf jeden Fall verfolgt."


Und was sagen die Verantwortlichen von Wiesenhof dazu?

Vor der Kamera von "Report Mainz" erst einmal gar nichts. Statt dessen verfassten sie ein schriftliches Statement.

Auf diesen Skandal bin ich durch einen Artikel in Brigittes Blog "Cappuccino & Meer" aufmerksam geworden. Sie ruft darin zum Boykott von Wiesenhof Produkten auf, und zeigt das Statement von Wiesenhof im Wortlaut. Sie hat zu dem Statement von Wiesenhof einen Kommentar geschrieben, dem ich uneingeschränkt zustimme.

Hinzuzufügen wäre noch, dass einige der Tierquäler nicht nur auf der im Film gezeigten Elterntierfarm beschäftigt sind, sondern als sogenannter Impftrupp von Farm zu Farm ziehen. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass der Impftrupp sich auf anderen Farmen menschlich verhalten wird. Die Behauptung von Wiesenhof, die Tierrechtsvereinigung PETA habe die Leitung der im Film gezeigten Elterntierfarm für ihre Zwecke instrumentalisiert, klingt deshalb ebenfalls unglaubwürdig. Die ehemaligen Wiesenhof Mitarbeiter, von denen das heimlich aufgenommene Filmmaterial stammt, sagen im Film von "Report Mainz", sie hätten die Verantwortlichen bei Wiesenhof auf die Zustände aufmerksam gemacht. Erst als sie erkennen mussten, dass ihre Bemühungen erfolglos waren, seien sie damit an die Öffentlichkeit gegangen.

Da ich ohnehin kein Geflügel esse, kann ich mich selbst leider nicht glaubhaft an einem Boykott von Wiesenhof-Produkten beteiligen. Aber vielleicht denkt ja der eine oder andere Leser der Artikel in "Cappuccino & Meer" und "juwi's welt" darüber nach, in wieweit er durch sein Kaufverhalten das Leid der gequälten Vögel beenden kann.

Brigitte schreibt zum Beispiel, sie werde kein einziges Wiesenhof-Produkt mehr kaufen sondern ihre Hähnchen nur noch beim Bio-Landwirt ihres Vertrauens kaufen - auch wenn es dort etwas mehr kosten sollte.


(Quellen: Cappuccino & Meer, Report Mainz vom 11.01.2010, PETA)

3 Kommentare:

Dr. No hat gesagt…

Habe mir mit diesem Video bereits gestern den Tag versaut - obwohl das alles ja kein Geheimnis ist, nur halt selten so deutlich zu sehen wie hier. Wiesenhof ist ja beileibe keine Ausnahme: Wenn es in einem Konzern, der stets einen auf dicke Ökohose macht, schon so zu geht, kann man sich an zwei Fingern abzählen, wie es anderswo läuft.

Ich weiß schon, warum ich Vegetarier bin. Und obwohl keinerlei missionarischen Eifer hege und in aller Regel keinen Streit mit Nicht-Vegetariern suche, bestärkt mich das in meiner Meinung, dass jeder, der auf Fleisch nicht verzichten mag, regelmäßig die Peta-Seiten aufsuchen sollte. Da gibt's noch mehr Beispiele. Etwa zu Schweinefleisch, Rindfleisch, Entenfleisch...

Elfe hat gesagt…

Das ist wirklich traurig, und ich bin froh, esse ich schon länger kein Fleisch und auch kein Fisch mehr.

Den Film habe ich mir jetzt nicht angetan, ich habe kurz vor Weihnachten einen Film über das Schlachten der grossen Vierbeiner gesehen, u.a. auch von Biohöfen, wie grausam, wie grausam, gar nichts von "schonendem" Töten.

Liebe Grüsse
Elfe

Michaela hat gesagt…

Hallo Jürgen!

Ich finde es wirklich gut, dass du hier im Blog kritisch hinterfragst und auf Missstände aufmerksam machst. Ist hochinteressant, was man hier bei dir lesen kann.

Auch ich habe mich nicht "getraut", den Film anzusehen ... Ich bin froh, dass ich mich selbst schon seit Jahren vegetarisch ernähre und auch Milchprodukte inzwischen weitgehend meide. An Eier von glücklichen Hühnern zu kommen, das ist bei uns in der Gegend gar nicht so leicht - aber andere möchte ich nicht mehr essen.

Ich hoffe, dass noch viele Leser auf deine Beiträge aufmerksam werden!

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