Mittwoch, 27. Dezember 2017

Dem Hass den Wind aus den Segeln nehmen

Der Spiegel berichtet in seiner Online-Ausgabe vom 23.12.2017, Herr Gabriel (SPD, Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler) wolle die Kommunen für die Aufnahme von Flüchtlingen entschädigen. Der Bund solle die Kosten für die Integration ersetzen und darüber hinaus den gleichen Betrag zusätzlich für kommunale Investitionen bereitstellen.

Der Vorschlag Herrn Gabriels ist nicht neu, die aktuelle Reaktion Herrn Meuthens (AfD) darauf aber prompt und heftig. Sollte die AfD das Thema in den Bundestag einbringen, dann käme bezüglich ihrer Leichenreden auf die "Zukunft des Christlichen Abendlandes" vielleicht endlich einmal Leben in den Bundestag. Insbesondere von dem, was "die christlichen Werte" (Hilfsbereitschaft, Barmherzigkeit, bedingungslose Nächstenliebe, ...) einer christlich geprägten Kultur ausmacht, ist die AfD mit ihrer Ausgrenzungspolitik weiter entfernt, als der Gottes Schöpfung und der Ursprung der Christenheit vom Ende des Universums.

Vor diesem Hintergrund ist das gelebte Weltbild Frau Merkels (CDU, Bundeskanzlerin) erheblich glaubwürdiger, als dasjenige von Herrn Seehofer (CSU, Vorsitzender) und vieler seiner Partei-Kollegen. Mir ist bewusst, dass das damalige - im wahren Sinne des Wortes - "grenzenlose" Willkommen für die Massen der Flüchtlinge Probleme verwaltungstechnischer Art verursacht hat. Aber damals war Europa mit einer außergewöhniche Situation konfrontiert worden, auf die Frau Merkel mit gelebter christlicher Nächstenliebe reagiert hat. Wer mich kennt der weiß, dass ich in einigen wesentlichen, für Deutschland, Europa und die Welt zukunftsentscheidenden Fragen gegensätzliche Standpunkte zu ihrer Politik vertrete. Aber mit ihrem pragmatischen Umgang mit der "Flüchtlingskrise" hat sie sich meine Achtung verdient. Die Politik Herr Seehofers und der ihm Gleichgesinnten in der CSU, die blind auf den Fremdenhass der AfD hereingefallen sind, hat das Gegenteil bewirkt.

Eine öffentliche Aufarbeitung der "multikulturellen" Ursprünge unserer heutigen Gesellschaft und dem daraus folgenden vielfältigen Wandel, der im Laufe der Jahrhunderte "unsere heutige Kultur" in Deutschland und Europa hervorgebracht hat, ist dringend überfällig. Nur so lässt sich den Menschen bewusst machen, dass "lebendige Kulturen" vom Austausch mit anderen Kulturen und dem daraus resultierenden Wandel profitieren. Wertvolles kulturelles Erbe zu bewahren und neue Werte in unsere Kultur zu integrieren sind die beiden Seiten der gleichen Medaille und des ständigen Wandels dem alle lebendigen Kulturen auf der Welt ausgesetzt sind - und dem auch "unsere Kultur" schon immer ausgesetzt war. Es ist richtig, dass wir von den Menschen, die auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung zu uns kommen, erwarten, dass sie sich in unsere Gesellschaft integrieren. Aber "Integration" kann nur dann erfolgreich sein, wenn wir begreifen, dass Integration niemals eine "einseitige" Angelegenheit sein kann.

Die Integration der Geflüchteten in unsere Gesellschaft ist eine nationale Herausforderung, welche die Bundesregierung bisher weitestgehend auf die Kommunen abgeschoben hat. Der erneute Vorschlag Herrn Gabriels ist sicherlich ebenso den wiederholten Forderungen der Kommunen geschuldet, die zulasten ihrer kommunalen Aufgaben und Entwicklung mit den finanziellen Folgen der "Flüchtlingskrise" zu kämpfen haben, wie der Erkenntnis, dass sich daran dringend etwas ändern muss.

Herr Meuthen scheint ernsthaft zu befürchten, dass die Worte Herrn Gabriels nicht als ein jährlich wiederholtes Mantra im Sande verlaufen könnten: Verständlich, wenn er davor Angst hat, dass seinesgleichen damit der Wind aus den Segeln genommen werden würde - und dass selbst die CSU unter anderen Voraussetzungen bereit sein könnte, Menschen muslimischen Glaubens - wenn auch nicht ausschließlich - aus christlicher Nächsenliebe in Bayern willkommen zu heißen.

Wenn wir die Fremden in unserer Mitte aufnehmen, dann werden sie irgendwann keine Fremden mehr sein. Sie werden dann gemeinsam mit uns an einer lebenswerten Zukunft für die kommenden Generationen in unserem Land arbeiten.

Sollten jedoch die selbsternannten Bewahrer der "Kultur des christlichen Abendlandes" die Oberhand gewinnen, dann wird es früher oder später zu einem Riss quer durch unsere Gesellschaft kommen. Die Geflüchteten würden für uns immer fremd bleiben. Die Ausgrenzungspolitik der AfD ist deshalb eine Gefahr für den sozialen Frieden und eine Bremse für die kulturelle Entwicklung in unserem Land.


(Quellen: Zeit vom 23.12.2017, ntv vom 23.12.2017, Handelsblatt vom 23.12.2017, AfD vom 23.12.2017, FAZ vom 17.08.2017, Spiegel vom 26.02.2016 )

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