Demonstration gegen TTIP und CETA am 17.09.2016 in Hamburg |
Trotz der erfüllten Voraussetzungen für die Zulassung einer Europäischen Bürgerinitiative (EBI) hatte die Europäische Kommission (EU-Kommission) den Antrag der EBI "Stop TTIP!" vom 15.07.2017, die gegen die Handelsabkommen "TTIP" und "CETA" gerichtete EBI zu registrieren, am 10. September 2014 mithilfe einer konstruierten Bergündung zurückgewiesen. Über beide Handesabkommen war damals bereits zwischen der EU-Kommission und den USA (TTIP), bzw. Kanada (CETA) bereits seit längerer Zeit verhandelt worden.
Die Verhandlungen hatten begonnen, ohne dass die Öffentlichkeit davon in Kenntnis gesetzt worden war. Wenn es nach den politisch dafür Verantwortlichen gegangen wäre, dann wären die Verhandlungen auch weiterhin geheim gehalten worden.
Als Begründung für die Verweigerung der Zulassung hatte die EU-Kommission angeführt, dass eine Europäische Bürgerinitiative (EBI) nicht gegen einen Rechtsakt gerichtet sein und nicht in laufende Verhandlungen eingreifen darf.
Das Bündnis hinter "Stop TTIP!" hatte die Entscheidung der EU-Kommission nicht kampflos hinnehmen wollen und die EBI als "selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative" (sEBI) zu den gleichen Bedingungen, wie sie für eine offizielle EBI gelten, fortgesetzt.
Weil die vorgeschobenen Gründe für Weigerung der EU-Kommission, die EBI "Stop TTIP!" zuzulassen, dazu hätte führen können, dass eine EBI als Instrument der bürgerlichen Einflussnahme auf wichtige politische Entscheidungen auf diese Weise auch zukünftig unterlaufen werden könnte, hatte die sEBI darüberhinaus vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die Entscheidung der EU-Kommission geklagt.
Jetzt hat die Erste Kammer des EuGH der sEBI in allen Punkten Recht gegeben! Das Urteil lautet (Zitat):
- "Der Beschluss "C (2014) 6501 final" der Kommission vom 10. September 2014, mit dem der Antrag auf Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative "Stop TTIP" abgelehnt wurde, wird für nichtig erklärt."
Das "Umweltinstitut München e.V." schreibt dazu auf seiner Internetseite in einem Artikel vom 10.05.2017, das Gericht berufe sich dabei auf den "Grundsatz der Demokratie, der zu den grundlegen Werten gehört, auf die die Union sich gründet" und stelle fest, dass TTIP und CETA "unbestreitbar eine Änderung der Rechtsordnung der Union herbeiführen" würden und daher Teil einer demokratischen Debatte sein müssen (Urteil des EuGH, Absatz 37).
- Die EU-Kommission hätte die Registrierung von
"Stop TTIP!" als offizielle EBI also zulassen MÜSSEN!
In einem Newsletter des Vereins "Mehr Demokratie e.V." vom 12.05.2017 heißt es dazu (Zitat):
.. Dieser Sieg ist von großer Tragweite! Denn das Urteil des EuGH war eine Entscheidung über Grundsätze. Damit hat der EuGH die Strategie der EU-Kommission durchkreuzt, die Bürger/innen bei der Entwicklung internationaler Verträge außen vor zu halten! Selbstverständlich kann eine EBI dann auch darauf ausgerichtet sein, Pläne der EU-Kommission zu verhindern. Und sie muss kritische Debatten rechtzeitig anstoßen können, also auch bevor ein Abkommen wie TTIP fertig verhandelt oder gar schon ratifiziert ist.
Das Urteil stärkt die EBI als zentrales Instrument der partizipativen Demokratie und ist eine schallende Ohrfeige für die EU-Kommission! ..
Insbesondere für den Kampf der sEBI "Stop TTIP!" gegen CETA kommt die Entscheidung des EuGH allerdings erheblich zu spät. In einer auf englisch verfassten Pressemitteilung der sEBI vom 10.05.2017 kommentiert Herr Dr. Efler (Mehr Demokratie e.V.) das Urteil des EuGH daher folgerichtig mit den Worten (Zitat):
".. Auf diese Entscheidung haben wir seit mehr als zwei Jahren gewartet. Mittlerweile ist CETA vom Europäischen Rat und vom Europäischen Parlament ratifiziert worden. Der EU-Kommission sollte es nicht erlaubt sein, Initiativen der Bürger so leicht zu stoppen; insbesondere dann, wenn es um die öffentliche Beteiligung an einer Entscheidungsfindung geht. .. Wenn die Kommission die Registrierung einer EBI verweigert, sollte der EuGH diese Entscheidung innerhalb eines festgelegten, kurzen Zeitraums überprüfen. .."
Das Umweltinstitut München schlägt diesbezüglich eine Regelung in Anlehnung an bayerische Volksbegehren vor: Wenn die Landesregierung ein Volksbegehren ablehnt, folge automatisch eine Prüfung durch das Verfassungsgericht - und zwar mit einer Frist von nur drei Monaten - heißt es in dem oben erwähnten Artikel auf der Internetseite des Vereins.
Die da oben machen ja doch was sie wollen
Diese oft zitierten Worte hört man immer wieder, wenn Menschen sich von den politisch verantwortlichen nicht ernstgenommen und übervorteilt fühlen, wenn politische Entscheidungen dazu führen, dass ihre Freiheiten und Rechte beschnitten werden oder wenn es an ihr Portemonaie geht. In diesem Zusammenhang ist dann auch immer wieder von allgemeiner Politikverdrossenheit die Rede.
Es ist wohl wahr, dass viele Bürger inzwischen resigniert haben und keinen Sinn mehr darin sehen, an Wahlen teilzunehmen oder sich an Bürgerinitiativen, an Petitionen oder an Demonstrationen zu beteiligen. Diese Menschen übersehen dabei allerdings, dass sie "denen da oben" mit ihrem Verzicht auf die Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte erst die Rechtfertigung dafür liefern, genau das zu "machen was sie wollen". Und darüber beklagen sie sich dann ...
Von einer "allgemeinen Politikverdrossenheit" kann angesichts der Mobilisierung hunderttausender Menschen für Demonstrationen gegen die beiden Freihandelsabkommen - insbesondere in Deutschland - allerdings wohl kaum die Rede sein. Dafür spricht auch, dass mehr als 1,5 Millionen Unterschriften für die sEBI "Stopp TTIP!" allein aus Deuschland kommen.
Wer sich nicht wehrt, hat bereits verloren. Die Entscheidung des EuGH zeigt einmal mehr, dass es nicht von vornherein vergebens ist, wenn wir Bürger uns gemeinsam mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unserer freiheitlichen Gesellschaft - nicht zuletzt auch mit Klagen vor Gerichten! - gegen Angriffe auf unsere grundlegenden Rechte zur Wehr setzen.
Laufendes Verfahren gegen CETA
Im Hauptsacheverfahren gegen CETA vor dem Bundesverfassungsgericht steht ein Urteil noch aus. Da das EuGH unter Berufung auf den "Grundsatz der Demokratie, der zu den grundlegen Werten gehört, auf die die Union sich gründet" bereits festgesellt hat, dass "CETA" (ebenso wie auch TTIP) "unbestreitbar eine Änderung der Rechtsordnung der Union herbeiführen" würde, bleibt zu hoffen, dass zumindest die demokratiefeindlichen Passagen im CETA-Vertrag auch im Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine entsprechende Berücksichtigung finden werden. Die würden sonst nämlich 'ebenso unbestreitbar auch eine Änderung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland' zur Folge haben.
(Quellen: Mehr Demokratie - Newsletter vom 12.05.2017, Tagesschau vom 10.05.2017, RT vom 10.05.2017, Die Presse vom 10.05.2017, Deutsche Wirtschaftsnachrichten vom 10.05.2017, Umweltinstitut München vom 10.05.2017, Rechtsportal "juris" vom 10.05.2017, Europäischer Gerichtshof - Urteil vom 10.05.2017 und Pressemitteilung vom 10.05.2017 )
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