Mittwoch, 8. Juli 2015

EU-Parlament für TTIP - Ungarns Bürger dagegen


 

Dass Ungarn heute im Laufe des Tages als siebzehntes von achtundzwanzig Mitgliedsländern der EU die notwendige Anzahl von Unterschriften seines Länderquorums für die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative (sEBI) "Stop TTIP!" überschritten hat, könnte möglicherweise zwischen den Nachrichten über die heutige Abstimmung des EU-Parlaments über einen Kompromiss zur bisherigen Fassung seiner TTIP-Resolution kaum noch wahrgenommen werden.

Heute hat das EU-Parlament über seine Position zu TTIP abgestimmt. Demzufolge soll nach dem Willen einer deutlichen Mehrheit der EU-Parlamentarier weiter über TTIP verhandelt werden, aber ohne die Implementierung privater Schiedsgerichte (ISDS). 436 Abgeordnete stimmten dafür, 241 dagegen und 32 enthielten sich ihrer Stimme.

Aufgrund der quer durch alle Fraktionen des EU-Parlaments verlaufenden Ablehnung der in TTIP vorgesehenen demokratiefeindlichen Schiedsgerichte gibt es jetzt eine neue Resolution. Darin wird gefordert, das ISDS-System durch ein "neues System" zu ersetzen. Dieses müsse demokratischen Prinzipien unterliegen, die Fälle müssten von unabhängigen Richtern öffentlich verhandelt werden. Auch eine Berufungsinstanz wird gefordert. Viele Abgeordnete sind jedoch trotzdem weiterhin skeptisch. Sie bemängeln, dass völlig unklar ist, was mit "neuem System" gemeint sei.

Außerdem besteht im Falle einer abschließenden Zustimmung des EU-Parlaments zu TTIP und CETA die Gefahr, dass das EU-Parlament in eine weitere demokratiefeindliche Falle laufen könnte. Vor einer möglichen Ratifizierung vom TTIP und CETA muss das EU-Parlament einmalig(!) seine Zustimmung erteilen, damit die Freihandelsabkommen in Kraft treten können. TTIP und CETA sind aber als so genannte "living agreements" ausgelegt: Im Rahmen der "regulatorischen Kooperation" werden die beiden Handelsabkommen einer stetigen Weiterentwicklung unterliegen.

Dabei ist bislang jedoch keinerlei parlamentarische Mitbestimmung vorgesehen. EU-Parlametarier, denen dieser Sachverhalt nicht klar ist, würden mit ihrer Zustimmung zu CETA und TTIP ihren eigenen Handlungsspielraum beschneiden - und damit auch die demokratischen Rechte der Bürger in den Staaten der Europäischen Union!

Dass lediglich eine einzige Abstimmung im EU-Parlament vorgesehen ist, widerspricht darüberhinaus nach Ansicht des "Instituts für Völkerrecht und Europarecht" im Falle von TTIP und CETA einer ausreichenden demokratischen Legitimierung.

Und: Auch ohne ISDS - wenn es denn so kommen sollte - gäbe es unter den bisher bekannt gewordenen Inhalten der bisherigen TTIP-Verhandlungsrunden noch genügend Kritikpunkte, die - jeder für sich - bereits Grund genug für Nachbesserungen oder gar einen Abruch der Verhandlungen wären. - Es ist nur so, dass seit Bekannwerden der Implementierung von ISDS in den Vertragswerken von CETA und TTIP kaum noch darüber gesprochen und geschrieben wurde.

Die EU-Kommission und die TTIP-Verhandlungsführer sind an die Resolution des EU-Parlaments nicht gebunden. Eine Art "TTIP durch die Hintertür" in Form einer wie auch immer gearteten Paralleljustitz für multinationale Konzerne mit Klagerechten gegen mehrheitlich legitimierte Gesetze demokratischer Staaten in TTIP ist noch lange nicht vom Tisch. Im fertig verhandelten CETA-Vertragswerk ist ISDS in seiner "klassischen Variante" festgeschrieben.
  • Mehr als die Hälfte der EU-Länder haben ihr Länderquorum überschritten, einige unter ihnen bereits um ein Vielfaches.
  • Mehr als 2,3 Millionen EU-Bürger, etwa die Hälfte davon allein aus Deutschland, unterstützen die Forderungen der sEBI "Stop TTIP!". 

Und die Politik bemüht sich tapfer, den immer noch wachsenden Protest zu ignorieren.

Wie war das doch gleich noch? Herr Gabriel (SPD, Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler) will der nächste Bundeskamzler werden?
Je mehr Menschen er gegen sich sich aufbringt, indem er ihre Forderungen zugunsten der Interessen einiger weniger multinationaler Konzerne ignoriert, anstatt die Interessen der Mehrheit der Wähler zu vertreten, desto geringer werden seine Chancen sein, Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) zu beerben. Die Verbraucherorganisation "Foodwatch" schreibt in einem Artikel auf ihrer Internetseite vom 07.07.2015, mit 64 Prozent lehne eine deutliche Mehrheit der Befragten einer aktuellen EMNID-Umfrage es ab, dass durch TTIP die Gestaltungsspielräume der Gesetzgeber - wie vom Bundeskanzleramt bestätigt – eingeschränkt werden.


TTIP-Demo



Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA



(Quellen: Kleine Zeitung vom 08.07.2015, Der Standard vom 08.07.2015, Deutsche Welle vom 08.07.2015 , Süddeutsche Zeitung vom 07.07.2015 , Frankfurter Rundschau vom 07.07.2015 , ORF vom 07.07.2015, Finanznachrichten vom 07.07.2015, Foodwatch vom 07.07.2015, Die Zeit vom 07.07.2015, RP-Online vom 07.07.2015, news 02elf vom 06.07.2015, Deutsche Mittelstands Nachrichten vom 06.07.2015 )

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