Dienstag, 4. Oktober 2011

Schutz von Flüchtlingen statt vor Flüchtlingen

Amnesty International und Pro Asyl: Aktion auf der Spree in Berlin

Die europäische Grenze zu Libyen ist das Mittelmeer. Die anhaltende, durch die Kämpfe dort ausgelöste Flüchtlingskrise spielt sich also direkt vor den Toren Europas ab.

Auf der Internetseite von Amnesty International heißt es, den meisten der vor den Kämpfen in Libyen geflohenen Menschen sei es inzwischen gelungen, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren. Für tausende Flüchtlinge aus Somalia, Eritrea, dem Sudan, Äthiopien und anderen Staaten ist die Rückkehr in ihre Herkunftsländer jedoch keine Option. Dort drohen ihnen Verfolgung sowie Gefahr für Leib und Leben. Rund 5000 Flüchtlinge und Asylsuchende harren daher nach wie vor in Flüchtlingslagern in Tunesien und Ägypten aus.

Anlässlich des bundesweiten Tags des Flüchtlings am 30. September machten die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Pro Asyl darauf aufmerksam, dass der einzige Ausweg für diese Menschen die Aufnahme in einem Drittland ist.

Die Vereinten Nationen haben die internationale Gemeinschaft dazu aufgerufen, die in Tunesien und Ägypten festsitzenden und vom UNHCR als schutzbedürftig anerkannten Flüchtlinge aufzunehmen. Bisher haben sich lediglich sieben EU-Mitgliedsstaaten bereit erklärt, insgesamt weniger als 400 Flüchtlinge aufzunehmen.

Deutschland gehört nicht zu diesen sieben Ländern. In Anbetracht dessen, dass noch vor ungefähr 70 Jahren unzählige Menschen, die um Leib und Leben fürchten mussten, auf der Flucht vor politischer Verfolgung im Deutschen Reich durch die Nazis Aufnahme in vielen Ländern dieser Welt fanden, finde ich die abweisende Haltung unserer heutigen Politiker gegenüber den Flüchtlingen unserer Zeit unerträglich. Die historische Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland beschränkt sich eben nicht nur auf die "Garantie des Existenzrechts Israels" und die ebenfalls daraus resultierende Verantwortung für die Schaffung eines eigenständigen Staates Palästina für die Palästinenser. Aufgrund der bitteren Erfahrungen in der jüngsten Geschichte unseres eigenen Landes stehen wir ebenso in der Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen der heutigen Zeit, die in ihren Heimatländern politisch verfolgt werden und deren Leben dort bedroht ist.

Inzwischen heißt es auch schon wieder, Deutschland müsse seiner Verantwortung gerecht werden und es ist die Rede davon, möglicherweise deutsche Soldaten nach Libyen zu schicken - wohl nicht zuletzt deshalb, um nicht endgültig von den libyschen Ölquellen abgeschnitten zu werden. Satt endlich die Lehren aus dem vielfach tödlichen afghanischen Abenteuer deutscher "Aufbauhelfer in Uniform" zu ziehen, droht damit ein erneut ein Konflikt, in den deutsche Soldaten verwickelt werden könnten. Wirklich selbstlose Hilfe könnte die Bundesregierung hingegen leisten, wenn sie den in den Lagern Nordafrikas gestrandeten Flüchtlingen eine Perspektive für ihre Zukunft anbieten würde, indem sie ihnen bei uns Asyl anbietet.

Laut Amnesty International sind seit Mitte Januar über 40000 Menschen über das Mittelmeer nach Italien und Malta geflüchtet. Ungefähr 2000 seien dabei auf See ums Leben gekommen.

Amnesty International hat deshalb einen an Herrn Friedrich (CSU, Bundesinnenminister) gerichteten Online Appell an die Bundesregierung initiiert, mit dem diese aufgefordert wird, ihrer menschenrechtliche Verantwortung, den in Not geratenen Menschen zu helfen, gerecht zu werden. Der Text des Appells im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Friedrich,

die Kämpfe in Libyen und die politischen Umbrüche in Nordafrika zwangen viele Menschen zur Flucht, darunter Flüchtlinge aus Somalia, Eritrea, Irak, den Besetzten Palästinensischen Gebieten, Sudan, Äthiopien und anderen Staaten, die sich in Libyen aufhielten.

Viele von ihnen wurden bereits vom UNHCR als schutzbedürftig eingestuft. Tausende sind nun in Flüchtlingslagern in Tunesien und Ägypten gestrandet, doch sie können weder dort bleiben noch zurück nach Libyen gehen.

Ausgeschlossen ist auch eine Rückkehr in ihre Heimatländer, da ihnen dort Verfolgung oder Gefahr für Leib und Leben drohen.

Die Hauptlast der Flüchtlingskrise in Nordafrika tragen weiterhin die Nachbarländer in der Region. Doch auch Deutschland hat eine menschenrechtliche Verantwortung, den in Not geratenen Menschen zu helfen. Wir fordern deshalb von der Bundesregierung

  • die Aufnahme von Flüchtlingen aus Nordafrika, die der UNHCR als schutzbedürftig eingestuft hat.
  • die Unterstützung der südlichen EU-Mitgliedstaaten bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen und MigrantInnen, auch durch die Aufnahme von Menschen in der Bundesrepublik. 
  • die Sicherstellung, dass bei allen Rückübernahmeabkommen mit nordafrikanischen Staaten die Menschenrechte der Flüchtlinge und MigrantInnen gewahrt bleiben.

MfG,

Jeder, der diesen Appel unterstützen möchte, kann ihn auf der
Internetseite von Amnesty International online unterzeichnen.


  • "Man redet zu viel über den Schutz vor Flüchtlingen
    und zu wenig über den Schutz von Flüchtlingen."

    (Benno Fürmann)


(Quellen: Amnesty International, ProAsyl, gemeinsame Presseerklärung von Amnesty International und ProAsyl, Presseerklärung des UNHCR)

1 Kommentar:

Der Geestendorfer hat gesagt…

Hallo Jürgen,

das ist ein schwer verdaulicher Artikel in Deinem Blog. Nun meine spontanen Gedanken dazu:

1. Die Flüchtlinge, die es schaffen übers Mittelmeer nach Europa zu kommen, sollten Asylstatus bekommen. Ob sie nun sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge oder politische Flüchtlinge sind. Politische sollen eigentlich immer Flüchtlingsstatus haben. Aber die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge sind doch eigentlich auch Politische. Sie kommen meistens aus Staaten, in denen Despoten ihr Land finanziell aussaugen.

Du schreibst von ca. 5000 Flüchtlingen in Tunesien und Ägypten. Die können doch von den europäischen Staaten aufgenommen werden, ohne das sie eine große "Belastung" werden. Auf keinem Fall dürfen sie in Deutschland in zentrale Flüchtlingsunterkünfte untergebracht werden. Ich erinnere nur an Rostock-Lichtenhagen im August 1992, wo der braune Mop die Asylunterkunft mit Molotow-Cocktails ansteckte und Polizei und Feuerwehr schön im Hintergrund blieben.

2. Meines Erachtens darf man die "Garantie des Existenzrechts Israels" nicht mit dem Flüchtlingselend vergleichen. Das ist für Deutschland natürlich selbstverständlich für den Staat Israel einzustehen. Doch die derzeitige rechtskonservative Regierung darf man auch kritisieren. Und israelische Siedlungen in zukünftigen Palästina dürfen nicht sein.

3. Das Deutschland sich an dem Libyen-Einsatz der NATO nicht beteiligt hat finde ich gut. Unsere Regierung sollte Rückrat besitzen und keine sogenannte "Bundeswehr-Aufbauhelfer" nach Libyen schicken. Laut "Spiegel" sind bis Mai 2010 insgesamt 43 deutsche Soldaten in Afghanistan gefallen. Jetzt sind es bestimmt über 50. Wieviele Soldaten in psychiatischer Behandlung sind konnte ich nicht ermitteln. Für mich ist die deutsche Bundeswehr immer noch eine Verteidigungsarmee, die außerhalb der Staaten der europäischen Gemeinschaft nix zu suchen hat.

Tschüss,
Holger

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