Donnerstag, 6. Oktober 2011

Gorleben: Akten belegen politische Willkür


Quelle: Greenpeace Deutschland, Präsentation "Pressekonferenz Gorleben Akten"
(Zum Vergrößern bitte auf den "Vier-Pfeil-Button" unten rechts klicken)
In einem Artikel auf der Internetseite der der TAZ konnte man am 30.09.2011 lesen, dass die Entscheidung für den Salzstock bei Gorleben als Atommülllager aus politischer Willkür getroffen und innerhalb von drei Wochen durchgedrückt wurde. Das gehe aus neuen Akten des Gorleben-Untersuchungsausschusses hervor.

Die damalige Regierung des Landes Niedersachsen habe im Jahre 1976 aus rein politischen Gründen für den Standort entschieden. Das gehe aus einem vertraulichen Protokoll aus der niedersächsischen Staatskanzlei vom November 1976 hervor, in dem es ausdrücklich heiße, das Kabinett werde "politisch" eine "Vorentscheidung" treffen.

Nachdem Gerichte den Weiterbetrieb und den Neubau von Atomkraftwerken von einem Nachweis über den Verbleib des bei deren Betrieb produzierten hochradioaktiven Mülls abhängig gemacht hatten, habe die Entscheidung über einen Standort für ein Atommüll-"End"-Lager gedrängt. Da man an den drei ursprünglich ausgewählten Standorten wohl mit mehr Widerstand gerechnet hatte, sei der Landkreis Lüchow-Dannenberg zusätzlich zu den drei ursprünglich ausgewählten Standorten in die Liste aufgenommen worden.


Willkür und Manipulation

Herr Leisler Kiep (CDU, damals Wirtschaftsminister des Landes Niedersachsen) sei es gewesen, der "Gorleben" seinen eigenen Tagebuchaufzeichnungen zufolge nach einem Treffen mit dem RWE-Vorstand als Standort ins Gespräch gebracht habe. Im Untersuchungsausschuss habe er jedoch Erinnerungslücken geltend gemacht und sich widersprüchlich geäußert.

Der TAZ zufolge ist Herr Leisler Kiep heute 85 jahre alt. Als er den Schlamassel verursachte, war er demnach 50 Jahre alt. Und heute - nach nur 35 Jahren - kann er sich an die wesentlichen Entscheidungen von damals bereits nicht mehr erinnern. An diesem Fall wird einmal mehr deutlich, dass kein Mensch das Recht hat, Entscheidungen zu treffen, die über hunderte Millionen von Jahren hinweg eine tödliche Gefahr für die nachfolgenden Generationen darstellen.

Den "neuen" Akten zufolge war das Ergebnis einer angeblichen weiteren Nachuntersuchung durch die vom Bund beauftragte "Kernbrennstoff-Wiederaufbereitungs-Gesellschaft" (KEWA) bereits im Vorfeld genau festgelegt worden: Noch bevor "Gorleben" überhaupt offiziell als Atommülllager vorgeschlagen worden war - als die angebliche Nachprüfung durch die Kewa also noch gar nicht stattgefunden haben konnte(!) - heiße es in einem Vorschlag für das weitere Vorgehen: "KEWA hat diesen Gedanken aufgegriffen, aus ihrer Sicht untersucht und einige, vor allem Lüchow-Dannenberg, für gut befunden."


Bereits im Frühjahr 2010 hat die Umweltschutzorganisation "Greenpeace" Originalakten der Staatskanzlei und des Umweltministeriums des Landes Niedersachsen aus der Zeit von 1974 bis 1976 veröffentlicht, aus denen hervorgeht, dass es nie ein wissenschaftliches Auswahlverfahren mit dem Salzstock bei Gorleben als bestem Ergebnis gegeben hat. Gorleben wurde bei der Prüfung verschiedener Standorte des KEWA-Verfahrens mit keinem Wort erwähnt. Daher ist das alles für mich eigentlich nichts neues mehr, für einige unserer Politiker aber offensichtlich schon. Wenn ich aus der Naivität und der Unwissenheit von Politikern aber meine Schlüsse über deren Kompetenzen ziehe, die ihnen angeblich das Recht über Entscheidungen bezüglich des Baus und des Betriebes von Atomkraftwerken, sowie über den Umgang mit deren strahlenden Hinterlassenschaften gibt, dann wird mir Angst und bange.


Bis heute kein Entsorgungsnachweis

Nach der nun offiziellen Feststellung des Untersuchungsausschusses ist es meines Erachtens endgültig offensichtlich, dass jedes weitere Festhalten an "Gorleben" als nationales Atomklo für hochradioaktiven Atommüll ebenfalls nichts weiter als politische Willkür ist. Die Aussage der niedersächsischen Landesregierung, der Atommülllagerstandort Gorleben sei nach einer fachlichen Untersuchung ausgewählt worden, ist somit offenbar nicht länger aufrechtzuhalten.

Der von den Gerichten geforderte Entsorgungsnachweis für den beim Betrieb der deutschen Atomkraftwerke anfallenden hochradioaktiven Atommüll beruht auf einer Lüge - es hat ihn also nie gegeben. Beim weiteren alternativlosen Festhalten an "Gorleben" als nationalem Atomklo wird sich daran auch so schnell nichts ändern. Schon aus diesem Grund müsste der Betrieb der verbliebenen deutschen Atomkraftwerke aus meiner Sicht umgehend eingestellt werden.


Atommülllager: Unhaltbare Zustände

Bereits im Jahre 2000 war den damals verantwortlichen Politikern bekannt, dass der Salzstock - unter anderem aufgrund von Wasserblasen und Gasvorkommen - ungeeignet für die Einrichtung eines Langzeitlagers für hochradioaktiven Atommüll ist. Die rot-grüne Bundesregierung stellte deshalb die weiteren Erkundungsarbeiten ein.

Quellen: GNS, contrAtom
Im Jahre 1997 erfolgte der erste größere, aus vier Castoren mit abgebrannten Brennstäben und zwei Castoren aus La Hague bestehende Atomtransport in das Atommülllager bei Gorleben. Seit dem hat sich die Neutronen-Ortsdosis an der zwei Kilometer vom Lager entfernten Messstation in Gorleben bis 2002 von ursprünglich 0,05 Millisievert (mSv) auf 0,16 mSv mehr als verdreifacht. Soviel also zum Thema "Dichtigkeit und Abschirmung" der Castoren. Erst im August war bekannt geworden, dass der Jahresgrenzwert an der Grundstücksgrenze des Atommülllagers noch in diesem Jahr überschritten werden könnte:
"Während im letzten Jahr am Zaun des Lagers noch ein Halbjahreswert für Neutronenstrahlung in Höhe von 0,23 Millisievert (mSv) gemessen worden sei, habe die diesjährige Messung des Halbjahreswertes bei 0,27 mSv gelegen. Als Jahresgrenzwert seien dort 0,3 mSv festgelegt worden. Hochgerechnet sei eine Überschreitung des Jahresgrenzwertes möglich ..." (weiterlesen ...)

Zudem wird die Menge des Atommülls, der in Gorleben eingelagert werden soll, um ein vielfaches höher ausfallen als bisher bekannt war. Das berichtete die Frankfurter Rundschau gestern in einem Artikel auf ihrer Internetseite. Mit der Antwort auf eine Anfrage der Grünen habe die Bundesregierung eingeräumt, dass "Gorleben" gegebenenfalls auch große Mengen anderer Atomabfälle aufnehmen müsse. Das Gesamtvolumen des Nuklearmülls könnte dadurch auf mehr als das Vierfache steigen.

Schätzungen bezüglich des zusätzlichen "anderen Atommülls" gehen von 44800 (Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, GRS) bzw. 105500 Kubikmeter (Bundesamt für Strahlenschutz, BfS) aus. Die einzulagernde Zusatzmenge hochradioaktiven Atommülls betrüge 29000 Kubikmeter.
  • Wie ich es erwartet habe, hat die Bundesregierung nach dem Super-GAU in der japanischen Atomanlage "Fukuschima" und den massiven Protesten der Atomkraftgegner nichts dazugelernt. Es wird weiterhin nur das zugegeben, was ohnehin bekannt ist. Alles darüber hinausgehende erfährt man bestenfalls nach offiziellen Anfragen seitens der Opposition im Bundestag.

Bereits jetzt sind die Zustände in für die in der Nachbarschaft des Atommülllagers bei Gorleben lebenden Menschen unhaltbar. Trotz alledem will die wespenfarbene Bundesregierung zum Ende dieses Jahres erneut einen Atommülltransport aus der französischen Aufbereitungsanlage bei La Hague in das Atommülllager bei Gorleben durchführen lassen.


Gorleben Castor 2011


(Quellen: Frankfurter Rundschau vom 05.10.2011, TAZ vom 30.09.2011, Greenpeace - Die Akte Gorleben, contrAtom vom 06.10.2011 und vom 25.08.2011, Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg [BI] vom 05.10.2011, .ausgestrahlt, Bündnis gegen den Castor 2011)

1 Kommentar:

Der Geestendorfer hat gesagt…

Hallo Jürgen,

dass Gorleben die deutsche Atommüllkippe werden soll, empört mich auch sehr. Doch wohin mit dem hoch gefährlichen Atommüll? Mein Vorschlag: sehr gut gesicherte Atommülllager neben den derzeitigen Kernkraftwerken. Man müsste den kommenden Generationen für die nächsten 500 oder 1000 Jahre natürlich strickte Anweisungen geben, wie sie diesen Müll unter Kontrolle halten.

Ich mag darüber nicht nachdenken. Oder sollte man den Müll ins All schießen?

Tschüss
Holger

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