Freitag, 14. Oktober 2011

Befristete Zukunftsaussichten

Wie gestern in der Nordsee-Zeitung zu lesen war, droht Frau Rogge-Mönchmeyer (Stadthalle Bremerhaven, Geschäftsführerin) Herrn Granz (SPD, Oberbürgermeister) mit einer Klage. Heute läuft die Frist ab, die sie ihm gesetzt hatte, um das Schreiben, mit dem er das Ende ihres Vertrages ankündigt hatte, für nichtig zu erklären.

Als Grund dafür, dass die Verträge mit zwei Geschäftsführern nicht verlängert würden, habe Herr Granz die Neuordnung der Gesellschaften in Bremerhaven genannt, schrieb die Nordsee-Zeitung. Ich habe vollstes Verständnis für den Ärger Frau Rogge-Mönchmeyers darüber, dass ihr Vertrag nicht verlängert wird - auch vor dem Hintergrund, dass ihre Arbeit ihren Angaben gegenüber der Nordsee-Zeitung zufolge noch während der Gesellschafterversammlung im Juni gelobt worden sei. Davon, dass ihr Vertrag nicht verlängert werden würde, sei zu diesem Zeitpunkt hingegen noch nicht die Rede gewesen.

Allerdings sind hierzulande Tag für Tag zahlreiche "normale" Arbeitnehmer, deren befristete Arbeitsverträge auslaufen, vom gleichen Schicksal betroffen. Bis er nichts gegenteiliges hört, muss jeder Arbeitnehmer, dessen Arbeitsvertrag befristet ist, davon ausgehen, dass dieser nicht verlängert werden wird. Er wird sich deshalb rechtzeitig vor dem Ende seines laufenden Vertrages um eine neue Arbeitsstelle bemühen. Die Chancen dafür, dass ein beliebiger Arbeitnehmer im Alter von 55 Jahren damit erfolgreich sein wird stehen mindestens so schlecht wie diejenigen einer prominenten Geschäftsführerin, die ebenfalls 55 Jahre alt ist. Es ist nur leider so, dass über die vielen Schicksale einzelner Mitbürger niemals in der Zeitung berichtet wird - über die stadtbekannte Geschäftsführerin aber schon.

Die betroffenen Menschen landen dann nach zwei Jahren zuerst in Umschulungsmaßnahmen und später in irgendwelchen unbezahlten "Seminarprogrammen" der Arbeitsagenturen. Zumindest im Falle der Arbeitslosenstatistik passt der Spruch, "Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast", perfekt. Bis zur Rente - die dann ebenfalls hinten und vorne nicht reicht - tauchen diese Menschen dann nämlich nicht einmal mehr in den Arbeitslosenstatistiken auf.

Ich denke, unter anderem daran,
  • dass zahlreiche Menschen sich von einem befristeten Job zum nächsten hangeln,
  • dass geringfügig Beschäftigte oftmals noch nicht einmal mit den Einkommen aus mehreren Jobs auskommen, 
  • dass Menschen, die das fünfzigste Lebensjahr überschritten haben auf dem Arbeitsmarkt bereits zum alten Eisen gehören, wir alle aber alle immer länger arbeiten sollen,
krankt das gesamte System. Die betroffenen Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen und ihre Familien haben keine Lebensperspektive - Zukunftsplanung ist für sie unmöglich. Sie werden deshalb ihr Geld eher für kommende schlechte Zeiten zurücklegen anstatt es auszugeben.

Geringfügig Beschäftigte und Arbeitslose fallen als Beitragszahler für die Rentenkassen aus. Angesichts der sich häufenden weltweiten Wirtschaftkrisen sind die Bestrebungen seitens der FDP und der CDU, den Generationenvertrag mit seinem solidar finanzierten Rentensystem durch individuell finanzierte, kapitalgestützte Altersversorgungen zu ersetzen, der blanke Hohn.

Es wird Zeit, dass an die Stelle der sich seit Jahren ausbreitenden sozialen Kälte in unserem Land endlich wieder eine Politik tritt, die für die Menschen da ist, die dafür sorgt, dass die Menschen mit ihrer Arbeit wieder ihren Lebensunterhalt bestreiten können und die der Raffgier der Konzerne, den Spekulanten in den Banken und den Zockern an der Börse einen Riegel vorschiebt. Dann könnten irgendwann solche Härten, wie diejenige, die jetzt Frau Rogge-Mönchmeyer zu treffen droht, auch den "ganz normalen Bürgern" nichts mehr anhaben.


(Quelle: Nordsee-Zeitung vom 13.10.2011, Deutsche Welle vom 20.11.2009)

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