Dienstag, 4. August 2009

Teufelskreis Afghanistan

Friedenstaube
Herr Jung (CDU, Verteidigungsminister) sagte am 23.06.2009, wir würden es unseren gefallenen Soldaten schulden, den "
Einsatz" in Afghanistan fortzusetzen.

Er spricht zwar inzwischen von "gefallenen" Soldaten, das Wort "Krieg" mag Herr Jung aber immer noch nicht in den Mund nehmen.


Seit die ersten Soldaten der Bundeswehr nach Afghanistan geschickt wurden, fällt aber trotzdem in diesem Zusammenhang die schleichende Aufrüstung der Sprache auf:
  • Aus "Aufbauhelfern", die Schulen und Brunnen bauen, wurden "Soldaten im Einsatz gegen den internationalen Terrorismus", die anstelle von Terroristen allerdings auch schon mal Zivilisten, darunter auch Frauen und Kinder, ermorden.
  • Aus "getöteten" Soldaten sind inzwischen "gefallene" Soldaten geworden.

Der Krieg der Worte

Den Todesopfern dieses Krieges wird es egal sein, ob Herr Jung sagt, sie seien "getötet" worden oder ob er meint sie seien "gefallen". Das ändert nämlich nichts an der Tatsache, dass sie - überwiegend in jungen Jahren - brutal aus dem Leben gerissen wurden und jetzt tot sind. Es ist aber ehrlicher zu sagen, dass sie umgebracht wurden. Wenn ich sage, mein Bruder sei gefallen, dann bedeutet das nämlich, dass er vielleicht gestolpert und auf die Nase gefallen ist. Er steht dann wieder auf, klebt vieleicht noch ein Pflaster auf seine blutende Nase und das Leben geht weiter. Soldaten, die in einem Krieg von ihren Gegnern umgebracht werden, stehen nicht wieder auf. Nie wieder!

Der Krieg der Worte war in allen Kriegen dieser Welt schon immer der Wegbereiter für das große Schlachten.

Wann wird Herr Jung uns endlich die Wahrheit sagen, und das Kind beim Namen nennen? Was muss noch alles passieren, bevor ein Krieg auch "Krieg" genannt werden darf? Wie lange wird es noch dauern, bis an einem weiteren "schwarzen Tag für die Bundeswehr" nicht mehr um "drei gefallene Soldaten" getrauert wird, sondern um ganze Armee-Einheiten? Wieviel Zeit bleibt uns noch, bis die Taliban und ihre Helfershelfer den Krieg aus Afghanistan auch nach Deutschland tragen werden? Wird man uns nach den ersten zivilen Opfern auf deutschem Boden sagen, wir seien es unseren gefallenen Frauen und Kindern schuldig, den "Einsatz" in Afghanistan bis zum Endsieg fortzusetzen?


Die Logik der Kriegsherren


Mit der Begründung, dass die Toten nicht umsonst gestorben sein dürfen, wurde bisher jeder Krieg von den Kriegsherren beider Seiten erfolgreich über lange Zeiten in Gang gehalten. Mit jedem toten Soldaten und mit jedem toten Zivilisten wiegt dieser Grund für die Fortsetzung eines Krieges stärker.

Es ist jetzt gerade einmal 64 Jahre her, seit der von Deutschland verschuldete Zweite Weltkrieg zu Ende ging. Damals hieß es, von deutschem Boden dürfe nie wieder ein Krieg ausgehen. Als es darum ging, die Bundeswehr, die einmal als reine Selbstverteidigungsarmee zur Verteidigung des Staatsgebietes der Bundesrepublik Deutschland gegen den Angriff einer feindlichen Armee gegründet worden war, in das weit entfernte Afghanistan zu schicken, wurde uns das als humanitäre Maßnahme verkauft, und es wurden strenge Kriterien dafür festgelegt.

Daraus ist im Laufe der Jahre nach und nach ein Kampfeinsatz in einem Krieg entstanden, in dem Deutschland nichts zu suchen hat. Die deutschen Soldaten verteidigen dort nicht das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland gegen den Angriff einer feindlichen Armee von außen. Sie sind statt dessen von der Bundesregierung in ein fremdes Land geschickt worden, in dem sie jetzt töten und selbst getötet werden. Damit schaffen sie die Voraussetzungen dafür, dass dieser Krieges eines Tages möglicherweise auch auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland stattfinden wird.


Mit Kanonen auf unsichtbare Spatzen

Es kann in einem Krieg gegen aus dem Untergrund heraus operierende Freischärler, Partisanen oder Terroristen keinen Sieg mit militärischen Mitteln geben. Dafür gibt es in der Geschichte genügend Beispiele. Deshalb war die Entsendung deutscher Soldaten nach Afghanistan ein fataler Fehler.


Die Wurzel des Übels

Die Ursachen für den internationalen Terrorismus liegen unter anderem im drastischen Ungleichgewicht der Lebensbedingungen und Chancen zwischen den wenigen reichen westlichen Industrienationen und den armen Staaten im größeren "Rest der Welt". Die horrenden Summen, die für die weltweite Kriegsmaschinerie ausgegeben werden, wären deshalb in einer fairen Entwicklungshilfe und in zivilen Aufbauprogrammen besser angelegt. Solange die reichen Länder in Europa und Nordamerika nicht bereit sind, den Menschen in den armen Ländern dieser Welt zu einem menschenwürdigen Leben mit ausreichender Nahrungsversorgung, einem Dach über dem Kopf und einem höheren Lebensstandard zu verhelfen, wird der internationale Terrorismus immer neuen Nährboden finden.

Die Toten von Afghanistan sind kein Grund für die Fortsetzung der Kampfhandlungen in diesem Land. Sie zeigen statt dessen, dass die Voraussetzungen, unter denen die Soldaten einmal nach Afghanistan geschickt wurden, nicht mehr gegeben sind. Um den Teufelskreis des Tötens und Sterbens zu durchbrechen, ist es deshalb zwingend notwendig, die Bundeswehr aus Afghanistan zurück nach Deutschland zu holen.


"Die Tragik der Soldaten war immer wieder,
zur aktiven Teilnahme am größten Menscheitsverbrechen
missbraucht worden zu sein, verraten und verkauft."

Hugo Spohler,
Gründer der Bremerhavener Ortsgruppe der "Internationale der Kriegsdienstgegner"


(Quellen: Zeit Online vom 24.06.2009, Spiegel Online vom 29.08.2008,
Süddeutsche Zeitung Online vom 19.07.2009, Spiegel Online vom 24.10.2008)


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen



Eigene Meinungen, konstruktive Kritik, Anregungen etc. sind jederzeit willkommen.

Nettikette
Bitte achtet auf den »guten« Ton.
Beschimpfungen und ähnliches werden im Papierkorb veröffentlicht.


Anonyme Kommentare:
Wenn ihr "Anonym" bei "Kommentar schreiben als" auswählt, dann lasst mich und die anderen Leser bitte wissen, wer ihr seid.

Um faire Diskussionen zu gewährleisten, werde ich Kommentare ohne "Identität" in Form einer E-Mail-Adresse, einem Namen oder zumindest einem Nicknamen nicht veröffentlichen!

Zum Schutz vor Spammern müssen die Kommentare erst von mir freigeschaltet werden. Ich bitte dafür um euer Verständnis.