Samstag, 1. August 2009

Trotz Atom, Atom Trotz

Atomkraft? Nein Danke!Von den Atomkraftbefürwortern hört man immer wieder, ohne Atomkraft würden bei uns die Lichter ausgehen. Nach den erneut im Anschluss an die Wiederinbetriebnahme der Atomkraftwerks Krümmel zutage getretenen Mängeln, beobachte ich bei manchen Zeitgenossen verstärkt, dass sie in eine Art Trotzhaltung verfallen, die sie gegenüber Sicherheitsbedenken, die aus den Gefahren des Betriebs der Atomkraftwerke und der ungelösten Atommüll-Entsorgung resultieren, absolut blind macht.

Ein hässlicher Nebeneffekt dabei ist es, dass sie in diesem Zustand, z.B. in Diskussionsforen, zu verbalen Entgleisungen neigen und auf sachliche Argumente mit Beleidigungen reagieren.

  • Elektrobranche setzt auf erneuerbare Energien

    Ich nehme an, die Elektro Branche wird ein starkes Interesse an einer gesicherten Zukunft der Stromversorgung haben. Anderenfalls würden Elektrogeräte- und Anlagenhersteller schließlich auf ihren Produkten sitzen bleiben. Vor diesem Hintergrund finde ich es sehr interessant, dass auf der Internetseite des Forums für Fachkräfte in Elektrotechnik und Elektrosicherheit "elektrofachkraft.de" in einem Artikel vom 06.07.2009 zu lesen ist, die Newcomer der "Erneuerbare Energien Branche" würden nicht nur der Wirtschaftskrise trotzen, sondern sogar in rasantem Tempo weiter wachsen, während die Zahl der Beschäftigten in der klassischen Energiewirtschaft kontinuierlich gesunken sei. Dieser Trend werde sich fortsetzen.

    Darauf hätten die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), die Elektrizitätswerke Schönau (EWS), das Kampagnen-Netzwerk Campact sowie ein großes Unternehmens, das erfolgreich auf erneuerbare Energien setze, in einer gemeinsamen Pressekonferenz hingewiesen und gleichzeitig neue Kampagnen gegen eine Fortsetzung der Atomstromnutzung in Deutschland gestartet. Nur eine konsequente Fortführung der Energiewende führe in eine nachhaltige Energiezukunft.

    In dem Artikel auf der Internetseite "Elektrofachkraft.de" wird Herr Baake (DUH, Bundesgeschäftsführer) mit den Worten zitiert: "Wer heute, wie Angela Merkel glaubt, durch Höflichkeitsbesuche bei Jubelfeiern der Atomlobby punkten zu können, verspielt mutwillig die Zukunft". Mit Blick auf drohende massive Arbeitsplatzverluste beim Energiekonzern E.on habe Herr Baake die Bundeskanzlerin aufgefordert, sich besser dort sehen zu lassen, wo Zukunft gestaltet wird, statt weiter für die Stabilisierung risikoreicher und ineffizienter Energiestrukturen aus dem vergangenen Jahrhundert zu werben.

    Es sei ein von den großen Energiekonzernen gern verbreiteter Irrtum zu glauben, das neue und das alte Energiesystem könnten noch lange nebeneinander existieren. Das Gegenteil sei der Fall. Früher als viele meinen, müssten wir uns entweder für Uran und Kohle oder für Sonne, Wind, Wasser und Bioenergie entscheiden. Das werde uns nicht von Interessen oder Ideologien diktiert, sondern von den Gesetzen der Physik und von der Notwendigkeit, das Klima zu schützen. Weiter ist in dem Artikel auf Seite der "Elektrofachkraft.de" zu lesen, die erneuerbaren Energien mit ihren binnen zehn Jahren um 300 Prozent gewachsenen Belegschaften seien in der Wirtschaftskrise der mit Abstand größte Hoffnungsträger.

    Die aus einer Anti-Atomkraft-Initiative hervorgegangenen Elektrizitätswerke Schönau (EWS) starten in diesen Tagen ebenso eine bundesweite Kampagne gegen die Laufzeitverlängerung alternder Atommeiler wie die Online-Aktivisten von Campact. Die Geschäftsführerin der EWS sagt, der Atomstrom sei gefährlich, teuer und behindere den Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv. Dies werde mit "100 Guten Gründen gegen Atomkraft" belegt.

Die Lichter gehen trotzdem nicht aus

Nachdem in den vergangenen Tagen gleich 6 von 17 Atommeilern aufgrund technischer Probleme vom Netz genommen waren, und die Lichter trotzdem nicht ausgegangen sind, wäre es unverantwortlich, die Laufzeiten der in der nächsten Legislaturperiode stillzulegenden Atomkraftwerke zu verlängern. Offensichtlich wird mehr Strom produziert, als überhaupt benötigt wird. Da der Strom aus den alten, abgeschriebenen Atomkraftwerken nicht billiger verkauft wird, machen die Atomkraftwerk Betrieber satte Gewinne. Die finanzielle Absicherung der Schäden aufgrund eines möglichen Super-GAUs verweigern sie allerdings: Damit belasten sie die in einem Schadensfall ohnehingeschädigten Steuerzahler. Das ist absurd!


Trotzdem Glück gehabt

Das Verhalten der für die Sicherheit der Atomkraftwerke Verantworlichen hat deutlich gezeigt, dass der Unsicherheitsfaktor "Mensch" sich in kein Sicherheitsschema pressen lässt. Technische Sicherheitsmaßnahmen sind beim gleichzeitigen Auftreten mehrerer Fehler überfordert. Bisher können wir alle nur von Glück reden, dass trotzdem noch nichts schlimmeres passiert ist. Ein Super-Gau wie 1986 in Tschernobyl ist jederzeit möglich.


Atomkraftwerke laufen weiter - trotz Terrorgefahr

Überlegungen zu möglichen Abwehrszenarien gegen Terroranschläge auf Atomkraftwerke belegen die real drohende Gefahr von Super-Gaus, die mit keiner Technik mehr zu beherrschen wären, da ein Terroranschlag nicht nur die Kernschmelze des radioaktiven Materials in einem arbeitenden Atomreaktor verursachen würde, sondern auch die technischen Sicherheitsvorkehrungen außer Betrieb setzen würde (Mythos Atomkraft, S.13). Ein Super-Gau in einem deutschen Atomkraftwerk würde großte Teile Deutschlands in eine radioaktiv verstrahlte Wüste verwandeln. Die sensiblen Verkehrs-, Ver- und Entsorgungs- und Kommunikations-Infrastrukturen wären unterbrochen. Deutschland wäre innerhalb kürzester Zeit wirtschaftlich am Ende. Schadensersatzansprüche der durch den radioaktiven Niederschlag geschädigten Nachbarstaaten könnten nicht beglichen werden. der Versuch der Wiederherstellung des öffentlichen Lebens in Deutschland, wie wir es heute kennen, wäre zum Scheitern verurteilt.


Immer mehr Atommüll - trotz ungelöster Entsorgung

Selbst wenn es keinen Super-Gau in einem deutschen Atomkraftwerk geben sollte, steht die Uhr zum Abschalten der Atomkraftwerke inzwischen auf "Fünf NACH Zwölf". Für Unmengen hochradioaktiver Abfälle aus den deutschen Atomkraftwerken gibt es keine Möglichkeit zur Lagerung: Die sichere Lagerung über Zeiträume von tausenden und millionen von Jahren kann niemand gewährleisten. Wer den weiteren Betrieb der Atomkraftwerke befürwortet, setzt wissentlich zahllose nach uns folgende Generationen unkalkulierbaren Risiken für Leib und Leben aus.

Hätte es in der Steinzeit, aus der es keine schriftlichen Überlieferungen gibt, so dass sich unser Wissen über diese Zeit auf Vermutungen aufgrund von zufälligen Funden und archäologische Ausgrabungen beschränkt, Atomkraftwerke gegeben, dann wüßte heute kein Mensch um die tödliche Bedrohung. Es gibt Funde, deren ursprünglicher Zweck nie geklärt wurde. Würde unsere Technik im Laufe der nächsten 50000 Jahre aufgrund einer globalen Katastrophe in Vergessenheit geraten, und ein Archäologe fände dann zum Beispiel eine Glühlampe, dann könnte er niemals herausfinden wofür die gebraucht wurde, wenn er nichts über Elektrizität wüsste. Genauso unwahrscheinlich ist es, dass die Menschen in 500000 Jahren um die Gefahren wissen, die ihnen aufgrund unseres strahlenden Erbes drohen.

Der Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandorte (AkEnd) betont in seinem Bericht vom Dezember 2002 die Bedeutung geologischer und technischer Barrieren für die Langzeitsicherheit von Endlagern. Bei einem Konzept für ein Atommüll-Endlager bestünde zwischen der geologischen und der technischen Barriere eine enge Wechselwirkung (AkEnd, Auswahlverfahren für Endlagerstandorte, S. 53). Das heißt, es muss nicht nur für millionen von Jahren garantiert werden können, dass es im Bereich eines unterirdischen Atommülllagers zu keinen geologischen Veränderungen kommen kann, sondern es muss darüber hinaus auch für millionen von Jahren sichergestellt sein, dass technische Maßnahmen die Sicherheit eines solchen Atommülllagers garantieren können. Über die angebliche Sicherheit unterirdischer Atommülllager in Salzstöcken liegen aus dem sogenannten Atommüll-Versuchsendlager Asse-II bereits Erfahrungen vor. Diese belegen, dass sowohl die geologischen wie auch die technischen Barrieren bereits in einem Zeitraum von wenigen Jahrzehnten versagen.


Trotz der Verwendung in Atomwaffen ...

... wollen uns die Befürworter der friedlichen Nutzung der Atomkraft von Beginn an weis machen, ein Missbrauch des bei der Kernspaltung in Atomkraftwerken und der anschließenden sogenannten Wiederaufbereitung ausgebrannter Brennstäbe anfallenden Plutoniums für den Bau von Atomwaffen fände nicht statt.

Die sogenannte "friedliche Nutzung der Atomkraft" ist ein großer Selbstbetrug:
  • Eine friedliche Nutzung der Atomkraft hat es nie gegeben.
In ihren 100 guten Gründen gegen die Atomkraft schreiben die Elektrizitäts-
werke Schönau, viele Staaten hätten ihre Atomwaffen unter dem Deckmantel der friedlichen Nutzung der Atomkraft entwickelt – einige von ihnen sehr erfolgreich. Je mehr Atomkraftwerke es gäbe, desto größer sei daher die Gefahr des militärischen oder terroristischen Missbrauchs (EWS, 100 gute Gründe gegen Atomkraft, #88).

Die Kubakrise zeigte im Jahre 1962 auf drastische Weise, wie schnell die Welt an den Rand eines globalen Atomkrieges geraten kann. Auch nach dem Ende des kalten Krieges zwischen den Millitärbündnissen NATO und Warschauer Pakt ist die Gefahr eines verheerenden Atomkrieges noch nicht gebannt. Zu den beiden ursprünglichen Kontrahenten hat sich inzwischen eine große Zahl weiterer Staaten gesellt, die auch schon das eine oder andere Mal unmissverständlich mit dem Einsatz ihrer Atomraketen gedroht haben. Belege dafür finden sich auch in dem bereits erwähnten Schriftstück "Mythos Atomkraft" der Heinrich Böll Stiftung auf Seite 17.

Verschärfend kommt noch hinzu, dass einige der neuen atomwaffenbesitzenden Staaten alles andere als stabile politische Zivilgesellschaften sind. Ich mag es mir lieber nicht ausmalen, was passieren würde, wenn einem Terrornetzwerk wie Al-Kaida die Atomwaffen eines zerbrechenden politischen Systems in die Hände fielen. Die brutale Ermordung tausender unschuldiger Zivilisten durch den Angriff mit zwei vollbesetzten Verkehrsflugzeugen auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 würde sich gegen einen terroristischen Anschlag mit einer größeren Anzahl von Atomraketen wohl wie ein Schuss mit einer Erbsenpistole ausnehmen ...

Aber selbst wenn man die zuvor genannten kriegerischen Fakten einfach aus dem Bewustsein ausblenden könnte, gefährden unsere heute lebenden Generationen mit dem Bau und dem Betrieb der Atomkraftwerke sowie dem Anhäufen von Unmengen hochradioaktiver Abfälle nicht nur sich selbst: Als Mitglied eines Staates, der auf seinem Hoheitsgebiet den Bau und den Betrieb von Atomkraftwerken zulässt oder sogar fördert, nehmen wir es darüber hinaus billigend in Kauf, posthum zu Massenmörden an unseren Nachkommen zu werden. Ein solches Verhalten lässt sich wohl ebenfalls kaum als "friedlich" bezeichnen.


Trotz alledem ...

... halten die CDU, die CSU und die FDP unbeirrt am Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke fest. Den Meinungsumfragen zufolge sieht es derzeit so aus, als sei die SPD chancenlos gegen die CDU/CSU. Sollte die CDU/CSU die Bundestagswahl im nächsten Monat gewinnen, und sollten ihre Minister bei ihrer Vereidigung vor dem Hintergrund der angekündigten Aufkündigung des Atomausstiegs schwören, dass sie ihre "Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen" und "Schaden von ihm wenden" werden, dann werden sie nach meinem Verständnis ihren gerade abgelegten Amtseid im selben Moment schon gebrochen haben.

Es wird Zeit, dass diesem Unfug ein Riegel vorgeschoben wird. Es ist Zeit, die CDU/CSU und die FDP dazu aufzufordern, die Aufkündigung des Atomausstiegs aus ihrem Regierungsprogramm zu streichen.


Zum Weiterlesen:

Update 02.08.09: Entsorgung, militärische Nutzung
(Quelle: Elektrofachkraft.de, Elektrizitätswerke Schönau)


3 Kommentare:

Dr. No hat gesagt…

Danke für diesen informativen Post. Perverserweise muss man ja schon fast hoffen, dass es kurz vor der Bundestagswahl wieder in Krümmel brennt - ansonsten sehe ich schwarz für den Atomausstieg, den die SPD, falls es wieder nur zu einer Großen Koalition reichen sollte, als Juniorpartner vermutlich auf dem Verhandlungstisch opfern wird.

Sisyphos hat gesagt…

Wenn sie es nicht aus dem Programm nehmen - es gibt ja auch andere Parteien!

juwi hat gesagt…

@Sisyhpos:
Das ist wohl wahr. Ich hab' da auch schon Alternativen entdeckt, die sorgsamer mit Energie und Umwelt umgehen wollen. Ich fürchte nur, die Masse der Wähler weiß das nicht und wird entweder wie gewohnt "CDU/CSU" oder "SPD" ankreuzen oder gar nicht erst zur Wahl gehen.

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