Mittwoch, 21. Januar 2015

Bremerhaven: Kein Platz für Fremdenfeindlichkeit

Es gibt sie nicht: "Die Fremden" oder "die Ausländer", gegen die man in Bremerhaven auf die Straße gehen müsste. Das Gegenteil ist der Fall: Die wenigsten der heute in Bremerhaven lebenden Menschen werden wohl eine Herkunft ihrer Familien aus einem der ehemaligen Unterweserorte nachweisen können, die bis in die Zeit vor der Gründung Bremerhavens zurückreicht.

Von Beginn an, seit der bremischen Gründung der ursprünglichen Hafenstadt Bremerhaven - damals nur einige wenige Häuser rund um den heutigen "Alten Hafen" in einer vom Hoheitsgebiet des Königreichs Hannover umschlossenen Bremer Exklave - waren es die Einwanderer "aus aller Herren Länder" die unsere Stadt zu dem gemacht haben, was sie heute ist. Im Wesentlichen waren es Menschen aus dem Königreich Hannover oder aus Mecklenburg die den ersten Bremerhavener Hafen unter der Leitung und nach den Plänen des Holländers Jacobus Johannes van Ronzelen gebaut haben. Das erste Schiff, das am 12.09.1830 in den gerade erst fertiggestellten, aber für den Schiffsverkehr noch nicht freigegebenen Hafen einfuhr, war ein amerikanisches: Das Vollschiff "Draper".

Mit dem Hafen kamen die Menschen. Ohne die Einwanderer, darunter viele Italiener, hätte es den Zuwanderungs- und Bauboom in den Jahrzehnten um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert nie gegeben. Ohne die Italiener gäbe es in Bremerhaven keinen einzigen der Terrazzo-Fußböden, die typisch für die Gestaltung der Treppenhäuser aus der damaligen Zeit sind und auch heute noch in vielen Bremerhavener Gründerzeithäusen bewundert werden können.

Portugiesen, Spanier und Türken waren am Bau der Schiffe beteiligt, für deren Qualität die Bremerhavener Werften - im wahrsten Sinne des Wortes - weltberühmt waren. Ein großer Teil der Menschen, die in den fischverarbeitenden Betrieben und in der heutigen Lebensmittelindustie im Bremerhavener Fischereihafen arbeiten, sind "Mitbürger mit Migrationshintergrund".

Bremerhaven ist eine Hafenstadt. Von Beginn an war und ist Bremerhaven auf Menschen aus allen Teilen der Welt angewiesen. Ohne sie - und ohne den weltweiten Handel - könnten der Hafen und viele davon abhängige Branchen nicht existieren. Ohne Menschen aus anderen Ländern wäre Bremerhaven wirtschaftlich erledigt. "Ihre" und "unsere" Arbeit ist unsere gemeinsame Existenzgrundlage!


Seit mehr als dreißig Jahren arbeite ich immer wieder mit "ausländischen" Kollegen zusammen - unter anderem aus England, Spanien, Brasilien, Italien, Portugal, Mexiko, Pakistan, aus der Türkei oder aus dem Iran. Wenn sich neben der Arbeit die Gelegenheit für Gespräche über private Dinge ergibt, dann bin ich immer neugierig und freue mich, wenn sie über das Leben in ihren Herkunftsländern erzählen.

Ebenso, wie unter den deutschen Kollegen, habe ich auch unter den ausländischen Kollegen immer wieder solche kennengelernt, mit denen ich mich auf Anhieb gut verstanden habe, aber auch solche, mit denen es gelegentlich Reibereien gab. Allerdings ging es dabei, soweit es ausländische Kollegen betraf, niemals aber um Differenzen, die auf deren Herkunft oder kulturellen Hintergrund zurückzuführen gewesen wären.

Den "guten Deutschen" oder den "bösen Ausländer", den "guten Christen" oder den "bösen Muslim" gibt es nicht! Wer das behauptet, der hat sich nie die Mühe gemacht, auf Ausländer oder Anghörige anderer Religionen zuzugehen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen.


Eine ausländerfeindliche Demonstration gegen "Überfremdung", wie der neue Bremerhavener Pegida-Ableger sie jetzt für den 16.02.2015 plant, ist deshalb nicht nur ein völlig überflüssiger Affront gegen unsere Nachbarn und Mitbürger, sowie eine Gefahr für das gesellschaftliche und kulturelle Miteinander, sondern auch ein Stoß mitten ins Herz der wirtschaftlichen Grundlage unserer Stadt.

Wie die Nordsee-Zeitung heute berichtet, sympathisiert einer der beiden Männer, die in Bremerhaven zur "Demonstration gegen die Überfremdung unserer Städte" aufrufen, auf seiner Facebook-Seite mit der Dortmunder NPD.

Herr Willmann (Bündnis '90 /die Grünen) hat - ebenfalls für den 16.02.2015 um 17.30 Uhr - eine Gegen-Demonstration am Rotensand angemeldet. Die Nordsee-Zeitung zitiert ihn dazu mit den Worten (Zitat): "In einer Stadt wie Bremerhaven, die sich als Seestadt begreift und davon lebt, dass uns Menschen aus vielen Nationen besuchen, darf so etwas nicht unbeantwortet bleiben." Er fände es erschreckend, wie offen Menschen ihre rechte Gesinnung auf ihrer Facebook-Seite darstellen. Pegida sei für ihn ein Sammelbecken für alle Rechtspopulisten und Nationalisten, von denen die Mehrzahl keine eigene politische Haltung habe.


Bleibt zu hoffen, dass am 16.02.2015 genug Menschen zusammenkommen, um klarzustellen, dass in Bremerhaven für Ausländerfeindlichkeit kein Platz ist.



Update, 22.01.2015:

In der Nordsee-Zeitung ist heute zu lesen, dass die "Demonstration gegen die Überfremdung unserer Städte" eines Bremerhavener Ablegers der Pegida gestern von einem der beiden Initiatoren ohne Begründung abgesagt worden ist. Der am 15.01.2015 angemeldete Demonstrationszug hätte mit 200 bis 500 Teilnehmern vom Zolltor Rotersand über die Strecke Rickmersstraße, Hafen- und Lloydstraße zum Lloyd-Platz am Neuen Hafen führen sollen.

Allerdings sei mit der Absage das Thema "Pegida" für die Bremerhavener Polizei allerdings nicht erledigt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Szene weiterhin aktiv ist und dass trotz der Absage der Demonstration einige Pegida-Anhänger am 16.02.2015 zusammenkommen könnten.


(Quelle: Nordsee-Zeitung vom 21.01.2015, Wikipedia )

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