Mittwoch, 10. Februar 2010

Ausstieg aus dem geplanten Ausstieg?

Atomkraft? Nein Danke!
Die gesellschaftlichen Widerstände gegen die
Atomenergie seien zu groß. Diese habe auch
nach vierzig Jahren keine hinreichende
Akzeptanz in der Bevölkerung. Herr Röttgen
(CDU, Bundesumweltminister) rät seiner Partei daher jetzt zum Atomausstieg.


Man könnte meinen, Herr Röttgen begreife so langsam - vielleicht aber gerade noch rechtzeitig - dass die weitere Produktion und Anhäufung über Millionen von Jahren strahlenden Atommülls ebensowenig mit der Bedeutung des Begriffs "Umweltschutz" zu vereinbaren ist, wie die Tatsache, dass mit jedem weiteren Tag, an dem eines der deutschen Atomkraftwerke in Betrieb ist, die Gefahr eines Super-GAUs und damit einer von deutschem Boden ausgehenden Verstrahlung weiter Landstriche in Europa billigend in Kauf genommen wird. Angesichts einer solchen Erkenntnis müsste ihm aber ebenso klar werden, dass er sich als Bundesumweltminister unglaubwürdig machen würde, wenn er an der Unterstützung und Förderung der Atomkraftwerksbetreiber festhalten würde.

Jedenfalls könnte man seine Äußerung, die CDU/CSU dürfe ihren Erfolg nicht davon abhängig machen, dass Atomkraftwerke störungsfrei laufen, so interpretieren. Sollte der bisher "relativ störungsfreie" Betrieb eines deutschen Atomkraftwerks eines Tages abrupt mit einem Super-GAU enden, dann würde der überlebende Teil der Bundesbürger die CDU/CSU und die FDP, die weiterhin unbeirrt als verlängerter Arm der Atomlobby die Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke anstrebt, nämlich mit Sicherheit zum Teufel jagen.

Im Koalitionsvertrag der Wespenkoalition wird die Atomkraft als "Brückentechnologie" bezeichnet, "bis sie durch erneuerbare Energien verlässlich ersetzt werden kann". Dieser Passus kann sich wohl kaum auf die im Atomkonsens vereinbarte Abschaltung von Atomkraftwerken innerhalb dieser Legislaturperiode beziehen. Trotzdem wird seitens der FDP auch über Laufzeitverlängerungen für die ältesten und inzwischen überflüssigen Atomkraftwerke spekuliert. Nach Auskunft der Grünen könnten acht dieser Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Bereits heute mache der rasch ansteigende Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung immer mehr Atomkraftwerke überflüssig. Schon bis 2013 würde ein Viertel der aktuellen Atomkapazität verzichtbar, weil der Anteil erneuerbarer Energien bis dahin auf 22 Prozent steigen werde. Zur Zeit liegt er bei 16 Prozent und die "Ökostrom-Branche" strebt bis 2020 einen Anteil von 47 Prozent an.


Atomstrom: Jetzt erst recht

Ungeachtet dessen erklären CDU/CSU & FDP in ihrem Koalitionsvertrag die Bereitschaft, die Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke zu verlängern (Koalitionsvertrag, Seite 29). Im Rahmen eines Gesamt-Energiekonzeptes sollen dafür in diesem Jahr die Rahmenbedingungen festgelegt werden. Die FDP nimmt derzeit angesichts ständig sinkender Akzeptanz seitens der Bundesbürger für ihre Vorhaben immer mehr eine "jetzt erst recht" Trotzhaltung an: "Die Bürger wollen die Atomkraftwerke loswerden? Dann sorgen wir eben erst recht dafür, dass sie die bis in alle Ewigkeit am Hals haben." Soweit geht die von der FDP gerne propagierte "Freiheit für den Bürger" dann doch wieder nicht! Aufgrund ihrer Trotzigkeit, und dem Straucheln ihres größeren Koalitionspartners CDU in dieser Frage, wird wieder einmal monatelang Zeit und Energie verplempert, die wir nicht mehr haben.

Die Bundesregierung wäre meiner Meinung nach gut beraten, wenn sie jetzt(!) eindeutig erklären würde, dass Kohle- und Atomkraft Auslaufmodelle sind, dass sie am Atomkonsens festhält und dass die Atomkraftwerke wie bisher vereinbar abschaltet werden, damit der Umbau der Energieversorgung zu einem dezentralen, CO2-neutralen Energienetz nicht weiterhin unnötig blockiert wird. Ebenso wie im Koalitionsvertrag bekräftigt wird, dass das Neubauverbot für Atomkraftwerke bestehen bleibt, muss es auch ein Neubauverbot für mit fossilen Energieträgern befeuerte Großkraftwerke geben. Dann hätten alle an der derzeitigen und zukünftigen Energieversorgung Beteiligten Unternehmen die geforderte Planungssicherheit. Wir haben keine Zeit mehr für die Intrigen der Atom-, Kohle- und Erdöl-Lobbys und ihrer politischen Handlanger, und das Geld, das weiterhin in der Aufrechterhaltung der Atomkraftanlagen und den Neubau von Kohlekraftwerken zu versickern droht, wird dringend für Forschung und Förderung zur Entwicklung klimafreundlicher Technologien und deren Installation in einem bundesweiten, intelligenten dezentralen Energienetz benötigt.


Der Kampf gegen die Stromgiganten

Das sehen auch diejenigen Energieerzeuger so, die sich bereits ernsthaft mit dem Ausbau der CO2-neutralen Energieerzeugung beschäftigen. So zitierte die Berliner Zeitung am 06.02.2010 zum Beispiel Herrn Friege (Vorstandschef eines Ökoenergieanbieters) mit den Worten: "Der geplante Ausstieg aus dem Atomausstieg wäre ein schlimmer Fehler. Die Laufzeitverlängerung würde uns um mindestens ein Jahrzehnt zurückwerfen." Atomstrom sei keine Brückentechnologie, sondern eine Verhinderungstechnologie für den Ausbau der erneuerbaren Energien.

In diesem Zusammenhang warf Frau Roth (Die Grünen, Vorsitzende) Herrn Röttgen vor, er versuche "den Menschen Sand in die Augen zu streuen, währen schwarz Gelb im Hinterzimmer den Ausstieg aus dem Atomausstieg festzurrt und die Solarförderung kappt".

  • Ein spannender Bericht über den Kampf für Strom aus erneuerbaren Energien gegen die Macht der großen Energiekonzerne stand am 27.11.2009 in der Stuttgarter Zeitung.

    Es ging darin um die Geschichte der Elektrizitätswerke Schönau im Schwarzwald, die aus einer Elterninitiative entstanden sind, und deren Aktivitäten auf den Super-GAU im Atomkraftwerk Tschernobyl im Jahre 1986 zurückgehen. Die Geschichte ist ein gutes Beispiel dafür, dass "Ökostrom" schon lange möglich ist. Letztlich liegt es an uns Bürgern, wie lange die Großen Energiekonzerne noch Macht über uns haben:


(Quelle: Bremerhavener Sonntagsjournal vom 07.02.2010, Die Grünen zur Atomkraft, Die Grünen zur Solarförderung, Süddeutsche Zeitung vom 06.02.2010, Berliner Zeitung vom 06.02.2010, Stuttgarter Zeitung vom 27.11.2009)

1 Kommentar:

Helmut hat gesagt…

Hallo Jürgen,

die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Bitte NICHT vergessen: Landtagswahl in NRW steht an. Dazu wird das dumme Wahlvolk benötigt.

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