Samstag, 7. März 2009
Häuschen bauen
Bauplatz für die neue Bremerhavener Eissporthalle
"Wenn wir für unsere Famile ein kleines Häuschen bauen könnten, das wäre doch schön - mit so einem kleinen Garten und viel Grün darum herum und so weiter ..." Ich bin davon überzeugt, dass viele Menschen daran schon einmal gedacht haben. Für die meisten wird es allerdings immer ein schöner Traum bleiben.
Einige derjenigen, die einen größeren Betrag auf ihrem Konto liegen haben, werden irgendwann einmal anfangen, sich nach einem Baugrundstück umzusehen. Sie werden sich nach den Kosten für das eine oder andere Grundstück und die Erschließungskosten dafür erkundigen ... - bis sie eines Tages vielleicht etwas passendes gefunden haben.
Dann folgen die nächsten Überlegungen. Wieviel Geld bleibt nach Abzug der Kosten für das erschlossene Grundstück noch für das Häuschen übrig. Was würde das Häuschen voll unterkellert kosten? Was kostet das Baumaterial? Man erkundigt sich nach den Kosten für Steine, Zement, Putz, Estrich, Holz für den Dachstuhl, Ziegel für das Dach und so weiter. Dazu kommt das Elektro- und das Wasserinstallationsmaterial: Kabel, Rohre, Wasserhäne, Steckdosen, Waschbecken und so weiter. Darf es eine große Badewanne sein oder muss vielleicht auch eine Dusche reichen? Können wir uns das Häuschen zwar leisten, aber sollten wir der Kosten wegen vielleicht lieber auf einen Keller verzichten?
Das ganze ist ein langwieriger Planungsprozess.
Am Ende dieses Prozesses kommt die eine Familie vielleicht an einen Punkt, an dem sie sagt: "Wir haben zwar das Geld, um ein kleines, allerdings nicht gerade üppig ausgestattetes Häuschen zu bauen, das aber noch unseren Vorstellungen entspricht, müssten dann aber für den Rest unseres Lebens jeden Euro einzeln umdrehen bevor wir ihn ausgeben, und aufgrund der hohen Abtragszahlungen für die Finanzierung des Häuschens auf so manches verzichten. Monatliche Rücklagen für den Betrieb und die Instandhaltung sind dabei eigentlich kaum noch möglich. Deshalb ist es besser, wir wohnen weiterhin in unserer Mietwohnung, können dafür aber wie bisher jedes Jahr in den Urlaub fahren, und ein neues Auto ist irgendwann auch noch dabei über."
Eine andere Familie kommt am Ende ihrer Planungen zu dem Ergebnis: "Toll! Wir haben ein schönes Grundstück gefunden, können ein voll unterkellertes Haus darauf bauen, es reicht sogar für eine große Badewanne und bei den Abzahlungen für die Finanzierung und für die Betriebs- und Instandhaltungskosten können wir uns sogar noch eine jährliche Urlaubsreise leisten. Wir verwirklichen unseren Traum."
Ja ja - so ist es im wirklichen Leben ... - in der Regel sogar in Bremerhaven; bei Otto Normalverbraucher (meistens jedenfalls).
Aber es gibt auch Ausnahmen von der Regel - jedenfalls in Bremerhaven ist das so; bei Politikern der Großen Koalition (sehr oft jedenfalls).
Die besagten Politiker der Großen Koalition haben einem Bremerhavener Sportverein ein solches neues "Häuschen" versprochen - als Belohnung sozusagen: Weil der Verein einmal fast in eine höhere Liga aufgestiegen wäre. Es folgten lange Debatten, Ausschreibungen, Angebote, man einigte sich, stellte fest, dass das Geld nicht reichen würde, der Sportverein und seine Fans erinnerten die Politiker an ihr Versprechen, die debattierten wieder, man einigte sich auf einen anderen Kompromiss und so ging die Zeit ins Land.
Einige Politiker wollten aufgrund der finanziellen Probleme vom Bau des "Häuschens" Abstand nehmen. "Das kommt gar nicht in die Tüte!", sagten die anderen, "Schließlich haben wir es dem Verein und seinen Fans versprochen.", und weil Koalition schließlich Koalition ist entschuldigten sich die einen Politiker bei Otto Normalverbraucher für ihre Zustimmung zum Bau des "Häuschens" mit dem schwachen Argument "Koalitionszwang". Besser wäre es gewesen, die anderen Politiker hätten sich bei dem Sportverein und seinen Fans mit dem starken Argument "Wir haben leider bei unserem voreiligen Versprechen die Folgekosten nicht ausreichend bedacht." entschuldigt.
Ihr ahnt es sicher schon: Die Politer der Großen Koalition in Bremerhaven einigten sich auf einen "finalen Kompromiss" - koste es was es wolle ... - und wurden von der Koalition der Bremer Landesregierung daran erinnert, dass die Finanzierung auf wackeligen Beinen stünde, und - vorsichtig ausgedrückt - irgendwie hart an der Grenze der Realität entlang geschönt begründet sei. So ginge das nicht. Ein Nachtragshaushalt müsse her. Na ja, das Kunststück, einen Nachtragshaushalt auf die Beine zu stellen, wurde dann am Ende auch noch vollbracht: Mit der Folge erheblich höherer Folgekosten über einen sehr langen Zeitraum.
Aber was soll's. Schließlich waren ja alle glücklich: Die Politiker der Großen Bremerhavener Koalition waren glücklich darüber, dass sie ihr Versprechen doch noch halten durften, der Sportverein ist glücklich, weil er bald aus seinem alten "Häuschen" in ein viel schickeres, neues "Häuschen" umziehen kann und die Fans des Sportvereins sind glücklich weil, äh, na ja: Wahrscheinlich weil "ihr Verein" ja vielleicht doch noch in die höhere Liga aufsteigen könnte, wenn er erst sein neues "Häuschen" bezogen hat. Und weil alle so glücklich sind, wurde Anfang Februar auch schon mal eine rauschende "Party zum Baubeginn" auf der zukünftigen Baustelle gefeiert.
Nur Otto Normalverbraucher schaut dem lustigen Treiben mit gemischten Gefühlen aus der Ferne zu.
Seine bösen Ahnungen sollten kurz darauf auch schon bestätigt werden. Gleich nach der Baustellenparty war mit den Erdarbeiten für das neue "Häuschen" begonnen worden, und schon gestern wurde Otto Normalverbraucher von der Bremerhavener Regionalzeitung mit dem nächsten Knaller überrascht. Auf der ersten Seite des Lokalteils fiel sein Blick sofort auf die fetten Lettern die Titelzeile:
Angebote für Stadion zu teuer
- Vergabeverfahren für Eissporthalle gerät erneut ins Stocken
- Politik setzt auf Verhandlungen
Die Nordsee-Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 06.03.2009, alle 6 Angebote, die von den Baufirmen eingereicht wurden, seien teurer als die von der Stadt angesetzten 14,3 Millionen Euro. Inklusive des Grundstücks seien sogar 18 Millionen Euro kalkuliert worden. Bei Sichtung der Angebote habe die Wirtschaftsförderungsgesellschaft BIS, die das Verfahren betreue, festgestellt, dass selbst der günstigste Anbieter 4,2 Millionen Euro mehr haben wolle.
Sollte so ein blödes, wirtschaftlich orientiertes Bauunternehmen sich etwa über die geniale Kalkulation der Großen Koalition von Bremerhaven hinwegsetzen wollen ...
"Hallo?", fragt sich Otto Normalverbraucher, "Habe ich das gerade richtig verstanden? Die feiern eine Baustellenparty, beginnen schon einmal mit den Erdarbeiten auf dem Grundstück, wissen aber noch gar nicht, was die Baufirma für den Bau des "Häuschens" verlangen wird?
Das Gerede seitens der Vertretung der SPD in der Nordsee-Zeitung über "jede Menge Nebenangebote", die erst gründlich zu prüfen seien, und der Verweis des Vertreters der CDU auf die Möglichkeit, mit den Anbietern in Verhandlungen eintreten zu können, sowie das starrköpfige Festhalten am Eröffungstermin Mitte 2010, welches für Kostenverhandlungen nicht gerade viel Spielraum lassen wird, klingen in Anbetracht der ganzen Vorgeschichte in Otto Normalverbraucher's Ohren jedenfalls auch nicht gerade sehr überzeugend.
Und wer muss das ganze Debakel nachher überhaupt bezahlen? Die Politiker etwa, die den Bau des "Häuschen" vollmundig versprochen haben, ohne dabei an die auf die Stadt zukommenden Kosten zu denken? Nee - Die nun gerade nicht. Die Finanzierung bleibt natürlich einmal wieder an Otto Normalverbraucher hängen. Erst werden seine Steuern für ein "Häuschen" verschwendet, dass er selbst nie gebaut hätte, weil er sich das niemals hätte leisten können, und dann kann er sich andere, aus seiner Sicht sinnvollere oder wichtigere Dinge nicht mehr leisten, weil seine zukünftigen Steuern von den Politikern der Großen Koalition schon für den Schuldenabtrag verplant worden sind.
Arbeiten zur Umgestaltung des Eingangs zum Stadtpark Lehe
Der Umbau seines Gartens zum Beispiel, der mit 650000 Euro erheblich weniger als das "Häuschen" des Sportvereins kosten würde, wird auf lange Sicht nicht erfolgen können. Was schert die Politiker heute ihr Geschwätz von gestern. Dem Otto Normalverbraucher wird zwar schon seit langem die Verschönerung seines Gartens versprochen, aber der gute Otto wird ja im Gegensatz zu dem Sportverein nie auch nur im entferntesten die Chance haben, in eine höhere Liga aufzusteigen. Deshalb wird Otto Normalverbraucher wohl noch lange auf seinen neu gestalteten Garten warten müssen. Jetzt reicht es - dem Konjunkturpaket-II der Bundesregierung sei Dank - gerade einmal für eine neue Gartenpforte.
Jedenfalls hätte Otto Normalverbraucher in seinem neuen "Häuschen" zumindest auf einen Fußboden aus Eis verzichtet, und dafür die Räume mit PVC oder bestenfalls vielleicht mit Linoleum ausgelegt. Aber da man auf PVC nicht gerade besonders gut Eishockey Spiele austragen kann, hätte Otto Normalverbraucher mit Sicherheit ganz auf das schöne neue "Häuschen" verzichtet, und hätte statt dessen lieber weiter in der vorhandenen Eishalle zwischen Stadthalle und Saarpark Eishockey gespielt. Und wenn er nicht gerade mit Eishockey beschäftigt gewesen wäre, hätte Otto Normalverbraucher sich im schönen, neu angelegten Stadtpark Lehe erholen können. Aber man muss ja bescheiden sein: Die Umgestaltung der Eingangsbereiche zum Park ist wenigstens schon einmal ein erster Anfang ...
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