Dienstag, 17. März 2009

Ansiedlungswahn



Einkaufszentrum im Bremerhavener Stadtteil Leherheide

Am Wochenende haben wir uns mit einigen Musikern der Singgemeinschaft "Querbeet" in Leherheide getroffen, um die Instrumentalbegleitung für ein neues Lied auszuarbeiten. Vorher hatte ich noch etwas Zeit, und bin nach längerer Zeit wieder einmal durch das Einkaufszentrum an der Hans-Böckler-Straße, Ecke Louise-Schröder-Straße gegangen. Dort bot sich mir ein trostloser Anblick. Der größte Teil der Läden steht leer.



Die Lukaskirche am Julius-Leber-Platz in Leherheide

Statt dafür zu sorgen, dass die leerstehenden Ladenräume wieder belegt werden, beabsichtigt die Große Koalition die Ansiedlung eines Aldi Discounters auf dem Julius-Leber-Platz, auf dem seit Jahrzehnten der Wochenmarkt beheimatet ist. Außerdem wird der Platz als Parkraum für die Besucher des Einkaufszentrums und der Lukaskirche genutzt. Die Evangelische Kirche plant zwar die Schließung der Lukaskirche, aber wenn der bisherige Kirchenraum nach einem Verkauf der Gebäude in Zukunft z.B. als Veranstaltungssaal genutzt werden soll, dann wird dort auch weiterhin ein nahegelegener und ausreichend dimensionierter Parkplatz benötigt werden.



Grünanlage beim Einkaufszentrum an der Hans-Böckler-Straße

Nach den Plänen der Großen Koalition soll der Wochenmarkt in die Grünanlage auf der gegenüberliegenden Seite der Hans-Böckler-Straße umziehen. Das wird meiner Ansicht nach erstens zu Lasten der Grünanlage mit dem alten Baumbestand gehen, und zweitens zu einer weiteren Schrumpfung des Leherheider Wochenmarktes führen.


Ganz in der Nähe des Einkaufszentrums, an der Wilhelm-Leuschner-Straße wurden in der jüngeren Vergangenheit bereits Discounter angesiedelt, die es heute schon nicht mehr gibt. In Bremerhaven kann man an vielen Stellen leerstehende Verkaufshallen ehemaliger Aldi, Lidl & Co Discountmärkte sehen, die nach wenigen Jahren in neue Gebäude, mehr oder weniger in der Nähe, umgezogen sind. Ich habe leider keine Ahnung, welchen Grund es dafür gibt, aber ich weiß, dass diese "Geschäftspolitik" sich schädlich auf das Bremerhavener Stadtbild und das Umfeld der leerstehenden Verkaufshallen auswirkt. Außerdem wird das auf kleinem Raum konzentrierte Überangebot an Billiganbietern auch nicht ganz unschuldig an den massiven Leerständen im Einkaufszentrum an der Hans-Böckler-Straße sein.


IHK fordert Einzelhandelskonzept

Zu der Situation im Leherheider Einkaufszentrum passt auch ein Artikel in der Nordsee-Zeitung vom 14.03.2009, der darüber berichtet, dass die Industrie- und Handelskammer (IHK) zum wiederholten Mal den "Ansiedlungswahn für Discounter und Fachmarktzentren" kritisiert. Vor weiteren An- und Umsiedlungen fordert die IHK ein Einzelhandelskonzept für die gesamte Stadt. Herr Schulze-Aissen (IHK, Vizepräsident und Sprecher des Handelsausschusses) meint, eine unkontrollierte Einzelhandelspolitik sei weder für den Wettbewerb noch für das Gewerbesteueraufkommen zu verantworten. Die Kaufmannschaft fordere die Politik und den Magistrat nachdrücklich auf, ein Einzelhandelsentwicklungskonzept zur Grundlage weiterer Ansiedlungsentscheidungen zu machen. Bereits im Jahre 2007 hatte die IHK der Großen Koalition vorgeschlagen, gemeinsam ein Gutachten als Basis für die Planung eines solchen Einzelhandelsentwicklungskonzepts in Auftrag zu geben.

Der Großen Koalition hingegen fällt nichts besseres ein, als den weiteren Wildwuchs von Discountern, Baumärkten, Super- und Fachmärkten zu fördern beziehungsweise tatenlos hinzunehmen. Leherheide wird mit einem neuen Aldi beglückt, der Hafenstraße soll mit einer Kaufland-Ansiedlung auf dem Phillips-Field, einem Fachmarktzentrum an der Geeste und einem Baumarkt auf dem Wilhelm-Kaisen-Platz endgültig der Garaus gemacht werden, Wulsdorf leidet unter den Märkten im Gewerbegebiet Bohmsiel und auch in Geestemünde sind bereits die ersten Verfallserscheinungen in Form von leerstehenden Geschäften zu entdecken.
  • Ich frage mich seit langem, wer von diesem politisch geförderten Verdrängungswettbewerb, der unter anderem auch zulasten tariflich bezahlter Arbeitsplätze und der Existenz von alteingesessenen Familienunternehmen geht, einen Vorteil hat.

3 Kommentare:

juwi hat gesagt…

Lieber "Anonym",

um faire Diskussionen zu gewährleisten, veröffentliche ich keine Kommentare ohne "Identität" in Form einer E-Mail-Adresse, einem Namen oder zumindest einem Nicknamen (siehe Hinweis über dem Kommentar-Eingabefeld). Wenn mehrere Leser einen Kommentar als "Anonym" zu einem Kommentar abgeben, und der eine dem andern antworten möchte, dann weiß am Ende niemand, wer da mit wem spricht.

Deinen Kommentar vom 17.03.2009 um 18:13 Uhr mit der Einleitung ("Oh, das kenne ich auch noch. Als Kind bin ich mehrmals die Woche ...") habe ich deshalb nicht veröffentlicht. Ich würde mich freuen, wenn du deinen Kommentar noch einmal, zumindest mit einem Nicknamen (Fantasie-Name) "unterzeichtet", abschicken würdest. Ich hoffe, du hast dafür Verständnis.

Übrigens: Die Zweigstelle der Stadtbibliothek in Leherheide gibt es noch. Ich vermute, du wohnst nicht mehr in Bremerhaven?

juwi

Der Geestendorfer hat gesagt…

Hallo Jürgen,

es ist wirklich schade, dass so ein Einkaufszentrum verkommt. Als Geestemünder fahre ich nur selten nach Leherheide. Aber einmal im Jahr, und zwar im Januar/Februar parke ich auf dem Julius-Leber-Platz, um im Gemeindehaus der Lukaskirche das neueste Programm des Kabaretts "Die Müllfischer" anzuschauen. Wenn der Julius-Leber-Platz und die Lukaskirche verschwinden, würde ich mich sehr ärgern.

In unserer Stadt kann wahrscheinlich jeder Discounter mit Billigung des Magistrats seine Märkte wie Schachfiguren hin- und herschieben. Und das tollste ist: es kommen noch mehr Filialen dazu. Hat die Bremerhavener Bevölkerung so viel Kaufkraft bei dieser hohen Arbeitslosigkeit? Aber ich komme wahrscheinlich vom Thema ab.

Tschüß
Holger

juwi hat gesagt…

Nee, Holger,

da bist du mitten drin im Thema. Ich weise bei jeder Gelegenheit darauf hin, dass ich mein Geld nur einmal ausgeben kann. Mehr Geschäfte und längere Öffnungszeiten werden an dieser Tatsache mit Sicherheit nichts ändern.

Selbst die Innenstadt von Bremerhaven-Mitte könnte in den überall zu beobachtenden Leerstandssog hineingezogen werden. Karstadt hat aufgrund des Ansiedlungschaos in Bremerhaven Ende letzen Jahres seine Filiale im Columbus Center zur Disposition gestellt. Wenn Bremerhaven seine Gäste irgendwann ab 2010 direkt an der Verbindungsbrücke zwischen Havenwelten und Columbus-Center mit einem leerstehenden Kaufhaus in dieser Größenordnung empfangen muss, und die Touristen dann in aller Welt davon erzählen, dass Bremerhaven in manchen Gegenden den Anblick einer Geisterstadt erweckt, dann werden wir uns bei der jetzigen Großen Koalition, insbesondere bei der CDU, dafür bedanken dürfen.

Gruß,
juwi

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