Auf der Titelseite des Sonntagsjournals der Nordsee-Zeitung war am 12.12.2010 unter der Schlagzeile "Furioses Finale in Cancún" zu lesen, der UN-Klimagipfel in Cancún (Mexiko) habe gegen den erbitterten Widerstand Boliviens ein überraschend umfangreiches Klimaschutzpacket verabschiedet. Erstmals sei das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, verbindlich bestätigt worden.
Es ist wohl wahr, dass bei den Verhandlungen der Weltklimakonferenz der UNO in Cancún bedeutend mehr herausgekommen ist, als man in Anbetracht der vorhergehenden, alles andere als hoffnungserweckenden Erklärungen und Ereignisse hätte erwarten können. Aber der große Wurf, den das Sonntagsjournal da hinein interpretiert, ist das Ergebnis der Weltklimakonferenz von Cancún nun auch wieder nicht.
Das "maximal plus 2 Grad" Limit ist kein Ziel, dass angestrebt werden muss, sondern die äußerste Grenze, die nach den aktuellen Rechenmodellen keinesfalls überschritten werden darf. Was aber wird passieren, wenn aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und differenzierterer Rechenmodelle festgestellt werden sollte, dass es vielleicht nur ein Grad mehr sein dürfte, bevor die ersten Klima-Kipppunkte überschritten werden? Dann gäbe es keinerlei Handlungsreserve mehr! Die physikalischen und chemischen Prozesse in der Atmosphäre ließen sich nicht mehr aufhalten und die schlimmsten zu befürchtenden Auswirkungen der Klimakatastrophe würden eintreten.
Außerdem hätte schon vor mindestens zwei Jahren - also bereits vor dem Klimagipfel in Kopenhagen - Konsens über die Notwendigkeit eines weltweit koordinierten Vorgehens der Weltgemeinschaft bestehen, und erste konkrete Maßnahmen eingeleitet werden müssen. Davon ist die Menschheit jedoch noch weit entfernt - zu weit, fürchte ich. Jetzt hat man sich erst einmal darauf verständigt, sich im nächsten Dezember auf konkrete Maßnahmen zu verständigen. Es gibt aber keine Garantie dafür, dass es auch tatsächlich dazu kommen wird.
Die Zeit drängt
Wenn jetzt die Fortführung des Kyotoprotokolls verabschiedet wurde, das die USA, die zu den schlimmsten Klimasündern gehören, bezeichnenderweise nie unterzeichnet haben, dann bedeutet das nichts anderes als die Einigung auf Klimaschutzziele auf einem viel zu geringen Level. Das Abkommen über die Klimaziele der USA und der Entwicklungsländer könnte aus meiner Sicht viel zu spät greifen, denn erst ab 2020 sollen jährlich 100 Milliarden US-Dollar zur Abfederung des Klimawandels in den Entwicklungsländern und zum Schutz der Regenwälder zur Verfügung gestellt werden.
Wenn im nächsten Dezember 2011 in Durban (Südafrika) die nächste Weltklimakonferenz stattfinden wird, dann werden bereits zwei Jahre seit dem Desaster von Kopenhagen vergangen sein, ohne dass entscheidende Fortschritte erzielt worden wären. Und es werden vier Jahre seit der Veröffentlichung des entscheidenenden UN-Klimaberichts der IPCC verstrichen sein, in welchem der Menschheit noch maximal 13 Jahre Zeit eingeräumt werden, in der noch die Chance besteht, Maßnahmen zur Stabilisation des Klimawandels abarbeiten zu können. Von diesem alles entscheidenden Zeitfenster werden dann nur noch 9 Jahre übrig sein. Wenn im Jahre 2020 - am Ende des von der IPCC prognostizierten dreizehnjährigen Handlungszeitraums - keine entscheidenden Fortschritte gegen den Klimawandel erzielt worden sein sollten, dann wird es zu spät zum Handeln sein!
Je länger es noch dauert, bis es zu verbindlichen Absprachen kommt, desto drastischer werden die Klimaschutz-Maßnahmen ausfallen müssen, wenn wir unseren Kindern und Kindeskindern noch einen bewohnbaren Planeten hinterlassen wollen. Je drastischer die notwendigen Maßnahmen aber ausfallen müssen, desto weniger werden die Lobbys der Konzerne und ihre politischen Handlanger bereit sein, sich darauf einzulassen.
Größere Anstrengungen sind notwendig
Herr Steiner (Chef des Uno-Umweltprogramms Unep) machte klar, dass der der Höhepunkt der Treibhausgas-Emissionen sehr schnell erreicht sein und dann sinken muss, damit das Leben auf der Erde noch vor den schlimmsten Risiken der Klimaerwärmung bewahrt werden kann. Auch wenn die Staaten ihre Emissionen in dem Maße reduzieren, wie sie es jetzt angekündigt haben, würde das noch lange nicht zu einer ausgeglichenen Treibhausgasbalance führen. Es würden nämlich in den kommenden Jahren immer noch jährlich fünf bis zehn Milliarden Tonnen Kohlendioxid mehr in die Atmosphäre gelangen, als die Natur in Ozeanen, Böden und Pflanzen wieder aufnehmen kann. Die Gase bleiben in der Atmosphäre und tragen zusätzlich zur aktuellen Treibhausgaskonzentration zur Klimaerwärmung bei. Anstelle des angestrebten Maximums von "plus 2 Grad" drohe ein Anstieg der mittleren globalen Temperatur um 2,5 bis 5 Grad Celsius.
Bezüglich der CO2-Konzentration in der Atmosphäre bedeutet das die notwendige Verringerung von derzeit nahezu 390 ppm auf maximal 350 ppm. Das ist die maximale Konzentration, die Wissenschaftler für gerade noch vertretbar halten. Die unverbindliche Erklärung Deutschlands aus dem Jahre 2007, man strebe eine Verminderung der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 an, die nach aktuellen Erkenntnissen anhand der bisherigen Entwicklung aber nicht erreichbar sein wird, ist beispielsweise keinesfalls ausreichend.
Sollte es der Menschheit nicht schnell genug gelingen, auf einen Wert von unter 350 ppm zurückkehren, dann riskiert sie, dass Entwicklungen eintreten werden, deren Folgen unumkehrbar sind. Zu den drohenden Gefahren gehören z.B. das Schmelzen des Grönlandeises oder größere Methan-Emissionen aufgrund des verstärkten Schmelzens der Permafrostböden in den Polaregionen der Kontinente.
Mir fehlt jedes Verständnis dafür, dass sich die Weltgemeinschaft immer noch so viel Zeil lässt. Schließlich geht es um die Zukunft der Lebensbedingungen auf unserem gemeinsamen Planeten, so wie wir sie kennen, und wie schon unsere Vorfahren sie kannten. Es geht um den Kampf der Menschheit um ihr Überleben, um die Sicherung der Zukunft aller noch folgenden Generationen - weltweit.
Aber schon vor einem Jahr wurde deutlich, dass es einigen Staaten immer noch vorrangig um wirtschaftliche Interessen geht. US-amerikanische Konzerne mit Einfluss auf die Republikaner in den USA, deren Interessen sich gegen die Bestrebungene Herrn Obamas (USA, Präsident) richteten und die politischen Machthaber Chinas spielten dabei eine wichtige Rolle. In den Industriestaaten hintertreiben mächtige Lobbys weltweit miteinander vernetzter Konzerne die Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel, denen die Maximierung ihres Kapitals wichtiger ist, als die Zukunft der Erde. Deren Handeln entspricht dem Motto: "Nach uns die Sintflut! Hauptsache die Gewinne und Bilanzen stimmen."
Was bleibt, ist die Hoffnung
Vor diesem Hintergrund kann man über den Widerstand Boliviens gegen das in Cancún verabschiedete Klimapaket ja denken was man will. Aber wenn Herr Solón (Bolivien, Delegationsleiter) den begründeten Einwand erhebt, die jetzt in Mexiko beschlossenen Entwürfe seien zu schwach, um die Erderwärmung ausreichend zu begrenzen, dann gebe ich ihm recht!
In einem Online-Artikel vom 12.12.2010 vergleicht der "Stern" das Ergebnis der Klimakonferenz mit einem neuen Gefäß, dass Risse habe und brechen könne und das noch fast leer sei. Die Staatengemeinschaft habe in Mexiko gerade einmal den Boden bedeckt. Im letzten Absatz des Artikels im Sonntagsjournal hieß es, die internationale Umweltschutzorganisation "Greenpeace" habe von einem "Zeichen der Hoffnung" gesprochen. Genau das ist aus meiner Sicht das Ergebnis der UN-Klimakonferenz 2010:
Ein Zeichen der Hoffnung - mehr nicht!
(Quellen: NZ-Sonntagsjournal vom 12.12.2010, Stern vom 12.12.2010, Spiegel Artikel 1 und Artikel 2 vom 11.12.2010, Zeit online vom 10.02.2010, 350.org)
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