Sonntag, 14. November 2010

Sperrung der Bremer Häfen für Atombrennstoffe

Atomkraft? Nein Danke!Die Bremische Bürgerschaft hat den Senat mit mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken aufgefordert die Häfen des Landes Bremen für den Transport von Brennstoffen und deren Abfallprodukten für Atomkraftwerke zu sperren. Herr Mündelein (Nordsee-Zeitung) stellte Herrn Tschöpe (SPD, Bremen, Vorsitzender der Bürgerschaftsfraktion) diesbezüglich im Rahmen eines Interviews, das am 11. November in der Nordsee-Zeitung abgedruckt war, unter anderem folgende Fragen:
  • Sie fordern mit Ihrem Antrag den Senat auf, die Häfen für Atomtransporte zu sperren. Stellen Sie damit den Universalhafen in Frage?
  • Wieso bedroht so ein Castor-Transport den Hafen?
  • Gefährdet die Debatte um die Sicherheit von Castor-Transporten im Hafen nicht die aufwendigen Bemühungen, den beim Thema Sicherheit sehr sensiblen Amerikanern Bremerhaven als sicheren Ausgangshafen in Richtung USA zu präsentieren? Immerhin leben wir vom Umschlag mit den USA.
  • Es gehen jedes Jahr etliche Atomtransporte durch die Häfen, meist radioaktiver Abfall aus Forschungsinstituten und Krankenhäusern. Die wollen Sie nicht verbieten?
  • Mit welchen Reaktionen aus der Hafenwirtschaft rechnen Sie, wenn Sie Ihren Antrag in der Bürgerschaft durchbringen?

Ich weiß ja nicht, wie es anderen geht, aber mir erscheint es offensichtlich, dass es Herrn Mündelein einzig und allein darum geht, dass "das Geschäft im Hafen brummt"- ganz egal um welchen Preis.

Anhand meiner Beobachtung der Entwicklungen und Veränderungen in den Häfen in Bremerhaven und  von Informationen aus der Presse und anderen Medien weiß ich, dass es eine harte Konkurenz unter den Häfen an den Küsten von Nord- und Ostsee gibt. Das wurde auch in der Antwort Herrn Tschöpes auf die Frage Herrn Mündeleins nach der Zukunft des Universalhafens deutlich. In seiner Fragestellung unterstellte Herr Mündelein Herrn Tschöpe unterschwellig, er gefährde mit der Sperrung der bremischen Häfen für den Transport von Atombrennstoffen die gesamte Bremer Hafenwirtschaft. Herr Tschöpe stellte daher fest, die Frage zum Universalhafen müsse anders gestellt werden und sagte: "Wer den Universalhafen schützen will, der muss sich gegen den Transport von Kernbrennstoffen wenden."

Herr Tschöpe bat Herrn Mündelein einmal darüber nachzudenken, wie der Universalhafen Bremerhaven noch funktionieren würde, wenn sich 3000 friedliche Demonstranten auf der Cherbourger Straße (Hauptzufahrt von der Autobahn zum Überseehafengebiet) zur Sitzblockade versammeln würden, Greenpeace Bierlaster vor jedes Zolltor stellen würde und wenn dann auch noch "Trittbrett fahrende Marodeure" über das Autoterminal ziehen würden: "Das beeinträchtigt die Funktionsfähigkeit des Hafens ganz enorm. Wir stehen zum Universalhafen, und er ist nur zu schützen, wenn wir den Transport von Kernbrennstoffen verhindern."

Als Folge des Terror-Angriffs auf das World-Trade-Center in New York haben die USA weltweit dafür gesorgt, dass US-amerikanische Waren nur noch in Häfen umgeschlagen werden, die den von ihnen vorgegebenen Sicherheitsstandards entsprechen. Um auch weiterhin im Geschäft zu bleiben, war das Land Bremen daher gezwungen, diese Sicherheitsstandards auch in den bremischen Häfen einzuführen. Darauf spielte Herr Mündelein an, als er in seiner Fragestellung feststellte: "Immerhin leben wir vom Umschlag mit den USA.", und in diesem Zusammenhang unterstellte, die Debatte um die Sicherheit von Castor-Transporten im Hafen gefährde die aufwändigen Bemühungen, die USA von der Sicherheit der Häfen in Bremerhaven zu überzeugen.

Herr Tschöpe stellte in seiner Antwort klar, dass Bremerhaven und Bremen mit der gleichen Situation fertig werden müssten, mit der das Wendland vor und während des vergangenen Castor Transports konfrontiert war, und verwies auf den massiven  Polizeieinsatz, der notwendig war, um die "unsinnige Klientelentscheidung" gegen den Willen der Bürger durchzusetzten. Er stellte weiterhin fest: "Wir können die Sicherheit gewährleisten, solange keine Kernbrennstoffe verladen werden müssen." Der Castor Transport habe vier Tage gedauert. Würden Proteste und Polizeieinsätze den Betrieb in den Häfen für vier Tage zum Stillstand bringen, dann würden die Kunden sich wahrscheinlich überlegen, ob Bremerhaven noch der geeignete Hafen ist.

Herr Tschöpe wies darauf hin, dass es infolge der Laufzeitverlängerung auch über Bremerhaven vermehrt zu regelmäßigen Transporten kommen werde. Er stellte Herrn Mündelein gegenüber klar, das geforderte Transportverbot beziehe sich ausschließlich auf Atombrennstoffe, also auf alles "mit dem im Atomkraftwerk Strom erzeugt wird:  "... Ich gehe davon aus, dass jeder, der einigermaßen betriebswirtschaftlich rechnen kann, erkennt: Welche Brosamen bekommt er vom Tisch der Atomwirtschaft für die Durchführung eines Transports, und inwieweit legt er mit dem Transport die Säge an den Ast, auf dem wir alle wirtschaftlich sitzen? Ich glaube, er wird bei dieser Rechnung auf den Transport gern verzichten."


Würden sich wichtige Stammkunden der Häfen in Bremerhaven infolge mehrtägiger Blockaden aufgrund von Atombrennstoff Transporten anders orientieren, dann wäre das der Super-GAU für die Hafenwirtschaft des Landes Bremen. Nicht nur deshalb hoffe ich, dass der Antrag, die Häfen für den Transport von Atombrennstoffen für Atomkraftwerke zu sperren, eine breite Mehrheit finden wird. Stimmen aus privaten Hafenbetrieben, die um den freiwilligen Verzicht auf den Umschlag von Atombrennstoffen gebeten wurden, geben diesbezüglich derzeit allerdings wenig Grund zur Hoffnung.

Aktuell hat Bremerhaven allerdings erst einmal dem Transport von 18 Castor-Behältern mit Brennstäben aus dem ehemaligen DDR-Forschungsreaktor in Rossendorf eine Absage erteilt. Nachdem daraufhin die Wahl der "Atomspediteure" auf Hamburg fiel, droht nach Angaben von contratom der Transport der Castoren mit ihrem hochradioaktiven Inhalt durch die freie Hansestadt. Hamburger Atomkraftgegner hätten bereits ihren Protest dagegen angekündigt. Aber auch der Hamburger Senat will den Atommülltransport via Hamburg nach Russland keinesfalls dulden ...

Sollte Bremens Senat dem Beschuss der Bürgerschaft zustimmen, und seine Häfen  für den Transport von Atombrennstoffen sperren, dann befindet sich Bremen in guter Gesellschaft. Bereits am Am 27. September 1990 sperrte Lübeck seinen Hafen für Atomtransporte. Auf Beschluss der Lübecker Bürgerschaft wurde er teilentwidmet.

Am 01.11.2010 sprach sich die Greifswalder Bürgerschaft dafür aus, keinen Atommüll in Lubmin aufzunehmen, der nicht aus den früheren Kraftwerken Lubmin und Rheinsberg stammt. Ohnehin war das im Jahre 1999 in Betrieb genommene Atommüll-"Zwischen"-Lager ursprünglich nur für ostdeutschen Atommüll gedacht gewesen. Nach Angaben der "Energiewerke Nord" (EWN, Betreiber des Atommülllagers) sei der Weg für die Einlagerung radioaktiven Mülls aus westdeutschen Forschungseinrichtungen  erst  im Jahr 2004 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung fei gemacht worden. Dazu gibt es auch einen recht aufschlussreichen Artikel im NordOstUniversum.


(Quelle: HL vom 17.10.2010, Schweriner Volkszeitung vom 25.10.2010, Ostseezeitung vom 02.11.2010, Nordsee-Zeitung vom 11.11.2010, TAZ vom 11.11.2010, Spiegel vom 12.11.2010, Yahoo News vom 12.10.2010, contratom vom 13.11.2010, NordOstUniversum)

3 Kommentare:

Frau Momo hat gesagt…

Tja, wenn Hamburg No sagt, Bremerhaven auch..... mehr große Häfen haben wir dann wohl nicht. Aber ich bin sicher, denen fällt was ein, wie sie eine der beiden Städte zwingen können.... es bleibt spannend.

juwi hat gesagt…

@Frau Momo: Keine Ahnung welche Anforderungen für einen Castor-Umschlag an die Größe des Hafens gestellt werden, aber im Gespräch waren an der Nordseeküste auch schon einmal Wilhelmshaven, Emden, Nordenham und Cuxhaven. Und dann gäbe es ja auch noch die Häfen an der Ostsee, die allerdings einen längeren Transport über Land zur Folge hätten - was für potentielle Sitzblockaden aber auch von Vorteil sein könnte :)

Der Geestendorfer hat gesagt…

Hallo Jürgen,

tja, das ist so ein Kreuz mit der Atomenergie. Das der Bremer Senat die Atomtransporte über Bremische Häfen stoppen will, ist richtig. Das schadet unserem Hafen bestimmt nicht. Außerdem musste der Reporter Mündelein solche hinterhältige Fragen stellen, sonst wäre er nicht ein so "guter" Reporter. Aber wo soll dieser ganze Atommüll, den Deutschland seit Kriegsende zwei schon produziert hat, bleiben?

Aber es ist auch wichtig, das mehr alternative Energiequellen eingesetzt wird. Der Kirchenvorstand der Christuskirche in Bremerhaven hat heute seiner Gemeinde den Bau eines Blockheizkraftwerkes vorgestellt. Es wird im nächsten Monat in Betrieb gehen. Ich habe darüber einen kleinen Bericht in meinem Blog geschrieben.

Hoffentlich wird diese Regierung in Berlin in drei Jahren wieder abgewählt, damit dieser Ausstieg aus dem Atomausstieg rückgängig gemacht wird.

Gruß
Holger

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