Dienstag, 23. November 2010

Keine Panik

FriedenstaubeAm 21.11.2010 schrieb Herr Yogeshwar (Moderator, Wissenschaftsjournalist) in einem Artikel in der TAZ über seine Erlebnisse während seines Aufenthalts in Hamburg, der zufällig in die Zeit der Tagung der Innenminister der Bundesländer und der Warungen vor einem Anschlag des internationalen Terrorismus in Deutschland fiel, und der ihn zudem auch noch in das gleiche Hotel geführt hatte, in dem die Tagung stattfand.

Er schrieb, in der Wissenschaft müsse man Phänomene verifizieren, und solange dieses nicht geschehe, fehle der endgültige Beweis, dass aber in der Welt des Terrors anscheinend andere Regeln herrschen würden. Nach meinem Verständnis wäre der endgültige Beweis für eine real bestehende Terrorgefahr allerdings nichts weniger, als ein "erfolgreich" ausgeführter Terroranschlag. Auf einen solchen Beweis können wir alle wohl gut verzichten. Solange endgültige Beweise fehlen, greifen Wissenschaftler zuweilen auf statistische Wahrscheinlichkeiten zurück. So schreibt auch Herr Yageshwar, in Deutschland sei es wahrscheinlicher, durch einen Verkehrsunfall oder durch den Biss eines Hundes zu Schaden zu kommen, als durch einen Terroranschlag.

Nach meiner Erfahrung sind derartige Betrachtungen allerdings bestenfalls dazu der Lage, uns eine trügerische Sicherheit vorzugaukeln. Ich erinnere mich, dass es vor 1986 immer hieß, die sowjetischen Atomkraftwerke seien so sicher, wie die deutschen, und die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Super-GAU ereignen könne, liege bei einmal in einer Million Jahre. Dass der Super-GAU nicht bis zum Ablauf des genannten Zeitraumes auf sich warten lassen hat, dürfte inzwischen hinlänglich bekannt sein. Zu unserem Glück kam es dazu nicht mitten in Deutschland, und Tschernobyl ist weit genug entfernt, so dass sich die Strahlenschäden durch den radioaktiven Fallout hierzulande noch in Grenzen halten ...


Zweifel

Trotzdem sehe ich es ähnlich wie es in den Kommentaren zu meinem Artikel "Die unsichtbare Bedrohung" vom 19.11.2010 zum Ausdruck kommt: Mit Angst lasse sich viel erreichen... Die derzeitige Mobilmachung gegen Terrorismus sei eher vorgeschoben... Wachsamkeit sei allerdings geboten, da diese Terrorszenarien ganz wunderbar von anderen wichtigen Themen bei uns ablenken... - Auch ich hatte ja schon über meinen Eindruck geschrieben, dass die Aktivitäten der Terroristen dafür ausgenutzt werden, die Machtbestrebungen von Parteien und Politikern zu fördern.

Totale Überwachung, Beschränkung der bürgerlichen Freiheiten, Vorratsdatenspeicherung: All das kann uns ebensowenig vor einem hinterhältig ausgeführten Terroranschlag schützen, wie das riesiges Aufgebot an Sicherheitskräften, das Herr Yogeshwar beschreibt, die Innenminister davor schützen kann. Wäre mit hoher Wahscheinlichkeit mit einem Terroranschlag auf die Teilnehmer einer Tagung zu rechnen, dann wäre es mit Sicht auf den Schutz der Bevölkerung außerdem unverantwortlich, diese Tagung mitten im Zentrum einer Großstadt wie Hamburg abzuhalten. Für mich ist das daher eher ein Indiz dafür, dass es für die Tagung der Innenminister keine konkrete Gefährdung gab.


Vogel Strauß ist keine Lösung

Ich halte es aber auch weiterhin nicht für ausgeschlossen, dass Deutschland zum Ziel des internationalen Terrorismus werden könnte. Ich verfalle deswegen jedoch nicht in Panik und es liegt mir fern, mich an der Hysterie der Regenbogenpresse zu beteiligen. Es nützt aber auch nichts, nach Art des Vogels Strauß den Kopf in den Sand zu stecken, und so zu tun, als sei der internationale Terrorismus nur ein modernes Fantasy Märchen.

Von einer Bundesregierung, deren Minsiter geschworen haben, sie würden 'ihre ganze Kraft dem Wohl des Deutschen Volkes widmen und Schaden von ihm wenden', erwarte ich, dass sie durch ihr Handeln nicht auch noch einen Terroranschlag in Deutschland provoziert. Statt dessen muss sich die Regierung international dafür einsetzen, die weltweiten Ursachen des Terrors zu bekämpfen. Darin sehe ich den einzig möglichen Schutz für unsere Gesellschaft, und für die Gesellschaften aller betroffenen Staaten.

Ich würde mich jedenfalls bedeutend besser fühlen, wenn ich wüsste, dass meine Steuergelder dafür verwendet werden, hungernden Menschen dazu zu verhelfen, sich wieder selbst zu ernähren und ihren Lebensstandard zu verbessern, als bei dem Gedanken daran, dass damit Waffen und eine Armee finanziert werden, die irgendwo in der Welt für den Tod irgendwelcher Menschen verantwortlich sind, die mir nie etwas angetan haben. Da jedoch weltweit Unsummen in den staatlichen Sicherheitsapparat, das Militär und die Rüstung investiert werden, fehlt das Geld für eine nachhaltige Entwicklungshilfe, mit der allein dem Terrorismus der Boden entzogen werden könnte: Wenn es allen Menschen auf der Welt gut geht, dann haben sie keinen Grund dafür, sich gegenseitig umzubringen.


Vielleicht käme es den Hardlinern in Berlin aber auch gerade recht, wenn Terroristen ein Anschlag in Deutschland gelänge. Dann hätten sie endlich ihren Vorwand für ihre repressiven Gesetze und für weltweite Militäreinsätze "zur Wahrung unserer wirtschaftlichen Interessen". Besonders symbolträchtig wäre es da doch, wenn es den Reichstag in Berlin träfe. Die Zeitungen versuchten in den vergangenenen Tagen jedenfalls, sich mit Spekulationen über den durch einen Terrorakt gefährdeten Reichstag gegenseitig zu übertrumpfen.

Solange aber die Sitzungen des Bundestags noch im Reichstagsgebäude stattfinden, wird es sich mit der Sicherheitslage dort wohl ähnlich verhalten, wie bei der Tagung der Innenminister in dem Hamburger Hotel. Sollten die Sitzungen eines Tages allerdings in den dann eigens dafür zu reaktivierenden Regierungsbunker bei Ahrweiler verlegt werden, dann würde ich mir wohl doch schon so meine Gedanken machen ...


(Quelle: TAZ, Ranga Yogeshwar - "Der Terror ist da, das Müsli ist alle")

2 Kommentare:

Helmut hat gesagt…

ANGST ist Macht und ein schlechter Ratgeber !!! Und das dumme Volk mal wieder in Angst und Schrecken versetzt werden, damit endlich die Gesetze verschärft werden KÖNNEN !!! Big Brother is watching you. Nur 3 mal so scharf wie es sich der 1984 Autor vorgestellt hat.
Ich sage NUR: wehret den Anfängen.

Salut
Helmut

Frau Momo hat gesagt…

Den Artikel hab ich auch gelesen und fand ihn ziemlich gut und lesenswert. Solange wir meinen, wieder überall mitmischen zu müssen, halte ich einen Terroranschlag auch für möglich, aber ich denke auch, das diese "Gefährdungslage" den Regierenden ganz gelegen kommt, lenkt sie doch so schön von den ganzen anderen Katastrophen dieser Regierung ab. Als da wären die erneute Staatsverschuldung, die zweithöchste in der Geschichte der Republik, die Pflegeversicherung, die Atomlaufzeiten und vieles mehr.
Wir suchen trotzdem schon mal die warme Unterwäsche für Lubmin raus :-)

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