Dienstag, 23. März 2010

China zensiert die Welt

Vor und während der Olympischen Spiele 2008 in Peking hatten Chinas Machthaber versucht, ihre in China praktizierte Zensur auf die gesamte Welt auszudehnen. Fernsehreporter sollten die prächtigen Olympia-Neubauten in der Stadt zeigen, aber nicht die Trümmer der historischen Stadtviertel, den Hutongs, die dafür abgerissen wurden. Sie sollten der Welt die makellose Schönheit ihrer in Peking versammelten Sportelite präsentieren, aber nicht die aus ihren Häusern vertriebenen Bürger Pekings. Die Welt sollte strahlende Sieger auf den Podesten des Olymps sehen, aber nicht die chinesischen Verlierer, die verhaftet und durch Folter ruhiggestellt werden, wenn sie sich über Ungerechtigkeiten und Korruption im Lande beschweren. Die Welt sollte den Glanz der in Peking versammelten Welt sehen, aber nicht die Unterdrückung der Menschen in Tibet oder der Uiguren in Ost-Turkestan (der heutigen chinesischen Provinz Xingjiang) und die systematische Zerstörung derer Kulturen durch die chinesischen Besatzer. Und die Welt sollte - und soll immer noch - in China nur das sagen dürfen, was den Machthabern in Peking genehm ist. Was den kommunistischen Diktatoren nicht genehm ist, das wird zensiert!


Die Welt im Würgegriff Chinas

Wer in China und mit China Geschäfte machen will, der muss sich an die Restriktionen der Machthaber Chinas halten. Freie Meinungsäußerung ist verboten - zumindest dann, wenn es um Themen wie Umweltzerstörung, Koruption, Menschenrechte oder gezielte Unwahrheiten beziehungsweise geschönte Wahrheiten der Politpropaganda geht. Dafür, dass sie vor dem chinesischen System buckeln, profitieren die mächtigen Konzerne der Welt von billigen chinesischen Arbeitskräften, niedrigen Anforderungen an die Arbeitssicherheit, laschen Umweltauflagen etc. Dafür, dass sie sich den Repressalien des kommunistischen Systems fügen, eröffnet sich ihnen in China ein riesiger Absatzmarkt für ihre Produkte und Dienstleistungen.

Diese Lektion hatte auch Google verinnerlicht. Chinas Behörden sagten, was Google aus den Ergebnissen seiner Suchmaschine herausfiltern sollte, und Google filterte - ebenso wie auch viele seiner Mitbewerber unter den Suchmaschinendiensten, und das nicht nur in China: Denn selbstverständlich durfte auch die Welt nicht sehen, was die politischen Machthaber Chinas vor der ihr verbergen wollten. Nur so konnten - und können - sie verhindern, dass allzu viel über die Willkür ihres Beamtenapparates, die Unterdrückung des eigenen Volkes, Folter und Todesurteile etc. bekannt wurde (und wird).

Wer Informationen über Menschenrechtsverletzungen und andere Missstände im Machtbereich der Herren in Peking suchte, musste bisher auf andere Suchmaschinen, wie zum Beispiel diejenige von Amnesty International, ausweichen.


Der geläuterte Weltkonzern

Auch wenn Google sich den chinesischen Zensurauflagen lange fügte, so hatte zumindest dieser Internetkonzern seinen Willen dazuzulernen offensichtlich noch nicht völlig aufgegeben. Er setzte seinen Lernprozess fort, nachdem er selbst Opfer chinesischer Angriffe wurde. Nach einer Attacke mit einem breit angelegten Hackerangriff auf Google's Email-Dienst Ende vergangenen Jahres, der nach China zurückverfolgt worden sei, überdachte Google Anfang 2010 seine Haltung zu der von Peking verordneten Zensur, und kündigte an, Pekings Zensur-Anforderungen nicht länger befolgen zu wollen. Nach Vorwürfen Chinas, der Internetkonzern politisiere den Streit um die Zensur, werde man notfalls auch einen Rückzug aus China in Kauf nehmen.

Darauf, dass solche Überlegungen keine theoretischen Sandkastenspiele bleiben könnten, deutet die unmissverständliche Drohung der chinesischen Machthaber hin, dass Google mit ernsthaften Konsequenzen zu rechnen habe, falls der Internetkonzern die Zensurauflagen missachte. Bisher haben sie damit jedoch nichts anderes erreicht, als das Google nach diesen Erfahrungen jetzt auf seinem neuen Kurs beharrt, weltweit entschiedener gegen Zensur vorgehen zu wollen.

Seit gestern werden Besucher der chinesischen Google-Suche auf die Suchmashine für Hongkong umgeleitet, die keiner politischen Zensur unterliegt. Ebenso wie auch Macao ist die ehemalige britische Kolonie Hongkong eine Sonderverwaltungszone, in der es (noch?) einen freien Zugang zum Internet gibt.

Die Nordsee-Zeitung schreibt heute, nach der Ankündigung Google's sei der Wert der Google-Aktie zum Handelsschluss in New York um 0,45 Prozent auf 557,50 Dollar gefallen, während die von Microsoft zeitgleich zugelegt habe.


Freier Informationszugang für alle!

Auch wenn es mir eigentlich widerstrebt, mache ich in diesem Falle ausnahmsweise einmal Werbung für einen nicht gerade umumstrittenen Weltkonzern. Das sich die augenblicklichen Profiteure unter den in China vertretenen internationalen Suchmaschinen nicht lange in ihren steigenden Aktienkursen sonnen können, liegt ganz an uns Internetbenutzern. Wer anstelle der Suchmaschinen von Microsoft & Co., diejenige von Google benutzt, der kann auf diese Weise dabei helfen, dass auch die großen in China vertretenen Mitbewerber von Google ihre Haltung gegenüber den Zensurauflagen der Kommunistischen Diktatoren in China angesichts wieder fallender Aktienkurse endlich einmal gründlich überdenken, und dann entsprechend handeln.

Und was mit der IT-Branche seinen Anfang nimmt, könnte unter Umständen eine Lawine in Gang setzen, die möglicherweise auch auf Automobil-Konzerne, Spielzeug-Hersteller und vielen weitere Branchen übergreift, nach denen Chinas Machhaber ihre gierigen Finger ausstrecken. Auch wenn es bis dahin noch ein steiniger Weg sein könnte: Wenn China weiterhin an seiner Politik festhält, die Welt auszubeuten und sie gleichzeitig seiner Zensur zu unterwerfen und damit zu isolieren, dann wird der freien Welt über kurz oder lang nichts anderes übrig bleiben, als ihrerseits China zu isolieren. Anderenfalls könnte der Preis, den sie für den Verrat an ihren Idealen zu zahlen hat, ihre eigene Freiheit sein. Ohne die tatkräftige Unterstützung des kommunistischen Systems durch das Kapital mächtiger internationaler Konzerne hätte es das "chinesische Wirtschaftswunder" nie gegeben!


(Quelle: Nordsee-Zeitung vom 22.03.10)

2 Kommentare:

Elfe hat gesagt…

Hallo Juwi

Herzlichen Dank für diesen Beitrag! Möge das Verhalten von Google weltweit eine Umkehr zur Einhaltung von Menschenrechten und zur Menschlichkeit vor Profitgier sein, eine Initialzündung eben! So sei es!
Herzensgrüsse
Elfe

[Iro] hat gesagt…

Eigentlich gehöre ich zu den Usern, die Google aus ihrem Leben möglichst weit umgehen. Allerdings wirft dieser Artikel mal echt ein ganz neues Licht auf die Thematik. Danke dafür.

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