Samstag, 13. Juni 2009

Rebiya Kadeer

Rebiya Kadeer gehört dem Volk der Uiguren an. Die Uiguren sind eine muslimische Minderheit in der chinesischen Provinz Xinjiang im Nordwesten des Landes. Traditionell heißt die Provinz Xinjiang bei den Uiguren Ostturkestan.

Im Alter von 13 Jahren, sah Rebiya Kadeer mit eigenen Augen, wie Männer und Frauen aus ihrem Volk verschleppt wurden. Obwohl sie nicht wirklich begriff, was da passierte, registrierte sie, dass es etwas Schlimmes war und sie fühlte, dass auch ihre Eltern Angst hatten.

Auch ihre Familie wurde einige Zeit danach aus Altai im Norden nach Aksu im Süden von Ostturkestan vertrieben. Rebiya Kadeer fragte sich damals, wer ihr Volk beschützen und ihnen ihre Freiheit wiedergeben kann. Damals ahnte sie noch nicht, dass sie eines Tages selbst für die Rechte ihres Volkes kämpfen und leiden würde.


Die reichste Frau in China

Nachdem aus der Ehe mit ihrem ersten Mann sechs Kinder hervorgegangen waren, ließ er sich im Jahre 1976 von Rebiya Kadeer scheiden. Der leitende Angestellte einer staatlichen Bank, konnte dem Druck nicht mehr standhalten, den die Behörden wegen der kritischen Haltung seiner Frau auf ihn ausübten. Nach der Scheidung machte sie sich mit einer Wäscherei selbstständig. Später gründete sie ein Handelsunternehmen mit dem sie zu einer der reichsten Frauen in China aufstieg. Zwei Jahre nach der Scheidung von ihrem ersten Mann heiratete sie Sidik Rouzi, einen ehemaligen uigurischen Widerstandskämpfer. Das dritte ihrer Kinder aus ihrer zweiten Ehe versuchte die chinesische Behörde für Geburtenkontrolle noch nach der Geburt töten zu lassen. Zusätzlich zu ihren neun eigenen Kindern nahm sie noch zwei Adoptivkinder in ihre Obhut.

Im Laufe der Zeit wurde ihre Kritik an der chinesischen Führung immer deutlicher und sie initiierte karitative Projekte für in Not geratene Uiguren.


Nationaler Volkskongress

1992 wurde sie als Abgeordnete in den Nationalen Volkskongress berufen. Nach der brutalen Niederschlagung einer friedlichen Protestbewegung in Gulja (Xinjiang) nutzte Rebiya Kadeer ihren Posten im Nationalen Volkskongress für die Forderung, die religiöse Freiheit der Uiguren zu respektieren und die willkürlichen Verhaftungen und Exekutionen von politischen Gefangenen zu beenden.

Mit ihrer Kritik am chinesischen Staatsapparat machte Rebiya Kadeer sich bei Chinas Machthabern unbeliebt. Ihr Mann war zu diesem Zeitpunkt bereits in die USA emigriert, nachdem er zuvor seine Lehrtätigkeit an der Universität niedergelegt hatte. Er hatte unter dem Druck des Regimes nicht arbeiten können.

Auf dem Weg zu einem Treffen mit US-Kongressabgeordneten im Jahre 1999 wurde sie verhaftet und in einem geheimen Verfahren wegen Verrats von Staatsgeheimnissen zu acht Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Die "Staatsgeheimnisse" waren vorher in Zeitungen veröffentlicht worden. Sie hatte die Artikel ausgeschnitten und den US-Kongressabgeordneten für ihren im Exil lebenden Mann mitgeben wollen.


Gefangenschaft

Rebiya Kadeer sagt, auch wenn sie gewusste hätte, was Sie im Gefängnis erleben würde, wäre Sie zu diesem Zeitpunkt nicht mit ihm in die USA gegangen. Sie habe in ihrer Heimat noch zu viel zu tun gehabt.

Das schlimmste während ihrer fast sechsjährigen Haft sei nicht das gewesen, was ihr selbst passiert war, sondern das, was die Chinesen anderen antaten. Einmal hätten die Wärter zwei uigurische blutverschmierte Jugendliche zu ihr gebracht und sie vor ihren Augen geschlagen. Nachdem die Jugendlichen in die Zellen rechts und links von ihr gesperrt worden seien, seien sie weiter misshandelt worden, und Rebiya Kadeer habe nur noch ihre Schreie gehört. Das sei schlimmer gewesen, als die Einzelhaft und die Zeit, in der sie keinen Menschen sehen, weder schreiben noch lesen und mit niemandem reden durfte.

Auf Druck von Menschenrechtsorganisationen und den USA wurde Rebiya Kadeer im Frühjahr 2005 aus dem Gefängnis entlassen und konnte in die USA zu ihrem Mann ausreisen. Condoleezza Rice, die ehemalige Außenministerin der USA hatte die Freilassung von Rebiya Kadeer zu einer Bedingung für ihre Reise nach Peking gemacht. Als Gegenleistung für ihre Freilassung ließen die USA eine geplante Resolution gegen China bei der UN-Menschenrechtskommission fallen. Rebiya Kadeer hatte das als Menschenrechtlerin wehgetan. Sie sagt jedoch, die Amerikaner hätten im darauffolgenden Jahr versucht, die Resolution nachzuholen.

Fünf ihrer Kinder blieben in China zurück. Die chinesischen Behörden hatten ihre Pässe eingezogen. Zwei ihrer Söhne saßen wegen angeblicher Steuervergehen in Xinjiang im Gefängnis.


Exil

Vor Ihrer Abreise in die USA drohte einer Ihrer Bewacher, Rebiya Kadeer's Kinder und ihre Geschäfte wären "erledigt", falls sie ihre Arbeit aus dem Exil heraus fortsetzen würde. Selbst diese massive Drohung gegen ihre Familie konnte sie aber nicht davon abhalten, weiterhin für die Rechte ihres Volkes einzutreten. Sie sagt, sie sei eine Mutter und liebe ihre Kinder sehr. Ihre eigene Erfahrung aus der Zeit ihrer Gefangenschaft in China mache es noch schlimmer, ihre Kinder dort zu wissen.

Rebiya Kadeer betont, ein chinesisches Gefängnis sei nicht irgendein Gefängnis. Ein Mann, der dort falle, werde nie wieder gesund. Dafür sorgten Hunger, Schlafentzug, täglich 18 bis 20 Stunden harte Arbeit oder Einzelhaft im Dunklen - sogar für Schwerkranke. Gerade den politischen Gefangenen werde es verboten, zu sprechen. Die meisten würden die Gefängnisse als Verrückte verlassen. Aber dieses Problem beträfe nicht nur ihre Familie, sondern alle Uiguren. Es gäbe Tausende, die wie sie und ihre Kinder in Gefangenschaft sind oder waren, und wenn sie daran denke, müsse sie weitermachen. Rebiya Kadeer hofft darauf, dass ihre Kinder ihr verzeihen werden. Sie ist der festen Überzeugung, dass sie ihnen dafür ein Leben in Freiheit bringen wird.

Im November 2005 überlebte Rebiya Kadeer nur knapp ein Attentat. Auf dem Rückweg von ihrem Büro in Washington kam ihrem Fahrzeug auf ihrer Spur ein Van entgegen. Bevor sie ausweichen konnten, rammte der Van ihren Wagen mit voller Wucht. Rebiya Kadeer lag danach sieben Tage im Koma. Seit diesem Vorfall fällt ihr manchmal auf, dass Chinesen vor ihrer Wohnung fotografieren oder filmen. Sie sagt, einmal habe ihre Tochter das Kennzeichen des Fahrzeugs der chinesischen Beobachter notiert. Das FBI habe daraufhin herausgefunden, dass das Auto der chinesischen Botschaft gehörte.

Trotz aller Gewalt, mit der die Chinesen die Uiguren unterdrücken, betont Rebiya Kadeer, dass Gewalt als Mittel gegen die Unterdrückung ihres Volkes nicht in Frage kommt. Der Kampf der Uiguren sei ein Kampf mit friedlichen Mitteln. Nur so könnten sie sich der Unterstützung der Weltgemeinschaft sicher sein. Außerdem würden die Chinesen ihr Volk ein für allemal auslöschen, wenn es wirklich zu den Waffen greifen würde.


Ein Jahr nach ihrer Ausreise aus China wählte man Rebiya Kadeer zur Präsidentin des Weltkongresses der Uiguren. 2007 wurde sie zum dritten Mal für den Friedensnobelpreis nominiert.

Als der damalige US-Präsident, Herr Bush, sie im Juni 2007 zu einem persönlichen Gespräch empfing, beschwerten sich die chinesischen Machthaber empört über die amerikanische "Einmischung in innere Angelegenheiten Chinas". Rebiya Kadeer sei durch und durch eine Kriminelle.

Ihre Tochter Akida hat einmal zu Rebiya Kadeer gesagt: "Deine Großeltern sind geflohen, du bist geflohen, wir sind geflohen. Wie lange wird das so weitergehen?" Rebiya Kadeer sagt, sie habe ihrer Tochter geantwortet: "Wenn jeder Uigure bereit ist, einen Preis für die Freiheit zu zahlen, wird diese Flüchterei einmal zu Ende gehen."


Zum Weiterlesen:
  • 3SAT:
    Interview mit der Autorin Rebiya Kadeer

(Quelle: Welt Online)

1 Kommentar:

Elfe hat gesagt…

Hallo Juwi

Danke für Deinen sehr interessanten Beitrag über Rebiya Kadeer. Ich habe viel erfahren, was ich noch nicht wusste. Ich habe sie vor zwei Jahren an einer Menschenrechtsveranstaltung in Hamburg erlebt. Ich war sehr beeindruckt von ihr und es hat mich sehr erschüttert, dass fünf ihrer Kinder noch in der Gewalt der Chinesen sind und diese als Druckmittel gegen sie eingesetzt werden.
L.G. Elfe

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