Zu meinem Artikel "Apell an SPD: Keine neuen Kohlekraftwerke" von gestern habe ich einen Kommentar erhalten, in dem die Passage aus dem Entwurf des Regierungsprogrammes der SPD über die Nutzung von Gas und Kohle für die Energiegewinnung in Deutschland wiedergegeben wird. Diese Passage war mir bereits bekannt. Mit meinem heutigen Beitrag möchte ich begründen, warum ich den darin beschriebenen Plan für die zukünftige Energiepolitik der SPD für schädlich und gefährlich halte.
Die beabsichtigte Förderung der weiteren Ausbeutung und Verfeuerung fossiler Energieträger, und die damit verbundene Erzeugung weiterer großer Mengen des klimaschädigenden Treibhausgases CO2, wird sich kontraproduktiv auf die dringend notwendige Forschung zur Entwicklung alternativer Energiequellen auswirken.
Die Passage im Entwurf des Regierungsprogrammes der SPD wirbt mit weiteren "Investitionen in hochmoderne, effiziente fossile Kraftwerke". Das heißt alte Kohlekraftwerke mit geringerer Leistung, deren Lebenserwartung mittelfristig erreicht sein wird, sollen durch neue Kraftwerke ersetzt werden, deren Betrieb dann natürlich auch für viele Jahrzehnte aufrechterhalten werden soll. Sonst würden sich die Investitionen ja nicht lohnen. Die Erfahrung zeigt, dass in der Vergangenheit kaum Anstrengungen unternommen wurden, regenerative Energiequellen verfügbar zu machen. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, solange dazu keine dringende Notwendigkeit besteht. Wenn die 30 neuen "hochmodernen, effizienten fossilen Kraftwerke" kommen, dann werden ernsthafte Investitionen in Forschung zur Entwicklung für zwingend notwendige, hochmoderne, effiziente regenerative Energiequellen frühestens dann erfolgen, wenn ca. 75% der erwarteten Laufzeit der fossilen Kraftwerke erreicht sein wird. Bis dahin, und bis zur endgültigen Einstellung der Verfeuerung fossiler Energieträger werden weiterhin große Mengen CO2 erzeugt.
Im Vergleich werden Gaskraftwerke gegenüber Kohlekraftwerken immer als die bessere Alternative dargestellt. Das bezieht sich jedoch lediglich auf den besseren Wirkungsgrad des Energieträgers Erdgas gegenüber der Kohle. Beides sind fossile Energieträger und damit CO2-Schleudern. Egal wie modern die Brenner, Kessel, Generatoren und die Steuerungselektronik neuer fossil befeuerter Kraftwerke auch sein mögen: Es handelt sich dabei um eine veraltete Technik der Energieerzeugung - ein Auslaufmodell - die das Gefährdungspotential für die uns nachfolgenden Generationen auf den gesamten Planeten in unverantwortlicher Weise erhöht.
"Technologie zur Abscheidung von CO2"
Die Passage aus dem Entwurf des SPD-Regierungsprogrammes wirbt weiterhin damit, dass der Technologie zur Abscheidung von CO2 in Deutschland zum Durchbruch verholfen werden soll.
Das hört sich erst einmal schön an. Die Vertreter der großen Energiekonzerne sprechen auch gerne von "grünen Kohlekraftwerken". Bei genauerer Betrachtung muss man jedoch feststellen, dass es keine Filtertechnik gibt, die eine hundertprozentige Abscheidung der gewünschten Substanzen ermöglicht. Es wird also auch mit den effizientesten Filtern weiterhin CO2 aus fossilen Kraftwerken in die Atmosphäre emittiert werden, was zu einer zusätzlichen Klimaerwärmung führen wird. Der Bau noch so effizienter Kohlekraftwerke wird also anstelle zu einem Stopp der CO2-Emissionen aus fossilen Energieträgern zu weiteren CO2-Emissionen führen - wenn auch auf einem niedrigeren Niveau.
Der Entwurf des Regierungsprogrammes der SPD erweckt den Eindruck, nach der Abscheidung des in den Filtern zurückgehaltenen CO2-Anteils aus dem Abgas der Kohlekraftwerke wäre der große technische Durchbruch. Es hört sich so an wie "abgeschiedenes CO2 = verschwundenes CO2". Das ist jedoch nicht der Fall!
In der Passage aus dem Entwurf ihres Regierungsprogrammes erwähnt die SPD in diesem Zusammenhang nämlich nicht, was mit dem aus dem Abgas der Kohlekraftwerke herausgefilterten CO2 geschehen soll. Es ist jedoch inzwischen bekannt, dass die Energiekonzerne beabsichtigen, das aus dem Abgas abgeschiedene CO2 in unterirdischen Hohlräumen, zum Teil in ehemals ausgebeuteten Erdgaslagerstätten, endzulagern. Es werden jedoch auch andere - derzeit weitgehend gasdichte - geologische Strukturen für die Einlagerung von aus Kohle- und Gaskraftwerken abgeschiedenem CO2 in Betracht gezogen.
Die lauernde Gefahr im Untergrund
Wie ich bereits gestern geschrieben habe, würde dieses Verfahren voraussetzen, dass ein Entweichen des CO2 aus den unterirdischen Lagerstätten in die Erdatmosphäre mit absoluter Sicherheit für alle Ewigkeiten ausgeschlossen werden kann. Wer behauptet, dass er dafür die Garantie übernehmen kann, der manipuliert die öffentliche Meinungsbildung, indem er die Tatsache unterschlägt, dass die geologischen Strukturen der Erdkruste keine statischen Gebilde sind. Diese verändern sich über mehr oder weniger lange Zeiträume ständig. Aufgrund der messbaren Kontinentalverschiebung entstehen immer wieder Spannungen und Verwerfungen in der Erdkruste.
Es ist bekannt, dass einstmals an der Erdoberfläche gelegene Erd- und Gesteinsformationen heute in Tiefen von mehreren hundert bis mehrere tausend Metern zu finden sind. Die dort unten abgebaute Steinkohle ist ein Produkt aus abgestorbenen Pflanzen, die vor 300 Millionen Jahren das Bild der Landschaft auf der Erdoberfläche prägten. Spannungen, Verwerfungen oder Erdbeben werden auch zukünftig neue Risse, Spalten und unterirdische Hohlräume entstehen lassen. Erdbeben kommen auch in Deutschland immer wieder vor. Unter anderem ist es auch durch Zusammenbrüche in stillgelegten Bergwerken immer wieder zu Erdbeben und Verwerfungen gekommen. Es muss immer damit gerechnet werden, dass solche Ereignisse dem eingelagerten CO2 irgendwann das Entweichen in die Atmosphäre ermöglichen werden.
Niemand, der heute mitten im Berufsleben steht, und damit vielleicht noch eine Lebenserwartung von 30 oder 40 Jahren hat, kann für einen darüber hinaus gehenden Zeitraum eine Garantie für irgend etwas übernehmen, da er nach seinem Tod nicht mehr für die Folgen seiner Handlungen zur Verantwortung gezogen werden kann. Beteuerungen von Politikern, die Betreiber der Kraftwerke und der CO2 Lagerstätten würden das Risiko tragen und im Schadensfalle zur Rechenschaft gezogen werden, sind deshalb nichts als hohles Geschwätz!
Fördermittel der Europäischen Union für Demonstrationsprojekte zur CO2-Abscheidung in Verbindung mit der "unterirdischen Endlagerung" sind verschwendete Steuergelder, die besser in der Forschung zur Entwicklung alternativer Energiequellen angelegt wären.
Die zeitverzögerte Klimakatastrophe
Das bequeme Leben der heutigen Generationen, das Verschließen ihrer Augen gegenüber den drohenden Gefahren durch die von ihnen ausgelöste Beschleunigung der Klimaerwärmung sowie die Macht und die Raffgier der heutigen, international vernetzten Energiekonzerne gefährden die Zukunft aller nach uns folgenden Generationen.
Ich habe es schon mehrmals erwähnt: Wir haben den Planeten Erde von unseren Vorfahren in einem bewohnbaren Zustand geerbt. Die Erde ist nicht unser Eigentum und sie war auch nicht das Eigentum der Generationen unserer Vorfahren. Für die Zeitspanne unseres Lebens besitzen wir das Privileg, auf der Erde zu Gast sein zu dürfen. Wir haben die Verpflichtung, den Planeten ebenso in einem bewohnbaren Zustand an unsere Nachfahren weiterzugeben, wie wir ihn von unseren Vorfahren übernommen haben.
Wenn wir heute zulassen, dass weiterhin durch den intensiven Betrieb neuer Kohlekraftwerke massiv CO2 erzeugt wird, welches dann unterirdisch gelagert wird, dann wird das eines Tages, vielleicht erst viele Generationen nach uns, zeitverzögert zur Klimakatastrophe führen. Die dann lebenden Menschen werden davon völlig unvorbereitet und schutzlos getroffen werden.
Kraft-Wärme-Kopplung
Der einzige Punkt in der Passage aus dem Entwurf des SPD-Regierungsprogrammes zur Energiepolitik, dem ich uneingeschränkt zustimmen kann, ist die Erkenntnis der SPD, dass die Kraft-Wärme-Kopplung die effizienteste Form der Energieerzeugung ist. Ich begrüße es deshalb ausdrücklich, dass sie der umweltfreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung Priorität einräumen und diese massiv ausbauen will.
Aber: Im Bezug auf die Aussage "... bei der notwendigen finanziellen Förderung neuer Kraftwerke ..." führt der genannte positive Ansatz aus dieser Erkenntnis in eine Sackgasse und ist deshalb in diesem Zusammenhang völlig fehl am Platze. Der zukunftsweisende Weg wäre hingegen der massive Ausbau der Nutzung bestehender Abwärmequellen aus Kraftwerken, Industrieanlagen und Gewerbebetrieben bis hin zu den Heizungen unserer Häuser.
Fazit
Die Ausbeutung der letzten fossilen Energieträger der Erde ist der falsche Ansatz für die Zukunft der Energieerzeugung. Vielmehr müssen die größten Anstrengungen zur Erforschung, der Entwicklung und der Installation einer großen Vielfalt unterschiedlicher alternativer, dezentraler Kraftwerke, die ihre Energie aus regenerativen Energieträgern, Sonne, Wasser und Wind erzeugen, unternommen werden, solange die bereits bestehen fossilen Kraftwerke noch betrieben werden können. Es muss alles dafür getan werden, dass der Umstieg auf die Nutzung regenerativer Energieträger und die Abschaltung der fossilen Kraftwerke schnell gelingt. Dieser Umstieg muss weltweit vorangetrieben werden. Aber bei uns zu Hause sind wir dafür verantwortlich, die notwendigen Schritte zu unternehmen.
Deutsche Politiker und Parteien, die sich dieser existentiellen Verantwortung für die Zukunft der Menschheit heute nicht stellen, verdienen es nicht, im September in den Bundestag gewählt zu zu werden.
Zum Weiterlesen:
- Entwurf des Regierungsprogramms der SPD:
Die Passage bzüglich der weiteren Nutzung
fossiler Energieträger beginnt unten auf Seite 14
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