Mittwoch, 10. März 2010

Wiedereinführung der Leibeigenschaft

Damals, von den finstersten Zeiten des dunkelsten Mittelalters bis hinein in die Mitte des vorletzten Jahrhunderts, mussten hierzulande Leibeigene in der Landwirtschaft für ihren Grundherren arbeiten. Diese Leibeigenen standen in einer lebenslangen Abhängigkeit von ihrem Leibherren.

Leibeigene Bauern bewirtschafteten die Höfe ihrer Grundherren, und mussten dafür Pacht zahlen. Der wesentliche Unterschied zu Sklaven bestand darin, dass Leibeigene immerhin etwas Privateigentum besitzen durften. Ein eigener Hof wurde ihnen jedoch verwehrt. So hatten sie kaum eine Chance, sich aus ihrer Leibeigenschaft zu befreien.


Die neuen "Leibeigenen" des 21. Jahrhunderts


Ähnlich geht es heutzutage Leuten, die ihr Leben lang hart gearbeitet, und es dabei vielleicht zu einem bescheidenen Wohlstand gebracht haben, wenn sie dann eines Tages arbeitslos werden. Wenn sie nicht innerhalb kürzester Zeit wieder Arbeit finden, ist es bis Hartz-IV nur noch ein kleiner Schritt. Damit sie überhaupt Unterstützung aus Hartz-IV Mitteln erhalten, müssen sie sich zuerst einmal (sinnbildlich) bis auf die Unterhose ausziehen und ihre sämtlichen Finanzen und Sachwerte offenlegen. Bevor sie dann Unterstützung erhalten, müssen sie ihr Erspartes aufbrauchen. Davon bleiben zum Beispiel auch Lebensversicherungen nicht verschont, die einmal zur Sicherung des Lebensunterhalts im Alter gedacht waren. Altersarmut ist dann vorprogrammiert. Manche dieser Menschen haben das Pech, dass sie auf dem Arbeitsmarkt schon deshalb keine Chance mehr haben, weil sie die Mitte "der Vierziger" überschritten haben. Für andere gibt es schlicht und einfach keine Arbeitsplätze. Das ist schon seit Jahren der Fall, und in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise ist die Lage alles andere als besser geworden.

Diese, und alle anderen Hartz-IV Abhängigen, sind dann die Drückeberger des Herrn Westerwelle (FDP, Bundesvorsitzender, sowie Vize-Kanzler und Bundesaußenminister), die inzwischen vom Staat "im Namen des Volkes" in ähnlicher Weise vereinnahmt werden, wie damals die Leibeigenen von ihren Leibherren. Etwas Privateigentum gesteht man ihnen gnädigerweise noch zu. Damit sie aber nicht "zu viel anhäufen" können, wird zum Beispiel Hartz-IV abhängigen Eltern die gelegentliche Erhöhung des Kindergeldes gleich wieder abgezogen. Dabei wären es gerade diese Familien, die das Kindergeld bitter nötig hätten, damit wenigstens ihre Kinder nicht mehr so sehr unter der Arbeitslosigkeit ihrer Eltern leiden müssten. Immerhin besteht ja parteiübergreifend weitgehend Einigkeit darüber, dass es nicht hinnehmbar ist, wenn Kinder aufgrund der Lage ihrer Eltern keine Aussicht auf eine eigene erfolgreiche Zukunft haben.

Das höchste der Glückseeligkeit für einen langzeitarbeitslosen Hartz-IV Abhängigen ist es, wenn er einmal für kurze Zeit in einem 1-Euro-Job arbeiten darf. Aber seit den Zeiten von Herrn Westerwelle, Frau Kraft (SPD, stellv. Bundesvorsitzende) & Co., wird selbst das zum Auslaufmodell. Jetzt sind Straßenfegen und Hilfsarbeit in Altersheimen angesagt - dafür gibt's dann als Entlohnung bald das gute Gefühl, etwas für die Gemeinschaft geleistet zu haben, die dann im Gegenzug freundlicherweise darauf verzichtet, die Hartz-IV Bezüge zu kürzen.

Immerhin hat Frau Kraft, im Gegensatz zu Herrn Westerwelle, den Grund für die trostlose Lage der Hartz-IV Abhängigen erkannt. Dem geht es scheinbar weiterhin nur darum, auf sadistische Art und Weise öffentlich Zwang und Druck auf alle Hartz-IV Abhängigen auszuüben, indem er all diesen Menschen vorwirft, sie seien zu faul zum Arbeiten und sähen ihren Lebenszweck allein darin, sich bis an ihr Lebensende in der sozialen Hängematte zu räkeln.

Während Herr Westerwelle sich offensichtlich einen großen Spaß daraus macht, immer weiter mit seinen Fingern in der Wunde zu bohren, die er mit seinem Generalangriff auf die "soziale Hängematte" aufgerissen hat, zitiert der Spiegel Frau Kraft in seiner Online Ausgabe vom 06.03.2010 mit den Worten: "Wir müssen endlich ehrlich sein: Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden." Diese Menschen bräuchten ein neues Angebot, das ihnen eine würdevolle Perspektive gebe.

Sie wolle langzeitarbeitslosen Hartz-IV Abhängigen deshalb die Chance bieten, im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Gesellschaft etwas zu leisten - etwa mit gemeinnützigen Jobs in Altenheimen oder Sportvereinen - um ihnen damit ein Gefühl der Würde wiederzugeben. Laut Spiegel online käme sie damit den Bedürfnissen vieler Hartz-IV Anhängiger entgegen. Eine Studie belege nach Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, dass die Betroffenen vielfältige Aktivitäten ergreifen, um Arbeit zu finden - auch auf eigene Initiative.


Hartz-IV Abhängige werden zu Almosenempfängern

So weit, so gut. Mit ihren weiteren Überlegungen, die in die Richtung gehen, dass als Lohn für die langfristige Beschäftigung in gemeinnützigen Jobs ein "symbolischer Aufschlag auf die Hartz-IV-Sätze" ausreichend sei, der ohne Mehrkosten für den Staat realisierbar sei, drängt Frau Kraft die Betroffenen allerdings aus meiner Sicht noch weiter an den Rand der Gesellschaft. Solche "Stellenangebote" müssen den Betroffenen doch wie Almosen vorkommen. Um sich ihre Würde mit ihrer Arbeit in einem Altersheim zurückverdienen zu können, müssen sie den vielleicht noch verbliebenen Rest ihrer Würde zuerst einmal ganz aufgeben, indem sie die das Almosen-Angebot des Staates annehmen.

Meine Meinung:
Entweder ist Arbeit in Altersheimen, Sportvereinen etc. vorhanden, dann sollen die Menschen von diesen Arbeitgebern auch im Rahmen regulärer Arbeitsverhältnisse für eine gerechte Bezahlung beschäftigt werden, oder es ist dort keine Arbeit vorhanden, so dass langzeitarbeitslose Hartz-IV Abhängige dort noch nicht einmal als so eine Art "leibeigene" Almosenempfänger missbraucht werden könnten.

Meiner Einschätzung nach befindet sich die überwiegende Anzahl der Hartz-IV Abhängigen heute auf dem Weg in eine ähnliche Lage, wie sie damals die Leibeigenen zu erdulden hatten - nur, dass die neuen Leibeigenen nicht mehr von einem einzelnen Leibherren abhängig sind, sondern vom (bisher noch) besser gestellten Rest der Gesellschaft.

Ist das etwa die Zukunft unserer bisher immer so hoch gepriesenen freien und solidarischen Gemeinschaft?


Ich kann das Herumgehacke auf den Schwächsten unserer Gesellschaft bald nicht mehr ertragen. Es gibt in diesem Lande weiß Gott eine große Anzahl wichtigerer Probleme zu lösen, als ständig weitere "innovative Methoden" zu erfinden, mit denen Hartz-IV Abhängige immer noch ein klein wenig mehr schikaniert werden können. Davon lässt sich mit der Hartz-IV-Polemik eines Herrn Westerwelle allerdings prächtig ablenken.

Die zu lösenden Probleme werden in vier Jahren mit Sicherheit immer noch ungelöst sein, zusätzliche neue Probleme werden von der Wespenkoalition gerade geschaffen und an der Arbeitslosigkeit wird sich bis dahin auch nichts wesentliches geändert haben - nur dem wachsenden Heer der Hartz-IV Abhängigen wird es dann noch etwas dreckiger gehen.


(Quellen: Focus vom 07.03.2010, Die Welt vom 09.03.2010, Spiegel vom 06.03.2010, Wikipedia)

1 Kommentar:

Grey Owl Calluna hat gesagt…

Lieber Jürgen!
Grad´heute habe ich wieder sssoooo die Nase voll von all dem, dass ich aufgebend mit den Schultern zucke.
Wo nix ist, kann man nix nehmen, ...und wenn sie noch so viele Rechnungen schicken.
Soll mal das Amt zahlen.....ich kann nicht mehr....hab satt.
Liebe Grüße
Rosi

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