Sonntag, 7. März 2010

Atomstrom: Wähler-Täuschung

Atomkraft? Nein Danke!
Im Wahlkampf zur Bundestagswahl am 27. September 2009 versprachen die heutigen Regierungsparteien CDU, CSU und FDP ihren Wählern, dass sie den seit 2002 geltenden Atomkonsens aufkündigen werden. Mit der Fortsetzung des Ausstiegs aus der Atomenergie solle Schluss sein.



Wahl-Versprechern

CDU, CSU und FDP kündigten an, sie würden insbesondere den abgeschriebenen älteren Atomkraftwerken längere Laufzeiten zugestehen, als es im Jahre 2002 zwischen der Bundesregierung und den Kraftwerksbetriebern vereinbart worden war, da gerade diese billigen Strom produzieren. CDU und CSU verprachen ihren Wählern außerdem, dass sie einen großen Anteil der Zusatzgewinne, den die Energiekonzerne durch die verlängerten Laufzeiten ihrer Atomkraftwerke erwirtschaften, abschöpfen und in den Ausbau der erneuerbarer Energien investieren werden. In diesem Zusammenhang bezeichnen sie die Atomkraftwerke als "Brückentechnologie".

Nach Aufassung der Bundesländer Hessen und Baden-Württemberg geht es dabei um Gewinne in Höhe von 400 bis 800 Millionen Euro je Reaktor und Extrajahr Laufzeit. Herr Koch (CDU, Hessen, Ministerpräsident) und Herr Oettinger (CDU, Baden-Württemberg, damals Ministerpräsident) verfassten im August 2009 ein Schreiben mit dem Titel "Strategie- und Schrittfolgepapier Kernenergie", das sie drei Tage nach der Bundestagswahl an die drei Parteivorsitzenden Frau Merkel (CDU), Herrn Seehofer (CSU) und Herrn Westerwelle (FDP) verschickten.


Klartext

Darin schreiben die Herren Koch und Oettinger: "Insgesamt ist eine verbindliche Verpflichtung zur Senkung der Strompreise sowohl unter rechtlichen als auch marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten nur schwer vorstellbar." Den Autoren ist also bewusst, dass Stompreissenkungen aufgrund von Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke nichts als ein schöner Traum des Wahlvolks bleiben werden. Sie stellen damit überzeugend dar, dass die Stromkunden überhaupt nichts von längeren Laufzeiten der Atomkraftwerke haben. Ihnen geht es vorrangig um den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke "Biblis A" in Hessen und "Neckarwestheim 1" in Baden-Württemberg, die nach den Vereinbarungen im Atomkonsens von 2002 kurz vor der Abschaltung stehen.

Wie der "Stern" am 18.10.2009 berichtete, zeichnete Herrn Oettinger schon immer allernächste Nähe zum Energiekonzern EnBW aus. Im "Strategie- und Schrittfolgepapier Kernenergie" an dessen Erstellung er bekanntlich beteiligt war, ist ein Trick dokumentiert, mit dem die Energiekonzerne den Zeitpunkt der Abschaltung eines alten Kraftwerks hinauszögern können: Durch die Drosselung der Leistung der Kernkraftwerke soll das Ziel erreicht werden, den Zeitpunkt der Inkrafttretens einer Änderung des Atomgesetzes zu erreichen (Seite 14, 5.2.1). Die Umweltschutzorganisation "Greenpeace" berichtete am 13.10.2009 auf ihrer Homepage, interne Papiere des EnBW-Konzerns, die der Greenpeace vorliegen, würden belegen, dass EnBW diesen Trick seit 2007 anwendet um sein Atomkraftwerk "Neckarwestheim 1" über denTermin für die Bundestagswahl 2009 hinweg zu retten. Bei normalem Betrieb hätte der Reaktor im Juli des 2009 abgeschaltet werden müssen

Wenn ohne Atomstrom nach Aussage der Atomkraftwerksbetreiber angeblich die Lichter ausgehen, dann wundert es mich, dass dieses bisher nicht geschehen ist, obwohl Energiekonzerne ihre Atomkraftwerke seit Jahren weit unter Normal-Last laufen lassen, nur um sie nach der Bundestagswahl 2009 unbegrenzt lange unter Vollast laufen lassen zu können, und andere aufgrund schwerer Pannen seit Jahren ganz abgeschaltet sind.

Jeder Wähler, der im September 2009 der CDU seine Stimme in der Hoffnung auf die Senkung der Strompreise gab, hat damit also lediglich sein Einverständnis für die billige Inkaufnahme des, aufgrund des Weiterbetriebs der deutschen Atomkraftwerke auf unbestimmte Zeit, erhöhten Gefahrenpotentials gegeben. Billigeren Strom wird er dafür jedenfalls nicht erhalten.

Nach Ansicht der Landesregierungen von Hessen und Baden-Würtemberg könne eine gesetzliche Regelung zur Eintreibung der Zusatzgewinne aus der Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke am Verfassungsgericht scheitern da sie "rechtlich sehr risikoreich" sei (Strategie- und Schrittfolgepapier Kernenergie, Seite 21, 7.3.1). Außerdem lasse sich der Zusatzgewinn schwer kalkulieren. Weiterhin sollen die durch die bisher im Atomkonsens von 2002 gedeckten Mehreinnahmen unangetastet bleiben. Als Mehreinnahmen bezeichnen die Autoren des "Strategie- und Schrittfolgepapiers Kernenergie" lediglich die aufgrund der darüber hinaus gehenden Betriebszeiten zu erwartenden Mehreinnahmen (Strategie- und Schrittfolgepapier Kernenergie, Seite 20, 7.2.1). Damit würden etwaige "Abschöpfungen von Zusatzgewinnen" bedeutend geringer ausfallen als im Wahlkampf suggeriert wurde. Infolgedessen entpuppt sich auch die sogenannte "Brückentechnlologie Atomkraft" lediglich als ein weiteres Wahlkampftäuschungsmanöver.

Die im Wahlkampf versprochene "Gewinnabschöpfung" und den billigen Atomstrom wird es also nur im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen der Energiekonzerne mit der Bundesregierung geben. Und was die Atomkraftwerksbetrieber von Vereinbarungen mit der Bundesregierung halten, das haben sie uns mit der Geschichte des Atomkonsens von 2002 mehr als deutlich gezeigt. Auf Betreiben der Atomlobby wurde der Atomkonsens im Laufe der acht Jahre seines Bestehens immer weiter ausgehöhlt. Auf Betreiben der Atomlobby soll die Vereinbarung über den Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie jetzt aufgekündigt werden.


Bewusste Täuschung der Wähler

Obwohl sie es bereits im August 2009 besser wussten, verbreiteten Politiker der CDU und der CSU im Bundestagswahlkampf weiterhin das Märchen vom billigen Atomstrom: Je länger die Atomkraftwerke betrieben würden, desto billiger werde der Atomstrom. Da diese Rechnung ausschließlich für die Atomkraftwerksbetreiber aufgeht, die mit ihren längst abgeschriebenen, maroden Atommeilern satte Gewinne einstreichen, haben sie ihre Wähler bewusst getäuscht, als sie ihnen die Senkung ihrer Stromkosten aufgrund verlängerter Atomkraftwerkslaufzeiten versprachen.

Spätestens ein oder zwei Tage nach dem 30. September, also vier bis fünf Tage nach der Bundestagswahl, hätte den drei Vorsitzenden der Regierungsparteien Frau Merkel (CDU), Herr Seehofer (CSU) und Herr Westerwelle (FDP) nach der Lektüre des "Strategie- und Schrittfolgepapiers Kernenergie" klar sein müssen, dass sie die gesamte Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland bewusst belügen, wenn sie den im Atomkonsens von 2002 verabredeten Ausstieg aus der Atomenergienutzung aufkündigen, und dass sie die Bevölkerung damit auf unabsehbare Zeit einer stetig wachsenden Gefährdung aussetzen.

Wie lautete der Eid der Minister/innen der Bundesregierung bei der Amtübernahme doch gleich noch? Hatte ich mich da verhört, oder schwörten sie etwa, dass sie ihre Kraft dem Wohle der deutschen Atomindustrie widmen und Schaden von ihr wenden werden?

Bisher hat das schwarz-gelbe Atom-Trio aus eigenem Verantwortungsbewusstsein jedenfalls noch nichts dafür getan, die ohnehin schon von der Atomindustrie verursachten Schäden, sowie weiteren von den Atomkraftwerken und deren strahlenden Hinterlassenschaften ausgehenden Schaden vom deutschen Volke abzuwenden. Statt dessen setzen CDU, CSU und FDP ihre ganze Kraft dafür ein, den Nutzen der Atomenergie Konzerne zu mehren. Deshalb wird es Zeit, dass die betrogenen Wähler die Wespenkoalition an ihre Verantwortung erinnern.
  • Eine gute Gelegenheit dafür bietet die für den 24. April 2010 geplante Menschenkette in Schleswig-Holstein und Hamburg zwischen den Pannenreaktoren "Brunsbüttel" und "Krümmel". Nähere Informationen dazu gibt es beim Aktionsbündnis "Ketten-re-Aktion" und beim demokratischen Netzwerk "Campact".

Aktions- und Menschenkette

(Quellen: Stern" vom 18.10.2009, Strategie- und Schrittfolgepapier Kernenergie, Süddeutsche Zeitung vom 18.02.2010, Greenpeace, KETTENreAKTION, Campact, de Jure)

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