Mittwoch, 14. September 2011

Ein radioaktiver Industrie Unfall

Atomkraft? Nein Danke!Am 12.09.2011 kam es auf dem Gelände der
ehemaligen französichen Atomkraftanlage
"Marcoule" zu einer Explosion. Dabei wurde
ein Mensch getötet und vier weitere verletzt,
einer davon schwer.


Nachdem es anfangs geheißen hatte, es sei kein radioaktives Material aus der Atomanlage freigesetzt worden, hatten die französichen Behörden jedoch die Gefahr nicht ausschließen können, dass radioaktives Material aus der Anlage entweichen könnte. Später am Tag teilte die französischen Atomaufsicht (ASN) mit, im Umfeld der Atomanlage sei nach dem Unfall keine erhöhte Radioaktivität festgestellt worden. Die Behörden hatten aber trotzdem für den Fall, dass doch noch Radioaktivität entweichen sollte, eine Sicherheitszone eingerichtet.

Ein Sprecher des staatlichen Stromkonzerns EDF, dessen Tochterunternehmen Socodei die Anlage betreibt, bezeichnete die Ereignisse daraufhin als "Industrieunfall". Die Explosion in einem Ofen, in dem radioaktiver Metallschrott und Schutzkleidung aus Atomkraftwerken verbrannt bzw. eingeschmolzen würden, habe ein Feuer entfacht, das gegen 13 Uhr unter Kontrolle gewesen sei. Das Gebäude, in dem der Ofen explodierte, sei nicht beschädigt worden. Von einem Atomunfall könne keine Rede sein. Der bei dem Unfall gestorbene Arbeiter sei "in Sekundenschnelle" verbrannt. Der Mann habe in einem Raum neben dem Verbrennungsofen gearbeitet, als dieser explodiert sei. Die vier Verletzten, von denen einer schwere Verbrennungen erlitten habe, seien nicht verstrahlt worden.

Die TAZ berichtete am 12.09.2011, nach Angaben der Rettungskräfte sei das Gebäude, in dem es zur Explosion kam, nicht schwer beschädigt worden. Betroffene hätten berichtet, das Personal in den übrigen Anlagen sei erst gegen 13 Uhr alarmiert und in einem Schutzraum in Sicherheit gebracht worden, obwohl sich die Explosion bereits um 11:45 Uhr ereignet habe. Der Spiegel schrieb am 12.09.2011 in seiner Online Ausgabe, Frau Duflot (Frankreich, Grüne, Parteivorsitzende) habe die französische Regierung daran erinnert, dass sie sich nach der Atomkatastrophe in der japanischen Atomkraftanlage "Fukushima-I" zu größtmöglicher Transparenz verpflichtet hatte. Jetzt sei die Gelegenheit, dies unter Beweis zu stellen.


Die sichersten Atomkraftwerke der Welt

Herr Sarkozy (Frankreich, Präsident) hatte nach dem Super-GAU in der japanischen Atomkraftanlage "Fukushima-I" angekündigt, Frankreich werde an der Nutzung der Atomenergie festhalten, da die französischen Anlagen "die sichersten der Welt" seien. Das habe ich doch schon einmal irgendwo gehört. Wurde nicht im Zusammenhang mit der "Laufzeitverlängerung" der wespenfarbenen Bundesregierung auch hierzulande aus Kreisen der Atomkonzerne und ihrer politischen Handlanger immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt, die sichersten Atomkraftwerke der Welt stünden in Deutschland?

Die FAZ schrieb am 21.09.2011, Ein Sprecher der französischen Umweltorganisation "France Nature Environnement" habe gesagt, der Unfall strafe die Behauptung des französichen Präsidenten Lügen, die Anlagen der französischen Atomindustrie seien die sichersten der Welt. Die Liste der Zwischenfälle in französischen Reaktoranlagen werde jeden Tag länger. Bei "France Nature Environnement" gibt es aber wohl nicht die einzigen Franzosen, die Zweifel an der Sicherheit der Atomindustrie und an der Informationspolitik der französischen Regierung hat. So habe zum Beispiel auch Frau Lepage (Europaabgeordnete, Umweltministerin in der Regierung Juppé) gesagt, es sei beunruhigend, dass der Innenminister über den Vorfall unterrichte und nicht die zuständige Umweltministerin.

Die Umweltschutzorganisation "Greenpeace" wies darauf hin, dass die Atomanlage "Marcoule" nicht zu denen gehört, deren Sicherheit nach dem Willen der französischen Regierung als Reaktion auf die Atomkatastrophe von Fukushima untersucht werden sollen. Das zeige noch einmal, dass Frankreich die Lektion aus Fukushima nicht gelernt habe.


Kein normaler Industrieunfall

Auch wenn die Reaktoren der Atomkraftwerke von "Marcoule" stillgelegt sind und die Betreiber und die Behörden den Vorfall jetzt als einen reinen Industrieunfall darstellen, darf man nicht übersehen, dass es sich dabei immer noch um einen schweren Unfall mit Todesfolge in einer Atomanlage handelt, in der mit radioaktivem Müll hantiert wird, und dass auf dem Gelände so ziemlich alles vertreten ist, was als Voraussetzung für den Betrieb der französischen Atomkraftwerke notwendig ist. Über viele Jahrzehnte hinweg wurde dort das Material für die französichen Atombomben erzeugt. Seit 1995 werden dort plutoniumhaltige Mischoxid-(MOX-)Brennelemente hergestellt. Mit seinen Anlagen zur Herstellung und Wiederaufbereitung von Brennelementen, sowie diversen Lagern und Verpackungseinrichtungen für Atommüll ist "Marcoule" heute, ebenso wie "La Hague", ein Zentrum für die Behandlung von radioaktivem Abfall. Außerdem gibt es auf dem Marcoule-Gelände ein Labor der Atomenergiebehörde Commissariat à l'énergie atomique (CEA).

Bei den Schmelz- und Verbrennungsprozessen in den Öfen der Firma "Socodei" entstehende Aschen und Schlacken sowie die zu Barren verschmolzenen Metallabfälle werden später eingelagert. Wie die "Ärzte Zeitung" in ihrer Online Ausgabe vom 12.09.2011 berichtet, geht es bei dieser Art der "Behandlung" radioaktiver Abfälle vor allem darum, das Müllvolumen zu reduzieren. Auf diese Weise wird in den Atommülllagern weniger Platz benötigt. Ich glaube aber niemandem, der mir weismachen will, dass dabei keine radioaktiven Partikel in die Umwelt gelangen. Beim Betrieb von Verbrennungs- oder Schmelzöfen entstehen immer auch Abgase die über Kamine in die Luft abgeführt werden. Selbst wenn versucht werden sollte, die Abgase mit Filteranlagen zurückzuhalten, werden dabei immer noch radioaktive Stoffe in die Umwelt gelangen: Kein Filter hat einen Wirkungsgrad von 100 Prozent. Und wenn sich zur Zeit der Explosion radioaktives Material in dem betroffenen Ofen befand, dann kann mir auch niemand erzählen, dass dieses infolge der Explosion nicht im Gebäude verteilt worden ist.

Wie in einem Kommentar in der "Ärzte Zeitung" treffend zu lesen ist, wäre die Explosion bei "Socodei" eine gute Nachricht für Fukushima. Zitat: "... Dass aber bei der Explosion eines Verbrennungsofens für schwach radioaktive Abfälle keine Freisetzung von Radioaktivität gemessen werden konnte, wäre schlicht genial für die havarierten Kernkraftwerksblöcke in Fukushima. Einfach das Ganze in die Luft sprengen und puff! Die Radioaktivität ist nicht mehr nachweisbar." Eine gesunde Portition Sarkasmus macht eben auch die ungeheuerlichsten Dinge immer noch etwas erträglicher.


Es ist aus einem Atomkraftwerk noch niemals ein Atom entflogen,
und wenn das nicht die Wahrheit ist, dann ist es halt gelogen!


(Zitat aus einem Kommentar in der "Ärzte Zeitung")



(Quellen: Heise online vom 12.09.2010, Spiegel vom 12.09.2010 - Bericht 1 - Bericht 2, TAZ vom 12.09.2011, Süddeutsche Zeitung vom 12.09.2011, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.09.2011, Junge Welt vom 12.09.2011, Ärzte Zeitung vom 12.09.2011, Tagesschau vom 12.09.2011, Greenpeace Deutschland und Schweiz)

1 Kommentar:

Der Geestendorfer hat gesagt…

Hallo Jürgen,

als ich im Radio die Nachricht über den Atomunfall in Frankreich hörte, wusste ich gleich, dass die Wahrheit bestimmt vertuscht wird. 80% des Stroms wird in Frankreich durch Atomenergie erzeugt. Da werden solche Unfälle als Bagatelle angesehen.

Tschüss
Holger

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