Ich will den ersten Politikern, die darüber entschieden haben, deutsche Soldaten nach Afghanistan zu schicken, einmal den - meines Erachtens allerdings recht naiven - Wunschgedanken zugute halten, die deutsche Armee könne in Afghanistan "Wiederaufbau-, hunanitäre- und Entwicklungshilfe" leisten. Spätestens nach vier oder fünf Jahren hätte allerdings auch dem letzten unter ihnen klar werden müssen, dass Militär und Entwicklungshilfe nicht zusammenpassen, und die ohnehin gefährliche Arbeit der wirklichen (zivilen) Entwicklungshelfer durch die Anwesenheit ausländischer Soldaten zusätzlich gefährdet wird. Das sagt - unter anderem - auch Herr Neudeck (Gründer des "Komitee Cap Anamur / Deutsche Notärzte e.V." und Mitbegründer der "Grünhelme").
Angriffskrieg? ...
Auch wenn das deutsche Abenteuer am Hindukusch vielleicht nicht als Angriffskrieg angefangen hat, so hat sich die Situation in Afghanistan mit den ersten Gefechten, in die deutsche Soldaten verwickelt wurden, und mit den ersten Bürgern Afghanistans, die von deutschen Soldaten verletzt oder umgebracht wurden, drastisch geändert. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten die deutschen Soldaten Afghanistan verlassen müssen. Das Märchen vom "Aufbauhelfer in Uniform" war damit zu Ende erzählt.
Anschließend hieß es dann allerdings recht bald: "Unsere deutschen Soldaten dürfen schließlich nicht umsonst gestorben sein." Meine Meinung: Jeder Soldat, der seitdem in Afghanistan noch ums Leben kam ist umsonst gestorben, denn jeder einzelne von ihnen gab mit seinem Tod ensprechend der vorgenannten Logik des Krieges nur einen weiteren Vorwand für die endlose Fortsetzung des "Tötens" und "getötet werden" in Afghanistan. Die Pfarrerstochter und Vorsitzende einer angeblich christlichen Partei, Frau Merkel, scheint damit aber ja leider kein Problem zu haben. Ansonsten hätte sie nämlich seit November 2005 reichlich Gelegenheit gehabt, die Reißleine zu ziehen.
Obwohl bei den Allierten "Siegermächten" nach dem Zweiten Weltkrieg ursprünglich die Ansicht überwog, das Deutsche Reich müsse demontiert und klein gehalten werden, damit es nicht auch noch einen Dritten Weltkrieg vom Zaun brechen kann, wurde die westliche Hälfte davon - der Nachfolgestaat "Bundesrepublik Deutschland" (BRD) - bereits 10 Jahre nach Kriegsende wiederbewaffnet (Mai 1955). Ein knappes Jahr später (Januar 1956) erfolgte dann mit der Gründung der "Nationalen Volksarmee (NVA)" die Wiederbewaffnung der "Deutschen Demokratischen Republik" (DDR) auf dem Gebiet der verbliebenen östlichen Hälfte des ehemaligen Deutschen Reichs.
Der mit der Wiederbefaffnung der BRD verbundene Auftrag: Die "Bundeswehr" sollte - eingebunden in die NATO - das Gebiet des westlichen deutschen Frontstaats gegen einen Angriff der "Roten Armee" aus dem Osten verteidigen. Die AG-Friedensforschung schrieb 2005 zu über die Landesverteidigung hinausgehende, weltweite Einsätze der Bundeswehr:
"... das Grundgesetz widerspricht einem weltweiten Einsatz der Bundeswehr, schließlich definiert Art. 115 a den 'Verteidigungsfall' eindeutig als Folge eines Angriffs auf das Bundesgebiet. Darüber hinaus nimmt Art. 26 GG das absolute Verbot von Angriffskriegen aus der UN-Charta auf. Auch mit dem NATO-Vertrag von 1949 ist ein klassisches Verteidigungsbündnis begründet worden, das die Bündnispflichten nach Art. 5 ausdrücklich in den Rechtsrahmen von Art. 51 der UN-Charta (Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung) stellt und territorial begrenzt: Der Angriff, mit dem der Verteidigungsfall ausgelöst wird, muss auf das Gebiet eines Mitgliedsstaates in Europa oder Nordamerika erfolgen; Inseln, Schiffe und Flugzeuge im nordatlantischen Raum 'nördlich des Wendekreises des Krebses' eingeschlossen (Art. 6)."
"Tatsache bleibt doch, die Bundeswehr wurde dorthin geschickt, um die Freiheit des deutschen Volkes am Hindukush zu verteidigen, ganz offiziell ..."
(Zitat aus dem Kommentar zum "offiziell inoffiziellen Krieg")
Nach meinem Verständnis ist die Behauptung, die "Bundeswehr verteidige am Hindukusch die Freiheit des deutschen Volkes" keine Tatsache, sondern ein fadenscheiniger Vorwand. Afghanistan ist kein Mitgliedsstaat der NATO - schon gar nicht in Europa oder Nordamerika - und keine afghanische Armee hat jemals das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder das eines anderen NATO Mitgliedstaates angegriffen. Deshalb hat die Deutsche Armee in Afghanistan nie etwas zu suchen gehabt.
Selbst die Stationierung deutscher Marineschiffe in den Gewässern vor Somalia im Rahmen der NATO, die dort deutsche Handelsschiffe vor den Angriffen somalischer Piraten schützen sollen, halte ich für fragwürdig, weil diese Gegend nun wirklich nicht gerade im nordatlantischen Raum und deutlich südlich des nördlichen des Wendekreises des Krebses liegt, und weil es sich bei den Piraten um Kriminelle, nicht aber um die Armee eines feindlichen Staates handelt, die mit dem Angriff "auf das Gebiet eines Mitgliedsstaates (Anm.: der NATO) in Europa oder Nordamerika" den Verteidigungsfall ausgelöst hat.
... oder Verteidigungskrieg?
Alle diese militärischen Gratwanderungen sind - näher betrachtet - die Folge des Terroranschlags auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001, in dessen Folge der Herr Bush (damals Präsident der USA) meinte, er müsse mit der ganzen Macht der technisch hochgerüsteten Armee seines Landes wild um sich schlagen, um Herrn bin Laden (Terrornetzerk "al-Qaida", Anführer) gefangenzunehmen oder am besten gleich umzubringen. Der "Staatsfeind Nr. 1" der USA, Osama bin Laden, ist immer noch auf freiem Fuß, seine Anhänger haben sich inzwischen zu einer Art Hydra - mit der Fähigkeit, weltweit immer mehr neue Köpfe hervorzubringen - entwickelt, und abgesehen davon, dass sich die Terrorregime in den von den USA nach dem "11. September" angegriffenen Staaten inzwischen offenbar wieder erholen (Beispiel Afghanistan), oder durch diverse andere terroristische Organisationen, die gelegentlich auch gegensätzliche Ziele verfolgen, abgelöst wurden (Beispiel Irak), hat die ganze tolle Militärmaschinerie, auf die sich die USA immer so viel einbilden, gegen den weltweiten Terror absolut nichts ausrichten können. Und auch nach einer möglichen Festnahme Herrn bin Ladens oder einiger seiner Anhänger wird sich an der potentiellen Bedrohung durch internationale Terrornetzwerke nichts ändern.
So wie Herakles die Hydra nur im direkten Kampf unschädlich konnte, indem er ihre immer wieder abgeschlagenen und vielfach nachgewachsenen Köpfe mitsamt dem Sumpf, in dem die Hydra hauste, verbrannte und ihren abgeschlagenen unsterblichen Kopf unter einem Felsen begrub, so lässt sich nach meiner Überzeugung auch der Sumpf des international organisierten Terrors nur austrocknen, indem die Ursachen des Übels beseitigt werden. Vielleicht bestünde dann sogar irgendwann die Hoffnung, dass auch der "unsterbliche Kopf der Hydra" unter den Felsen in den Köpfen der letzten unverbesserlichen gewalttätigen Fanatiker irgendwann sein Leben aushauchen wird.
- Verteidigungskrieg? Angriffskrieg? Ich denke, darüber werden irgendwann einmal die Geschichtsschreiber ihr Urteil fällen ...
(Quellen: Frankfurter Rundschau vom 25.01.2010, Wikipedia - Rupert Neudeck, Komitee Cap Anamur / Deutsche Notärzte e.V., Grünhelme, Wiederbewaffnung, Angela Merkel, Wendekreis des Krebses, Terroranschlag in New York am 11. September 2001, Hydra, AG-Friedensforschung - Artikel von Norman Paech vom 30. September 2005)
2 Kommentare:
Die Tatsache, die Bundeswehr verteidigt dort unsere Freiheit, die stammt nicht von mir, es ist die ausgesprochene, ähnlich der kommenden Reden zum Karneval, unserer Politiker, denen halt nix anderes eingefallen ist. Für mich war es von Anfang an ein unnötiger Kriegseinsatz.
Deinem klaren Beitrag ist nichts weiter hinzu zu fügen, unsere Soldaten sind für den Wahn eines einzelnen gestorben, die Verantwortung tragen die jeweiligen Bundestage...
Servus und so long
Kvelli
@Kvelli: Ich hatte die Passage in deinem Kommentar auch nicht so aufgefasst, als würde die Behauptung, die Bundeswehr verteidige am Hindukusch unsere Freiheit, von dir stammen. Ich habe eigentlich nur klarstellen wollen, dass ich die "Tatsache" für einen fadenscheinigen VORWAND halte, den die Politiker brauchten, um ihre Entscheidung, deutsche Soldaten nach Afghanistan zu schicken, rechtfertigen zu können. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich die "markig vorgetragene" Behauptung vor einigen Jahren das erste Mal von Herrn Struck (SPD) gehört.
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