Sonntag, 28. März 2010

Und ewig droht der Super-GAU (1/2)

Atomkraft? Nein Danke!Wenn es darum geht, "sichere Atomkraftwerke" um
jeden Preis am Netz zu lassen, dann schrecken die
Herren Koch und Oettinger selbst vor unkalkulier-
baren Sicherheitsrisiken nicht zurück. - Obwohl
ihnen sehr wohl bewusst ist, dass vor allem der
Weiterbetrieb der älteren Atomkraftwerke mit erheblichen
Sicherheitsrisiken verbunden ist.


Auf der Seite 19 ihres im August 2009 verfassten "Strategie- und Schrittfolgepapiers Kernenergie" schreiben die Herren Koch und Oettinger: "… sicherheitsrelevante Unterschiede gibt es dort, wo durch die bestehende Anlagenkonzeption den Nachrüstungen Grenzen gesetzt waren." Unter anderem verweisen sie in diesem Zusammenhang auf die Gefährdung durch den Absturtz eines Flugzeugs.

Ebenso, wie niemand ausschließen kann, dass nicht eines Tages doch einmal zufällig ein Flugzeug auf das Reaktorgebäude eines Atomkraftwerks fällt, kann auch niemand ausschließen, dass jemand absichtlich ein Atomkraftwerk als Ziel seines Fluges auswählt. Dass ein Terror-Angriff auf ein deutsches Atomkraftwerk kein Hirngespinst verblendeter Strickpullover-Ökos ist, zeigen durchaus ernst gemeinte "Forschungen", die sich mit der Abwehr solcher Angriffe auf deutsche Atomkraftwerke beschäftigen.


Die Sache mit der atombombensicheren Aktentasche

Seit dem Terrorangriff auf das World Trade Center in New York wird auch auf Bundesebene über terroristische Luftangriffe auf Atomkraftwerke nachgedacht. Ein Gutachten, mit dessen Erstellung das Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) beauftragte, zeigt auf, dass bei der Auslegung der deutschen Atomkraftwerke der Absturz eines Verkehrsflugzeugs nicht berücksichtigt wurde. Die Reaktorgebäude sind selbst gegen den Einschlag eines kleineren Passagierplugzeugs (z.B. Airbus A320) nicht ausreichend geschützt.

Einem gezielten Angriff mit einem von Selbstmordattentätern gelenkten Flugzeug auf ihre Atomkraftwerke wollen die Atomkraftwerksbetreiber mit der Vernebelung ihrer Atomanlagen begegnen. Dazu stellten sie im Sommer 2003 ein Konzept vor, mit dem sie die Wahrscheinlichkeit eines hinreichend zielgenauen Einschlags in ihre Reaktorgebäude "wirkungsvoll vermindern" wollen.

So denken Kinder im Vorschulalter, wenn sie sich die Hände vor die Augen halten, und meinen, die Erwachsenen könnten sie dann nicht mehr sehen: "Ich seh' dich nicht, also kannst du mich auch nicht sehen." Zur Standardausrüstung von Passagierflugzeugen gehören Navigationshilfsmittel, für die Nebelwhände keine Hindernisse für die metergenaue Zielortung darstellen.


Im März 2004 erklärte das BMU, das auf künstlichem Nebel beruhende Schutzkonzept sei nicht ausreichend, und forderte die Atomkraftwerksbetreiber zu Nachbesserungen an ihrem Konzept auf.

Diese ergänzten ihr Schutzkonzept um Störsender zur Beeinflussung der GPS-Navigationsgeräte. Wenn es auch zugibt, dass selbst mit dieser Nachbesserung am Konzept der Atomkraftwerksbetreiber kein absoluter Schutz gewährleistet werden kann, gab sich das BMU mit dieser "Lösung des Problems" zufrieden. Durch das Zusammenwirken von Vernebelung und Störsender werde das Risiko eines terroristisch motivierten Anschlages "erheblich verringert".

Selbstmordattentäter werden ihren Angiff jedoch kaum rechtzeitig genug ankündigen, damit auch ja noch genügend Zeit für die Auslösung der Nebelerzeuger bleibt. Die Zeit für die Reaktion auf einen Terrorangriff wird sich im Bereich unterhalb von 2 bis 3 Minuten abspielen. In Anbetracht der Fluggeschwindigkeit hätten die Attentäter das Reaktorgebäude längst anvisiert und könnten das Flugzeug dann per Trägheitsnavigationssystem zielgenau durch die Nebelwand hindurch im Reaktorgebäude einschlagen lassen. Ich denke, die Folgen wird sich seit dem Super-GAU in Tschernobyl wohl jeder recht gut vorstellen können. Dabei wurde nach der Explosion in Tschernobyl relativ zeitnahversucht, die Auswirkungen der Katastrophe einzudämmen. Nach einem Lufangriff wäre mit Toten und Schwerverletzten auf dem Gelände eines Atomkraftwerks zu rechnen. Die wären dann wohl kaum dazu in der Lage noch irgendetwas an den Folgen des Angriffs zu ändern.

Wenn man sich einmal vor Augen führt, dass selbst das unzureichende "Schutzkonzept" vom BMU ausdrücklich unter Berücksichtigung der im Atomkonsens mit den Energiekonzernen vereinbarten Restlaufzeiten bewertet wurde, sind die jetzt angedachten Laufzeitverlängerungen (die Rede ist neuerdings von Laufzeiten bis zu 60 Jahren!) absolut unverantwortlich und fahrlässig! Das von den Betreibern vorgesehene Konzept eignet sich aus Sicht des BMU lediglich zur Reduzierung des Risikos eines folgenschweren Angriffs "auf ein vertretbares Maß" bis zur im Atomkonsens vorgesehenen Abschaltung der Atomkraftwerke.

Wenn sich die schwarz-gelbe Wespenkoalition nach der Aufkündigung des Atomkonsens bezüglich der Sicherheit deutscher Atomkraftwerke vor Terrorangriffen auf das "Schutzkonzept" der Atomlobby beruft, dann ist das eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit! Gerade bezüglich der angestrebten längeren Laufzeiten für die Uralt-Atommeiler, deren Abschaltung aufgrund ihres Alters und ihrer unzureichenden technischen Auslegung laut Atomkonsens in naher Zukunft bevorstand, würde sich der Risikobeitrag nach Einschätzung des BMU überproportional erhöhen.

Spätestens nach dieser Klarstellung des BMU sollte jedem klar geworden sein, dass die "Risikobewertung" des BMU lediglich auf Grundlage des Ergebnisses einer Wahrscheinlichkeitsrechnung getroffen wurde. Mit solchen Wahrscheinlichkeitsrechnungen wurde den Menschen in den Jahren vor 1986 weisgemacht, ein GAU in einem Atomkraftwerk sei weltweit nur einmal in einer Million Jahre zu erwarten. Somit ginge von der Atomkraft überhaupt kein Risiko aus. - Und dann explodierte der Reaktor des Atomkraftwerks in Tschernobyl.

Die Idee mit dem Nebel hat aus meiner Sicht nur einen Zweck: Die Bevölkerung der Bundesrepublik soll auf Druck der Atomlobby im Nebel einer scheinbaren Sicherheit eingelullt werden. Damit verfolgen die Atomlobby und ihre Handlanger in CDU/CSU und FDP das gleiche Ziel, wie die Regierungen der Atommächte in den fünfziger/sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts mit ihren Luftschutzanweisungen für den Fall eines Atombombenangriffs: "Haltet euch einfach euere Aktentasche über den Kopf, und alles wird wieder gut."


Und ewig droht der Super-GAU:


Zum Weiterlesen:

- Greenpeace Studien -
  • 2004:
    Terrorangriffe auf deutsche Atomkraftwerke
    - Bewertung der Gegenmaßnahmen -
  • 2007:
    Vernebelung als Schutzmaßnahme gegen einen Flugzeugangriff
Aktions- und Menschenkette


(Quellen: Spiegel vom 31.01.2003 und vom 05.08.2008, Greenpeace Studien von 2004, 2007, und Presseerklärung vom 03.08.2007, ngo - Internet-Zeitung für Deutschland vom 16.09.2005, Koch/Oettinger - Strategie- und Schrittfolgepapier Kernenergie)

1 Kommentar:

DerSinn hat gesagt…

Am gefährlichsten sind Menschen, die mit dem Rücken zur Wand stehen. Noch schlimmer wird's, wenn die Wand aus Gold ist und sie dieses horten.

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