Donnerstag, 22. Januar 2009

SSW - Wurde zu knapp kalkuliert?


Foto: (c) SSW, Fährschiff "Nils Holgerson" im Bau

Ich bin kein Schiffbauexperte und ich habe auch keine Vorstellung davon, welche nicht kalkulierbaren Zwischenfälle bei der Entwicklung und dem Bau eines derart komplexen Systems, wie es ein Containerschiff darstellt, auftreten können. Die Nordsee-Zeitung schrieb am 20.01.2009, Herr Jahncke (SSW, Geschäftsführer) führe die Insolvenz der "Schichau Seebeck Shipyard GmbH" (SSW) auf die gestiegenen Rohstoff- und Zuliefererpreise zurück und Herr Petram (SSW, Gesellschafter) habe gesagt, allein das zweite und dritte Schiff aus einer Bauserie für die Reederei Sibum im Emsland seien mit einem Verlust von insgesamt 5 Millionen Euro abgeliefert worden. Dem Bericht der Nordsee-Zeitung ist allerdings nicht zu entnehmen, wie sich die 5 Millionen Euro Verlust auf die beiden Schiffe verteilen. In einer Mitteilung vom 15.11.2006 zur Kiellegung der "Anne Sibum", dem ersten Containerschiff vom Typ SSW Super 1000 für die Reederei Sibum, schreibt die SSW auf ihrer Internetseite, sie werde zunächst zwei Frachter für die Reederei bauen. Diese habe sich zudem die Option auf zwei weitere Neubauten gesichert. Das heißt, dass bereits für den Bau des dritten Schiffes ("Stefan Sibum") neu verhandelt worden sein muss. Sind bei Abschluss der Verträge über Fortsetzung der Serie mit den Neubauten "Stefan Sibum" und "Heinrich Sibum" die negativen Erfahrungen mit den Verlusten beim Bau der "Grete Sibum", dem zweiten Schiff der Serie, nicht ausreichend berücksichtigt worden? Wurde möglicherweise zu knapp kalkuliert?

Weiterhin berichtete die Nordsee-Zeitung in ihrem Artikel über einen Streit zwischen Herrn Jahncke und Herrn Petram. Herr Petram werfe Herrn Jahnke die Verschleierung der Millionenverluste vor. Herr Jahnke beschuldige Herrn Petram, zugesagte Investitionen nicht realisiert zu haben. Das habe der Werft jetzt das Genick gebrochen. Die SSW wurde zu Beginn des letzten Jahres für 4,6 Millionen Euro an die Investorengruppe verkauft, an der die bereits genannten GesellschafterJahncke und Petram, sowie Ehlerding beteiligt sind. Herr Jahnke ist seit Dezember 2003 Geschäftsführer der SSW Schichau Seebeck Shipyard GmbH. Das Ziel der Investorengruppe war die Sanierung des Werftgeländes und die Fortführung des Betriebes.

Mir sind natürlich die Hintergründe nicht bekannt, die zu dem Streit zwischen den Gesellschaftern Jahncke und Petram geführt haben. Daher kann das Nachdenken darüber natürlich nur reine Spekulation sein.

Wenn es so gewesen sein sollte, dass Herr Petram, nachdem ihm die Verluste beim Bau der "Grete Sibum" und die Gründe dafür bekannt wurden, zu der Erkenntnis kam, der vorgesehene Bau jedes weiteren Schiffes der Serie der die Reederei Sibum würde die Werft immer weiter in den Ruin treiben, dann könnte ich mir sehr gut vorstellen, warum er möglicherweise über seine ursprünglich geplanten Investitionen neu nachgedacht haben könnte. Für ein Nachdenken Herrn Petrams über eine Verbesserung der Zukunftsaussichten für die Werft mit einer neuen Ausrichtung, und damit einen möglicherweise zielgerichteteren Einsatz seiner Investitionen, spricht, dass er den Bau kompletter Schiffe laut Information der Nordsee-Zeitung für einen Fehler hält, während Herr Jahncke weiter hin auf Schiffsneubau setzt.

Aus dem Bericht der Nordsee-Zeitung geht nicht hervor, auf welchen Zeitraum sich der Vorwurf von Herrn Petram, Herr Jahncke habe die Millionenverluste verschleiert, erstreckt. Die "Grete Sibum" wurde am 31. März 2008 an die Reederei Sibum übergeben. Die Übernahme der SSW durch die Investorengruppe vom damaligen Insolvenzverwalter der SSW Fähr- und Spezialschiffbau GmbH, Herrn Wilhelm, erfolgte im April 2008. Wenn der Vorwurf der Verschleierung auf die Zeit seit Beginn des Kaufs derSSW durch die Investorengruppe Jahncke-Petram-Ehlerding zurückgehen sollte, dann wäre das Unternehmen wohl bereits im Sommer des letzten Jahres zum Scheitern verurteilt gewesen. Gegen eine Unkenntnis der Käufer bezüglich der Verluste beim Bau der "GreteSibum " spricht allerdings, dass das Schiff bei Verkaufsabschluss bereits fertiggestellt war, die Käufer durch Herrn Wilhelm über die finanziellen Folgen des Neubaus und deren Gründe informiert gewesen sein sollten, und es somit nicht viel zu verschleiern gegeben haben sollte.

Dass die enormen Vorleistungen und das alleinige finanzielle Risiko bis zur Ablieferung eines Schiffneubaus einer Werft das Rückgrat brechen können, zeigte in Bremerhaven unter anderem das Schicksal der Rickmers-Werft im Jahre 1986. Dem Bericht der Nordsee-Zeitung ist zu entnehmen, dass sich an der Lasten- und Risikoverteilung zwischen Auftraggeber (Reederei) und Auftragnehmer (Werft) bis heute nichts geändert hat. Aus meiner Sicht kann es ja wohl nicht angehen, dass eine Werft immer noch in Vorkasse gehen und das gesamte finanzielle Risiko tragen muss. In anderen Branchen ist es ja schließlich auch üblich, dass im Falle unvorhersehbarer Entwicklungen bei Material- und Lohnkosten erneut verhandelt wird, und sich der Auftraggeber an nicht durch den Auftragnehmer verschuldeten Kostensteigerungen beteiligt. Da die Akquisition von Schiffsneubauten einem weltweiten Wettbewerb unterworfen ist, wäre es dringend geboten, dass die Bundesregierung zur Sicherung der Arbeitsplätze im deutschen Schiffbau international über verbindliche Vertragsstandards verhandelt, welche eine ausgewogene Risiko- und Lastenverteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer regeln. Letztlich wäre das eigentlich sogar die Aufgabe der EU, da nicht nur die deutschen Werften mitFinanzierungsproblemen zu kämpfen haben werden. Für den Fall, dass darüber international keine Einigkeit erzielt werden kann, fürchte ich, das wir auf das Ende des Schiffbaus in Deutschland und das Ende der letzten Werften nicht mehr lange warten brauchen.

(Quellen: Nordsee-Zeitung, Wikipedia, SSW)

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