Samstag, 10. März 2012

Japan, das Atomdorf

Die Fukushima Lüge (ZDF zoom vom 07.03.2012)

Am Sonntag ist es genau ein Jahr her, seit Japan von der dreifachen Katastrophe heimgesucht wurde. Das Epizentrum des stärksten Erdbebens, das seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahre 1872 gemessen wurde, lag unter dem Meeresboden, etwa 135 Kilometer vor der Nordostküste der größten und am dichtesten besiedelten der vier japanischen Hauptinseln entfernt. Es löste einen Tsunami aus, der viele Städte und Ortschaften an der Ostküste Japans zerstörte. Was zu diesem Zeitpunkt noch keiner der um ihr nacktes Leben kämpfenden Menschen ahnte, das war die dritte, die von Menschen verursachte Katastrophe, die sich in der Atomkraftanlage "Fukushima-I" (jap.: "Fukushima Dai-ichi") anbahnte ...


Nachdem das Erdbeben zum Ausfall der Kühlung von drei der sechs Atomreaktoren geführt hatte, traf der Tsunami auch das direkt an der Pazifikküste gelegene Gelände der Atomkraftanlage. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete am Abend des 11. März 2011 auf ihrer Internetseite (Zitat):
".. Ein schweres Erdbeben und ein nachfolgender Tsunami haben am Freitag in Japan enorme Schäden verursacht. Nach Angaben der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo starben wahrscheinlich mehr als tausend Menschen. Das Beben der Stärke 8,9 löste Flutwellen aus. Im Atomkraftwerk Fukushima fiel das Kühlsystem aus. Die Radioaktivität im Meiler stieg auf das Tausendfache. Die Regierung rief den atomaren Notstand aus und ordnete die Evakuierung einer Zone im Umkreis von zehn Kilometern an. .."
 
Was wir damals schon ahnten wurde erst viele Tage später offiziell bestätigt: Das Erdbeben war der Beginn des zweiten Super-GAUs in einer Atomkraftanlage.
  • Gerade einmal knapp fünfundzwanzig Jahre zuvor - im April des Jahres 1986 - war es im Atomkraftwerk "Tschernobyl" zum ersten Super-GAU in der etwa jetzt etwa sechzigjährigen Geschichte der "friedlichen Nutzung der Atomenergie" gekommen. Vorher hatte es immer geheißen, mit einem Super-GAU sei vielleicht einmal in tausend Jahren zu rechnen. Neue Atomkraftwerke aus sowjetischer Produktion in Deutschlands östlichen Nachbarstaaten? Alles kein Problem. Sowjetische Atomkraftwerke sind auch nicht unsicherer als Deutsche. Anschließend waren weite Landstriche der Ukraine eine radiaktive Wüste und es hieß, die sowjettischen Atommeiler entsprächen ja auch nicht "westlichen Standards". Damit war die weltweite Atommafia wieder fein raus ... - offiziell zumindest.

    Allerdings fragten sich damals viele Menschen in der damaligen BRD auch, wie es denn wohl wirklich um die Sicherheit der westdeutschen Atomkraftwerke bestellt sei, da - wie es vorher geheißen hatte - die Sowjetischen in den benachbarten Ostblockstaaten ja angeblich nicht unsicherer sein sollten, als unsere.

Die sichtbaren Folgen des Tsunamis werden igendwann beseitigt sein. Von Generation zu Generation wird die Erinnerung an den Schmerz über den Verlust so vieler Menschenleben mehr und mehr verblassen.
  • Die inzwischen seit einem Jahr andauernden Folgen des Super-GAUs in Japan, sowie die sonstigen strahlenden Hinterlassenschaften des Atomzeitalters - angefangen bei den radioaktiv kontaminierten Gebieten in den Uranabbaugebieten bis hin zu den Lagerstätten des über jahrmillionen gefährlich strahlenden Atommülls - werden jedoch weltweit noch sehr viele der nachfolgenden Generationen betreffen ...

Jetzt, am Ende des ersten Jahres der japanischen Atomkatastrophe, sollte wohl auch der Letzte begriffen haben, dass die vollmundigen Versprechen der Manager des Betreibers der Atomkraftanlage ("Tepco") während der ersten beiden Monaten nach dem Erdbeben, in einem Jahr werde die Anlage wieder unter Kontrolle sein, nichts als heiße Luft waren. Alles was inzwischen - oft unter Gefahr für die Gesundheit und das Leben der Arbeiter - unternommen worden ist, hat gerade einmal ausgereicht, um wenigstens das Allerschlimmste zu verhindern ... - vorläufig jedenfalls. Dass die Kernschmelzen heute unter Kontrolle sind kann wohl niemand ernsthaft behaupten. Wie denn auch: Mit einem intakten Kühlkreislauf haben die improvisierten Notkühlungen nicht das Geringste gemein. Die Luft, das Land in der weiteren Umgebung der Atomruinen und das angrenzende Meer werden weiterhin kontaminiert und die Radioaktivität verbreitet sich ungehemmt über die Nahrungskette.


Die lauernde Katastrophe

Mit jedem weiteren stärkeren Erdbeben kann es jederzeit erneut zum Ausfall der provisorischen Kühlung und zum Durchschmelzen des Containments kommen. Zur Zeit des Erdbebens vor einem Jahr lagerten die Brennstäbe des Atomreaktors Nummer vier aufgrund einer Revision im Abklingbecken, das in einem der oberen Stockwerke des Reaktorgebäudes untergebracht ist. Dort liegen sie heute noch. Sollte die Kühlung des Abklingbeckens ausfallen, oder die Ruine des Gebäudes gar infolge eines Erdbens einstürzen, käme es zu einer katastrophalen Kettenreaktion: Unter freiem Himmel!

Ich kann mich noch gut an die Vertuschungsversuche und die Desinformationspolitik der damaligen Sowjetunion erinnern, nachdem der Atomreaktor des Atomkraftwerks "Tschernobyl" explodiert war. Demgegenüber hatte ich während der ersten Tage nach dem Super-GAU in der Atomkraftanlage "Fukushima-I" den Eindruck, dass die Verantwortlichen in Japan offener mit der Katastrophe umgingen. Immerhin waren "Tepcos" Sprecher mit ihren "Mitteilungen zum jeweils aktuellen Stand der Probleme" von Beginn an in den Fernseehnachrichten zu sehen. Bald darauf wurde jedoch klar, dass auch "Tepco" notgedrungen immer nur gerade das bekanntgab, von dem die Manager ausgehen mussten, dass bald auch andere darauf kommen würden, was wirklich passiert war.

Zu der Tatsache, dass eine - aus welchen Grund auch immer - außer Kontrolle geratene Kettenreaktion in einem Atomkraftwerk nicht beherrschbar ist, gesellt sich die Profitgier der Atomkonzerne. Das ist in Japan nicht anders als in den USA, in Großbritanien, ... - oder in Deutschland.

Die Wärmequelle für die Erzeugung des Dampfs, der in einem Atomkraftwerk die Turbinen der Elektrogeneratoren antreibt, beruht auf den gleichen physikalischen Vorgängen, die bei der Explosion einer Atombombe ablaufen. Nur die zwischen den "Brennstäben" angebrachten "Steuerstäbe" und die ständige Kühlung der Brennstäbe halten die ungehemmte Kettenreaktion in Zaum. Infolge des Erdbebens vom 11. März 2011 wurden Kühlwasserleitungen beschädigt und der Strom für den Betrieb der Kühlwasserpumpen fiel aus. Die Brennstäbe überhitzten und verschmolzen mit den Steuerstäben zu einer einzigen strahlenden Masse. Aufgrund der zerstörten Leitungen des ehemaligen Kühlsystems der von den Kernschmelzen betroffenen Atomreaktoren ist die provisorische Kühlung der äußeren Hülle der ehemaligen Atomreaktoren alles was die endgültige Katastrophe noch aufhalten kann. Und was sagt "Tepco" dazu?: "Alles unter Kontrolle."

Das einzige, was "Tepco" schon seit langem unter Kontrolle hat, das sind die Kontrolleure, die "Tepco" eigentlich kontrollieren sollten. Wie das System funktioniert, erklärte Herr Naoto Kan (Japan, ehemaliger Premierminister) in einem Interview für das ZDF ...


Das Atomdorf

Heute, nachdem ein Jahr vergangen ist, wissen wir, dass wir auch nach dem Super-GAU im HighTech-Land Japan von Beginn an systematisch belogen worden sind. Gestern Abend widmete sich das ZDF in seiner Reihe "zoom" mit der Reportage "Die Fukushima-Lüge" diesem Thema. Darin hieß es, für den Sumpf, der es den japanischen Atomkonzernen ermöglicht, ganz nach Belieben zu schalten und zu walten, gebe es in Japan sogar einen eigenen Namen. Er lautet: "Atomdorf".

In einem Beitrag des ZDF-Magzins "Frontal 21" vom 06.03.2012 sagte Herr Naoto Kan (Zitat):
"In Japan gibt es seit langem, vor allem in den vergangenen 10, 20 Jahren, vielerlei Formen der Unterdrückung, wenn vor Gefahren der Atomenergie gewarnt wird. Wenn Experten an den Universitäten sagen, dass eine bestimmte Gefahr bestehen könnte, dann haben sie keine Karrierechance mehr. Politiker erhalten vielerlei finanzielle Unterstützung von den Energieunternehmen, aber wenn man etwas über die Gefahren der Atomenergie sagt, dann verliert man diese Unterstützung. Oder anders herum, wenn man der Atomenergie zustimmt, erhält man großzügige Spenden. Das gilt auch für die Kultur, den Sport und es schließt die Medien mit ein. Und aufgrund dieser Verflechtungen sind Verhältnisse geschaffen worden, in denen Kritik kaum geäußert werden kann. Deshalb ist das Atomdorf nicht das Problem eines kleinen Gebietes, sondern das eines ganzen Landes. Alle sind in diesem Atomdorf gefangen."

Die Grenzen zwischen den Atomkonzernen und der Regierung Japans verschwimmen. "Frontal 21" zufolge wird der Posten des TEPCO-Vizepräsidenten seit rund 50 Jahren mit ehemaligen hochrangigen Beamten aus dem Ministerium besetzt, das für die Atomaufsicht zuständig ist. Im Gegenzug würden Atommanager in die Politik wechseln. Es scheint, als würden die Atomkonzerne das Land regieren, nicht aber die demokratisch gewählten Vertreter der Bürger Japans.


Ein Stück aus dem atomaren Tollhaus

Wen wundert es da noch, wenn ein "Tepco" Mitarbeiter während einer Pressekonferenz allen Ernstes erklärt, es habe da wohl ein kleineres Problem gegeben. Etwas von dem radioaktiv kontaminierten Kühlwasser sei im Boden versickert. Die Leitungen seien von wachsendem Gras durchlöchert worden ... - HALLO?

Auf Nachfrage eines Journalisten, ob er wirklich gesagt habe, dass "Tepco" kontaminiertes Wasser durch Leitungen pumpt, die von Grashalmen zerstört werden können, versuchte sich der Mitarbeiter von "Tepco" damit herauszureden, dass es das erste Mal gewesen sei, dass sie Leitungen und Rohre über eine Wiese verlegt hätten. Er gebe zu, dass die diesbezüglichen Kenntnisse der Firma offenbar nicht ganz ausreichend gewesen waren.

  • Wenn das eine Szene in einem Kabarett à la "Neues aus der Anstalt" gewesen wäre, dann hätten die Leute im Publikum sich vor Lachen wohl kaum auf den Stühlen halten können ...


Nach dem "zweiten Tschernobyl"

Vor dem 11. März 2011 wurden Atomkraftgegnern, die vor einem "zweiten Tschernobyl" warnten, gerne die Atomnationen USA, Frankreich oder Japan als Beweis für die Sicherheit der Atomkraftwerke vorgehalten. So viele Atomkraftwerke, so viel "saubere Energie", ... - Anschließend war die Welt schockiert. Ausgerechnet das "High-Tech Land" Japan war - nicht einmal 25 Jahre nach "Tschernobyl" - vom zweiten Super-GAU getroffen worden. Wie konnte das nur passieren? Die japanischen Atomkraftwerke waren doch alle so konstruiert worden, dass Erdbeben ihnen nichts anhaben können!

Nur aufgrund des anhaltenden hunderttausendfachen Protests hat die wespenfarbene Bundesregierung des "High-Tech Lands" Deutschland ihre "Laufzeitverlängerung" in eine als "Atomausstieg" kaschierte Light-Version der ursprünglich vorgesehenen Verlängerung der Betriebsgenehmigungen für neun der deutschen Atomkraftwerke umgeändert: Nach derzeitigem Stand soll das letzte Atomkraftwerk in Deutschland erst im Jahre 2022 vom Netz gehen. Daran, dass die Atomkonzerne EnBW, EON, RWE und Vattenfall aber auch weiterhin alles unternehmen werden, damit ihre Meiler unter Umständen auch noch länger laufen, besteht für mich seit der Aufkündigung des Atomkonsens aus dem Jahre 2000 jedoch kein Zweifel.
  • Dass die "friedliche Nutzung der Atomkraft" eine nicht beherrschbare Technologie ist, das ist im Bewusstsein der politischen Handlanger der Atomkonzerne noch nicht wirklich angekommen. Da erweist sich der Tsunami, mit dem sich die aufgrund der vom Erdbeben verursachten Schäden, die bereits zum Ausfall des Kontroll- und des Kühlsystems geführt hatten, prima kaschieren ließen, im Nachhinein noch als wahrer Segen für die deutschen Atomkonzerne.

    Jetzt heißt es, keines der nach dem "Atommoratorium" noch in Betrieb befindlichen neun deutschen Atomkraftwerke stünde doch an tsunamigefährdeten Standorten. Damit sind die Atomkonzerne wieder fein raus ... - offiziell zumindest. Welch ein Segen: Die Legende vom Tsunami als Auslöser der Atomkatastrophe in Japan lebt.

    Allerdings fragen sich heute viele Menschen in Deutschland, wie es denn hierzulande wohl wirklich um die Sicherheit der Atomkraftwerke bestellt ist. Vorher hatte es doch immer geheißen, die japanischen Atomkraftwerke seien noch viel sicherer als unsere. Schließlich müssten diese doch den im bekanntlich erdbebengefährdeten Japan recht häufig auftretenden Erdbeben standhalten können.

Es sieht also nicht wirklich danach aus, als hätten die Verantwortlichen in den Chefetagen der Atomkonzerne und deren politische Marionetten wirklich begriffen, was sie den Menschen überall auf der Welt antun. Denen ist nur daran gelegen, dass die Kassen ihrer Konzerne klingeln.

Solange sich daran nichts ändert, werden wir wohl weiter gegen die Nutzung der Atomenergie auf die Straße gehen müssen. - Hier, und überall in der Welt:


Anti-Atom-Demos am 11.03.2012



(Quellen: ZDFzoom vom 07.03.2012, ZDF "Frontal 21" vom 06.03.2012, Süddeutsche Zeitung vom 11.03.2011, .ausgestrahlt)

2 Kommentare:

Wasserfrau hat gesagt…

Guten Tag Juwi, der Film oben hat mich echt umgehauen. Da bleibt nicht mehr viel Vertrauen übrig in die Verantwortungsträger.
Deinen Beitrag habe ich in meinem Blog verlinkt, hoffe das ist okay?
Liebe Grüsse in deine Tag
Elfe

Vronismus hat gesagt…

Hi Juwi,
da kann man echt nicht mehr viel dazu sagen, das Video ist der Hammer!!!
Heutzutage ist eh nur noch alles Lüge!
Mach weiter so, deine Artikel sind wirklich top!
lg vronismus

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