Samstag, 3. März 2012

Energiewende auf Eis gelegt?

Im letzten Winter, als Frankreichs 58 Atommeiler am oberen Leistunglimit liefen und trotzdem nicht in der Lage waren, die benötigte Energie für Millionen von Elektroheizungen in französichen Haushalten zu produzieren, da war die "Grande Nation nucléaire" in der glücklichen Lage, dass Deutschland mit Strom aus regenerativen Energiequellen aushelfen konnte.

Eigentlich sollten die Ereignisse dieses Winters für jeden von uns ein Ansporn sein, den Ausbau erneuerbarer Energien mit aller Macht voranzutreiben und Stromfresser zügig durch energieeffiziente Geräte zu ersetzen. Die Politiker, die ja laut Grundgesetz unseren Willen ("alle Macht geht vom Volke aus" heißt es da) umsetzen sollen, müssten schon von sich aus bereit sein, unser Land zur Nummer Eins unter den atomstromfreien und CO2-neutralen Stromexporteuren Europas zu machen - und sei es auch nur, um die Energieanlagenwirtschaft anzukurbeln und gleichzeitig damit die Rahmenbedingungen für eine höhere Beschäftigung zu schaffen.

Leider ist die Energiewende für die wespenfarbene Bundesregierung scheinbar aber nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Auf fahrlässige Weise verschleppt sie das Ende des Atomzeitalters in Deutschland. Erst in 10 Jahren sollen - nach aktuellem Stand der Planungen - die meisten der neun Atomkraftwerke abgeschaltet werden. In Szenarien von Nichtregierungsorganisationen (NGO) ist vorgerechnet worden, das dieses Ziel bereits in 3 bis 5 Jahren erreichbar gewesen wäre.


Ein Geschenk an die Energiekonzerne ...

Damit die Atomkraftwerke und die fossil befeuerten Großkraftwerke noch bis mindestens 2022 ihre Daseinsberechtigung behalten, sind die politischen Handlanger der Atomkonzerne gerade dabei, die - aus ihrer Sicht offenbar überraschenderweise - erfolgreiche Energiewende auszubremsen. Drastische Kürzungen für die Förderung des Ausbaus der Solarenergie sollen den Zubau neuer Anlagen auf privaten Hausdächern möglichst zum Erliegen bringen.

Da verwundert es natürlich auch nicht, wenn der Verband der Energiewirtschaft (BDEW) die drastische Kürzung der Förderung regenerativer Energien ausdrücklich begrüßt. Das berichtet die TAZ im einem Artikel vom 29.02.2012. Dort erfährt man auch etwas über den Grund für die Freude der Betreiber der Atomkraftwerke und der fossil befeuerten Großkraftwerke. Im letzten Jahr sei die Einspeisung aus Atom-, Steinkohle- und Erdgasanlagen um 33 Terrawattstunden gesunken, während der Anteil der Einspeisung aus regenerativen Energiequellen im gleichen Zeitraum um 19 Terrawattstunden zugenommen habe.

Am Mittwoch wurden die angekündigten Einschnitte bei der Solarförderung in Höhe von bis zu 30 Prozent besiegelt. Die im "Erneuerbare-Energien-Gesetz" (EEG) neu festgelegten Regelungen für Dachanlagen und Solarparks sollen bereits ab dem 09.03.2012 gelten. Wie das "Handelsblatt" in einem Artikel 29.02.2012 auf seiner Onlineseite berichtet, sorgt außerdem eine Regelung für Ärger, mit der die Herren Röttgen (CDU, Bundesumweltminister) und Rösler (FDP, Bundeswirtschaftsminister) einvernehmlich bei allen Ökoenergie-Formen am Parlament vorbei weitere Kürzungen vornehmen könnten.

In einem Redebeitrag im Rahmen der Kundgebung im Anschluss an die Menschenkette im April 2010 entlang der Elbe zwischen den Atomkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel hatte Herr Trittin (Bündnis 90 /Die Grünen) über Herrn Röttgen gesagt: ".. Manche halten ihn ja für einen verkappten Atomkraftgegner. Ich wäre da vorsichtig. Sehr vorsichtig. Vielleicht ist der Herr Röttgen nur nicht so dumm, wie Herr Mappus  (CDU) und der Herr Seehofer (CSU), die einfach offen sagen, wohin die Reise gehen soll. .." (zu hören in meinem Video über die Kundgebung in Glückstadt am 24.04.2010). Auch wenn der Herr Trittin selbst schon Dinge versprochen hat, die hinterher nicht gehalten wurden (Atommülllager Nord), so war seine Warnung bezüglich der Diskrepanz zwischen dem Gerede und dem Handeln Herrn Röttgens damals sicher nicht aus der Luft gegriffen.


... zu Lasten der Energiewende

Wie das "Handelsblatt" weiter berichtet, sind die drastischen Kürzungen und die neue Regelung im EEG aus Sicht der Opposition im Bundestag ein Frontalangriff auf die Energiewende. Die Entscheidungen seien gerade in den östlichen Bundesländern eine Existenzbedrohung für viele Solarfirmen. In einem Artikel ihrer "Energie und Klima-News" vom 01.03.2012 schreibt "Heise Telepolis", eine Berliner Anwaltskanzlei habe deswegen eine Verfassungsbeschwerde gegen die geplante EEG-Novelle angekündigt. Außerdem sei zu prüfen, ob nicht auch eine zivilrechtliche Klage auf Staatshaftung möglich ist, da die Koalition den betroffenen Firmen durch gezielt verbreitete, möglicherweise aber sachlich nicht gerechtfertigte Vorab-Informationen zu geplanten Gesetzesänderungen und mit drastischen Kürzungen bereits erheblichen wirtschaftlichen Schaden zugefügt habe.

Dem Handeslblatt zufolge haben mehrere ostdeutsche Landesregierungen bereits Widerstand angekündigt. Herr Noll (Unternehmensinitiative Energieeffizienz, DENEFF, Vorstand) kritisiert dem Handelsblatt zufolge, dass die Bundesregierung das Potential bei der Energieeinsparung vernachlässigt und statt dessen auf neue Netze und Kraftwerke setzt. Jedes neue Kraftwerk, jeder neue Meter Netz und jeder neue Speicher, werde sich auf den Energierechnungen von Verbrauchern und Unternehmen wiederspiegeln. Noch habe Deutschland einen Anteil von 17 Prozent am Weltmarkt für energieeffiziente Produkte. Beispielsweise habe es bei Kühl- und Gefrierschränken oder bei Dämmstoffen in den letzten Jahren große Fortschritte gegeben. Sollte die Bundesregierung diesen Unternehmen das Wasser abgraben, dann fänden sie zunehmend attraktivere Investitionsbedingungen im Ausland.


Ein Placebo gegen den Widerstand

Angesichts all dieser einzelnen Informationen, die erst zusammen ein komplettes Bild ergeben, drängt sich förmlich der Eindruck auf, diese Bundesregierung habe sich von ihren früher einmal angekündigten Zielen bezüglich des deutschen Beitrags im Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe innerlich längst verabschiedet. Anstatt die dringend notwendige Energiewende - hin zu einer dezentralen Energieversorgung auf Grundlage regenerativer Energiequellen - zielstrebig weiter zu verfolgen, fährt sie einen klimapolitischen Schlingerkurs, mit dem sie die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und die Lebensgrundlagen der nachfolgenden Generationen aufs höchste gefährdet.

"Der Westen" berichtete gestern in seiner Online-Ausgabe, der massive Widerstand in der Bevölkerung, der regenerativen Energiewirtschaft, sowie in Teilen der Politik zeige erste Wirkungen. Der Bund sei offenbar bereit, sich bei den geplanten Kürzungen der Solarförderung zu bewegen. Die Kappung der Einspeisevergütung werde möglicherweise erst zum 01.04.2012 kommen. Darauf weise ein Positionspapier von Union und FDP hin, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliege. Eigentlich war die Kürzung bereits zum 09.03.2012 beschlossen worden. Dieses lächerliche Zugeständnis, das die Wogen des Widerstands glätten soll, gleicht einem Placebo gegen Kopfschmerzen.
  • Wirklich gewonnen wäre damit nämlich noch gar nichts:
    Aufgeschoben ist schließlich nicht aufgehoben!

Der Widerstand lässt deshalb auch in der Politik nicht nach. Die Herren Remmel (Grüne, Nordrhein-Westfahlen, Umweltminister) und Machnig (SPD, Thüringen, Wirtschaftsminister) haben bereits angekündigt, sie würden im Bundesrat gegen die Kappung der Solarvergütung vorgehen. Herr Machnig sehe 30000 der 130000 Jobs in der Solarbranche in Gefahr. Seit längerem stünden die heimischen Hersteller von Photovoltaik-Anlagen maßgeblich aufgrund der Billigkonkurrenz aus China unter Druck. Die Kürzungen könnten für diese Firmen das Aus bedeuten. Eine Kürzung der Förderung um "15 Prozent plus X" hält Herr Machnig dem "Westen" zufolge für denkbar. Ein Zurückfahren um 20 bis 30 Prozent, wie es der Bund vorsieht würden beide Minister jedoch ablehnen.

Rückendeckung erhoffe sich Herr Machnig aus den ostdeutschen Bundesländern, in denen viele Solarparks betrieben werden. Herr Haseloff (CDU, Sachsen-Anhalt, Regierungschef) möchte zum Beispiel, dass alle bereits geplanten Großprojekten noch die bisherige Vergütung erhalten. Diebezüglich könne er auf Unterstützung seiner Parteikollegin Frau Kramp-Karrenbauer (CDU, Saarland, Regierungschefin) hoffen, die eine geringere Förderung für Freiflächen-Anlagen für das "falsche Signal" halte.

  • Die Vergangenheit hat gezeigt, dass einvernehmliche Lösungsansätze oder Absichtserklärungen für freiwillige Beiträge zum Umbau der Energieversorgung in Deutschland nicht zum Erfolg führen und deshalb keine Zukunft haben. Ich hoffe deshalb, dass die wespenfarbene Regierungskoalition bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr die Quittung für ihre gefährliche Energie- und Klimapolitik bekommen wird, und dass die nächste Bundesregierung die Lobbys der Klimakiller und der Atomkonzerne endlich in ihre Schranken verweisen wird. Nur so könnte die Energiewende in unserem Land noch rechtzeitig gelingen.




(Quellen: Der Westen vom 02.03.2011, Heise Telepolis vom 01.03.2012, TAZ vom 29.02.2012, Handelsblatt vom 29.02.2012)

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