Mittwoch, 28. März 2012

Wer anderen eine Grube gräbt

Atomkraft? Nein Danke!Ende letzten Jahres hatte der Atomkonzern "Vattenfall" angekündigt, er werde die Bundesrepublik Deutschland wegen des von ihr in die Wege geleiteten "Atomausstiegs" vor einem internationalen Gericht (ICSID in Washington, USA) auf Schadenersatz verklagen.

Aufgrund der von der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossenen "Laufzeitverlängerung" habe Vattenfall 700 Millionen Euro in seine an der Elbe gelegenen Atomkraftwerke "Brunsbüttel" und "Krümmel" investiert. Diese Investitionen müsse der Atomkonzern jetzt als Verlust verbuchen. Zudem würden ihm die Gewinne aus den im Rahmen der "Laufzeitverlängerung" in Aussicht gestellten Restlaufzeiten entgehen. Die beiden Atomkraftwerke gehören zu den acht nach der Atomkatastrophe in der japanischen Atomanlage "Fukushima-I" abgeschalteten Atomkraftwerken.

Am 21.03.2012 endete die 3-monatige Verhandlungsfrist zur gütlichen Beilegung des Streits über die Kosten des Atomausstiegs. Mit der angedrohten Klage hofft Vattenfall, eine milliardenschwere Entschädigung zu erstreiten. Sollte der Atomkonzern damit Erfolg haben, würden für seine Kosten - unter Umgehung des deutschen Rechts(!) - wieder einmal die Steuerzahler aufkommen müssen.

Die Nichtregierungsorganisation (NGO) "PowerShift" schrieb dazu am 21.03.2012 in einer Pressemitteilung (Zitat): 
"Ab heute müssen wir jederzeit mit der nächsten Vattenfall-Klage gegen die Umwelt- und Energiepolitik Deutschlands rechnen. Der Konzern will seiner eh schon verantwortungslosen Geschäftspolitik nun die Krone aufsetzen: Mit Hilfe hochbezahlter Investitionsrechtsanwälte sollen Vattenfalls Kosten des Atomausstiegs über ein internationales Schiedsgericht auf die Steuerzahler abgewälzt, also sozialisiert werden. Der eigentliche Skandal liegt aber woanders: Die deutsche Bundesregierung ist es, die internationalen Konzernen durch ihre aggressiven Investitionsverträge überhaupt erst solche Extra-Klagerechte außerhalb unseres eigenen und des europäischen Rechtssystems gibt. Mit dieser Politik schießt sie sich abermals ins eigene Knie: Deutschland hat die meisten Investitionsabkommen der Welt abgeschlossen, damit deutsche Konzerne gegen die Politiken anderer Länder klagen können. Dies nutzt Vattenfall nun aus und wendet die Klagerechte gegen Deutschland selbst. Höchste Zeit also für Transparenz und eine Kehrtwende hin zu sozial-ökologischen Investitionsverträgen ohne Sonderrechte für Konzerne."

Erschwerend hinzu kommt noch, dass die wespenfarbene Bundesregierung keinen Zweifel daran gelassen hatte, dass der Vertrag zur "Laufzeitverlängerung" so ausgelegt ist, dass es einer anderen Regierungskoalition nach der Bundestagswahl 2013 teuer zu stehen kömmen würde, falls diese sich zu einer Kündigung der Vereinbarungen entschließen sollte.
  • In diese Grube, die sie anderen Parteien hatten
    graben wollen, sind die CDU, die CSU und die
    FDP am Ende selbst hineingefallen.

Wenn es darum geht, die Bürger Deutschlands zur Kasse zu bitten, sind die Atomkonzerne - wie auch schon in der Vergangenheit - schnell bereit, beide Hände auf zu halten. Hätte der Vattenfall für die wahren Kosten des Betriebs seiner Atomkraftwerke in Deutschland selbst aufkommen müssen, dann hätte er diese bereits vor langer Zeit selbst stillgelegt.


Dreist und raffgierig

Wenn es allerdings um die Verantwortung für die Sicherheit in den Atomkraftwerken geht, dann nimmt man es bei den Vattenfalls "nicht ganz so genau". So wurden - sozusagen pünktlich zum Jahrestag des Super-GAUs von "Fukushima" - in einem Lager unter dem Vattenfall-Atomkraftwerk "Brunsbüttel" durchgerostete Atommüllfässer entdeckt - nicht etwa, weil Vattenfall vielleicht die Aufsichtsbehörde darüber informiert hätte, sondern weil diese aufgrund eines besonders umfangreich dokumentierten Umlagerungsprozesses selbst darauf aufmerksam geworden war.

Weitere Nachforschungen führten dann zu der Erkenntnis, dass auch unter Vattenfalls Atomkraftwerk "Krümmel" knapp 200 Fässer mit schwach- und mittelaktiven Abfällen lagern. Über den Zustand der Behälter sei wegen der hohen Strahlung in den Lagerräumen nichts bekannt. Das Lager sei ja auch nicht für den Aufenthalt von Menschen ausgelegt worden. Insgesamt belaufe sich der Bestand an Atommüllfässern auf dem Gelände auf rund 1200, von denen die ältesten aus dem Jahre 1984 stammen.

Doch das ist nur der erste, und - nach den Erfahrungen mit Vattenfall in der Vergangenheit - mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nicht der letzte Skandal. Am 28.06.2007 waren die beiden Vattenfall-Meiler an der Elbe in die Schlagzeilen geraten, nachdem es zuerst in "Brunsbüttel" zu einem Kurzschluss gekommen war und kurz darauf zu einem Trafobrand in "Krümmel". Entgegen anfänglicher Behauptungen Vattenfalls, der Brand habe keine Auswirkungen auf den Reaktor gehabt, stellte sich später heraus, dass dieses sehr wohl der Fall gewesen war. Nachdem "Krümmel" daraufhin fast zwei Jahre lang vom Netz gewesen war, wurde der Atomreaktor am 04.07.2009 wieder hochgefahren. Bereits am Mittag des gleichen Tages, erfolgte die nächste Reaktor-Schnellabschaltung: Aufgrund eines weiteren Trafobrands! Danach blieb der Meiler erneut für längere Zeit vom Netz. Für Anfang 2011 hatte Vattenfall die Wiederinbetriebnahme des Atomreaktors beantragt - aber dann bebte in Japan die Erde und löste in "Fukushima" den Super-GAU aus ...

In Anbetracht dessen, wie unter anderem auch Vattenfall unsere Sicherheit auf's Spiel setzt und was uns der Betrieb der Atomkraftwerke aufgrund offener und versteckter Subventionen schon gekostet hat, erscheint die Drohung des Atomkonzerns mit einer Klage auf Schadenersatz mehr als dreist. Hinzu kommt, dass wir im Falle eines Super-GAUs in einem der deutschen Atomkraftwerke nicht nur den Schaden hätten, sondern aufgrund fehlender Haftpflicht-Deckung für den Betrieb der Atomkraftwerke auch noch für die Folgeschäden einer solchen Atomkatastrophe aufkommen müssten. Im allgemeinen bezeichnet man ein solches Verhalten wohl als raffgierig.


Zum Weiterlesen:


(Quellen: contrAtom vom 20.03.2012, Hamburger Abendblatt vom 09.03.2012, Spiegel vom 11.05.2011, Focus vom 02.11.2011, FAZ vom 10.09.2010, Spiegel vom 05.07.2009, vom 04.07.2007 und vom 29.06.2007, PowerShift)

1 Kommentar:

Peter Fuchs (PowerShift) hat gesagt…

Danke für Ihr Posting zur drohenden Schiedsgerichtsklage von Vattenfall. Die leicht korrigierte/aktualisierte Fassung des PowerShift-Briefings gibt's hier: http://power-shift.de/wordpress/wp-content/uploads/2012/03/PowerShift-Forum-Briefing-Vattenfall-Atomausstieg-ICSID-Klage-210312_2.pdf

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