Montag, 31. Mai 2010

Die Geeste - Von der Franzosenbrücke zur Achgelisbrücke


Von der Franzosenbrücke zur Achgelisbrücke

Die vierte Etappe meines Pfingstspaziergangs führt von der Franzosenbrücke entlang der ersten von drei erhalten gebliebenen Geesteschleifen zur Achgelisbrücke.

Die Geesteschleifen, die es flussaufwärts einmal gegeben hat, sind im Laufe der Zeit Flussbegradigungen zum Opfer gefallen. Nur in der Feldmark am rechten Ufer der Geeste zwischen der Schiffdorfer Stauschleuse und der Autobahn sind noch die Reste einer ehemaligen Flussschleife zu erkennen. Die anderen ehemaligen Geesteschleifen sind nach und nach unter den Häusern und Straßen Bremerhavens verschwunden. Nachdem die Geeste die Franzosenbrücke passiert hat ist ihr Flusslauf jedoch noch ein typischer Mäander. In weiten Bögen schlängelt sich von hier aus zwischen den Stadtteilen Lehe, Geestemünde und Mitte durch die Stadt. Gleich hinter der Franzosenbrücke steht am linken Flussufer das Vereinshaus des Bremerhavener Rudervereins mit seinem in die Geeste hineinrageden Schwimmsteg.

Das Gelände am rechten Flussufer hinter der Franzosenbrücke ist ein ehemaliger Werftstandort. Die erste Werftgründung war im Jahre 1895 die "Delphin-Werft Riedemann & Co. GmbH", deren Ursprünge auf eine Bootswerft zurückgehen, die sich hier in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts angesiedelt hatte. 1910 ging aus der Delphin Werft die "Schiffbau-Gesellschaft Unterweser mbH" hervor. Aufgrund der örtlichen Gegebenheiten baute man die Schiffe nicht wie sonst üblich auf einem Längshelgen, von dem die Neubauten mit dem Heck voran ins Wasser gleiten, sondern der Einfachheit halber auf einem Querhelgen von dem die Schiffe mit der Breitseite vom Stapel liefen. Zusätzlich zum Querhelgen wurde später jedoch flussaufwärts auch noch ein Längshelgen errichtet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg konzentrierte sich die Werft auf den Bau von Fischtrawlern und Frachtschiffen. Mitte der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts kam der Bau von Fährschiffen hinzu. Für diese großen Schiffe reichte der Langshelgen nicht mehr aus. 1964 wurde er abgebrochen und die Querhelgen wurden verstärkt. Acht Jahre später fusionierte die "Schiffbau-Gesellschaft Unterweser" mit der "Schichau GmbH" zur "Schichau Unterweser AG" (SUAG). Neben Fährschiffen und Fischereifahrzeugen entstanden jetzt auch Spezialschiffe.

Der Stapellauf vom Querhelgen erzeugte jedesmal einen gigantischen Wasserschwall, der bis weit hinauf auf die Wiesen am gegenüberliegenden Geesteufer schwappte. Dieses Schauspiel zog immer viele Schaulustige an, die - wenn sie vor lauter Übermut etwas unvorsichtig waren - dabei auch schon mal nasse Füße bekamen.

Mit dem Bau immer größerer Schiffe wurde der unterhalb des Tidesperrwerks von Ebbe und Flut beeinflusste Wasserstand der Geeste immer mehr zu einem Problem. Der enge, mäandernde Fluss mit seiner manchmal gerade noch ausreichenden Wassertiefe ließ den Stapellauf und die Überführung der Neubauten nur noch bei Hochwasser zu. Das letzte komplette Schiff der SUAG lief im Jahre 1988 vom Stapel. Im selben Jahr schloss sich die SUAG mit der "Seebeckwerft AG" zur "Schichau Seebeckwerft AG" zusammen. Der Bau kompletter Schiffe fand ab jetzt nur noch auf Seebeck-Helgen im Fischereihafen statt. Auf dem Werftgelände an der Geeste entstand die "Geeste-Metallbau-GmbH". Dort wurden jetzt Schiffssektionen gebaut, die nach ihrer Fertigstellung mit Schleppern die Geeste hinab auf Pontons zur Montage in den Fischereihafen geschleppt wurden.

Mit dem Konkurs der "Bremer Vulkan Verbund AG, Gruppe Werften" der auch die Geeste-Metallbau angehörte schloss der letzte Schiffbaubetrieb an der Geeste im Jahre 1998 für immer seine Tore. Von den ehemaligen Werftanlagen sind nur noch die zu einem gepflasterten Platz umgestaltete Ausrüstungskaje und die Reste der Helgen erhalten geblieben, die bei Ebbe aus dem Schlick der Geeste herausragen.

Auf das ehemalige Werftgelände folgt am gleichen Ufer der Geeste das frühere Kalksandsteinwerk der Firma Kistner die hier einmal ihren Firmensitz hatte. Neben dem Kalksandsteinwerk und der Verwaltung betrieb Kistner auf dem Gelände auch einen Baustoffhandel und einen Bau- und Hobbymarkt. Das Landesamt für Denkmalschutz des Landes Bremen hat das ehemalige Kalksandsteinwerk als letztes Zeugnis ehemaliger Industriestandorte im Bremerhavener Stadtteil Lehe auf die Liste der erhaltenswerten Baudenkmäler gesetzt. Von der ehemaligen Ausrüstungskaje der Werft blickt man flussaufwärts auf die Umschlagkaje des Kalksandsteinwerks, an der früher einmal die Lastkähne mit dem Rohmaterial für die Kalksandsteinherstellung anlegten.

An dieser Stelle fließt die Geeste mit mit einer großen Linkskurve zurück in Richtung der Stresemannstraße. Über die von der Geesteschleife eingeschlossene Fläche verläuft von der Anschlusstelle der Autobahn die Grimsbystraße, die an ihrem Ende am Freigebiet auf die Lloydstraße trifft, und im weiteren Verlauf zu den Havenwelten am Alten- und Neuen Hafen führt. Kurz vor ihrem Ende überquert die Grimsbystraße auf einer Stahl-Drehbrücke die Geeste. Von der Brücke sieht man flussaufwärts noch einmal das Kistner-Gelände und linkerhand die Grundstücke entlang des Birkenwegs sowie die Rückseiten der Gründerzeithäuser an der Hafenstraße im Süden des Stadtteils Lehe. Flussabwärts erstreckt sich am rechten Flussufer ein Kleingartengebiet.

Zu der Zeit, als die Drehbrücke gebaut wurde, war das schnelle Ende der SUAG und ihrer Nachfolgerin Geeste-Metallbau noch nicht absehbar. Um den Werftstandort und die dortigen Arbeitsplätze nicht zu gefährden, war der Bau einer beweglichen Brücke notwendig. Rückblickend hätte es eigentlich auch eine kostengünstigere, feststehende Brücke getan. Das Ende für den Leher Werftstandort wäre dann nur wenige Jahre vorher besiegelt gewesen.

Kurz bevor die Geeste auf die Stresemannstraße treffen würde, verläuft das Flussbett in einem weiteren Schleife nach rechts. Auf Deich auf der linken Flusseite stehend hat man von der Flussbiegung einen weiten Blick über ein Schilffeld von der Brücke der Grimsbystraße über das Kleingartengebiet am gegenüberliegenden Ufer bis zu den Gebäuden auf dem Gelände der Marineschule zwischen dem linken Geesteufer und der Stresemannstraße. Im Hintergrund sind die Wohnhochhäuser des Columbus-Centers und der Sail City Turm in den Havenwelten zu sehen, deren Spitzen in der Hochnebeldecke verschwinden, die sich am Nachmittag zeitweise über der Stadt ausbreitete. In der letzten Szene des Videos ist im Hintergrund schon die Achgelisbrücke zu sehen, die für Radfahrer und Fußgänger eine schnelle Verbindung zwischen den Stadtteilen Geestemünde und Lehe darstellt.

Die Geeste

(Quelle "Delphin Werft": Lehe 06)

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