Freitag, 6. Januar 2012

Alle Klarheiten beseitigt

Nachdem die Medien deutschlandweit berichtet hatten, Herr Wulff (Bundespräsident) habe versucht die Veröffentlichung der Umstände der Finanzierung seines Eigenheims mit einem Drohanruf zu unterbinden, sendeten ARD und ZDF am 04.01.2012 ein gemeinsames Interview mit Herrn Wulff, in dessen Verlauf er das Ziel seines Anrufs anders darstellte.

Auf die Frage von Frau Schausten (ZDF, Zitat):
"Müsste aber nicht um so mehr für einen Bundespräsidenten, der eben die Grundrechte ja nun vertritt und zu achten hat, der Versuch, unliebsame Berichterstattung im vorhinein zu verhindern, tabu sein?", antwortete er (Zitat): ".. Ich hab nicht versucht sie zu verhindern. Ich hab darum gebeten, einen Tag abzuwarten, und in der Berichterstattung aufzunehmen, dass ich den Vertrag offenbart habe, die private Kreditgeberin genannt habe, und nicht zu berichten, man habe das recherchiert. Darüber gabs die Auseinandersetzung. .."

Herr Blome (Bild-Zeitung, stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Hauptstadtbüros) widersprach dieser Darstellung Herrn Wulffs am 04.01.2012 in einer Sendung des Deutschlandfunks (Zitat):
"Sie werden nicht überrascht sein, dass wir uns auch die Passagen zu dem Anruf des Bundespräsidenten auf der Mailbox des Chefredakteurs der 'Bild'-Zeitung, Kai Diekmann, ziemlich genau angeschaut haben, und den Satz von Herrn Bundespräsident Wulff, ich wollte die Berichterstattung nicht verhindern, das haben wir damals deutlich anders wahrgenommen. Es war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu unterbinden. Und wenn Sie das jetzt als Drohung bezeichnen, das ist vielleicht eine Geschmacksfrage. Aber klar war das Ziel dieses Anrufes, die Absicht und das Motiv, diesen ersten Breaking-Bericht über die Finanzierung seines privaten Hauses zu unterbinden."

Zur Klarstellung der widersprüchlichen Darstellungen hätte eine Veröffentlichung des am 12.12.2011 auf der Mailbox des Chefredakteurs der Bild-Zeitung aufgezeihneten Anrufs von Herrn Wulff beitragen können. Einer entsprechenden Bitte um Erlaubnis erteilte Herr Wulf in einem offenen Brief an Herrn Diekmann (Bild-Zeitung, Chefredakteur) jedoch eine klare Absage (Zitat):
".. Die in einer außergewöhnlich emotionalen Situation gesprochenen Worte waren ausschließlich für Sie und für sonst niemanden bestimmt. Ich habe mich Ihnen gegenüber kurz darauf persönlich entschuldigt. Sie haben diese Entschuldigung dankenswerterweise angenommen. Damit war die Sache zwischen uns erledigt. Dabei sollte es aus meiner Sicht bleiben. ..


Wie ich gestern auf Nachfrage im Fernsehinterview sagte, ging es mir darum, der Bild-Zeitung meine Sicht darzulegen, bevor sie über eine Veröffentlichung entscheidet. Da ich mich auf Auslandsreise in der Golfregion mit engem Programm befand, konnte ich das aber erst nach meiner Rückkehr nach Deutschland am Abend des Dienstag, 13. Dezember, tun.


Wie sich aus der Ihrem Schreiben beigefügten Mail ergibt, hatte deshalb mein Sprecher den recherchierenden Redakteur der Bild-Zeitung um Verschiebung der Frist zur Beantwortung des differenzierten Fragenkatalogs zu meinem Eigenheimkredit gebeten. Der Redakteur hatte aber nur Verlängerung bis zum Nachmittag des Montag, 12. Dezember, zugesagt. Es gab für mich keinen ersichtlichen Grund, warum die Bild-Zeitung nicht noch einen Tag warten konnte, wo die erfragten Vorgänge schon Jahre, zum Teil Jahrzehnte zurückliegen. .."

Die Chefredaktion der Zeitung veröffentlichte daraufhin auf ihrer Internetseite eine Stellungnahme mit folgendem Wortlaut (Zitat):
"Die BILD-Chefredaktion nimmt zur Kenntnis, dass Bundespräsident Christian Wulff in seiner Antwort vom 5. Januar 2012, einer Veröffentlichung des Wortlauts des Anrufs auf der Mailbox von Kai Diekmann nicht zustimmt. Die Redaktion bedauert diese Entscheidung. Damit können die im Zusammenhang mit dem Fernsehinterview des Bundespräsidenten entstandenen Unstimmigkeiten, was das Ziel seines Anrufs angeht, nicht im Sinne der von ihm versprochenen Transparenz aufgeklärt werden."

Wenn einer Umfrage des "Deutschlandtrends" der ARD zufolge inzwischen eine knappe Mehrheit der Befragten einen Rücktritt Herrn Wulfs für richtig halten würde, dann liegt das aus meiner Sicht an der weiterhin klaffenden Lücke zwischen den - auch von ihm im Interview von ARD und ZDF erklärten - Ansprüchen an seine Person im Amt des Bundespräsidenten und seinem diesbezüglichen Handeln. Den meisten Bundesbürgern geht es wohl in der Hauptsache eigentlich auch gar nicht mehr um die "Kreditaffäre" aus der Zeit des Ministerpräsidenten Wulff, sondern vielmehr um die weiterhin im Raum stehende Unterdrückung der Pressefreiheit seitens des Bundespräsidenten Wulff.

Möglicherweise wollte Herr Wulff mit seiner Absage an eine Veröffentlichung des Telefonanrufs ja nur eine weitere öffentliche Peinlichkeit vermeiden. Denkbar ist aber auch, dass es etwas zu verbergen gibt, was - wie es die Redaktion der Bild-Zeitung darstellt - seiner Darstellung während seines Fernseh-Interviews widerspricht. So wie es derzeit aussieht, werden wir uns wohl bis zum regulären Ende der Amtszeit des Bundespräsidenten Wulff mit dieser Unsicherheit abfinden müssen.


(Quellen: Tagesschau vom 06.01.2012 und vom 04.01.2012, Bild-Zeitung vom 05.01.2012, Deutschlandfunk vom 04.01.2012, Deutschlandtrend vom 04.01.2012)

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Eine echt peinliche Geschichte... wir haben es auch im TV gesehen....
Herzliche Grüsse
Brigitte

Frau Momo hat gesagt…

Damit, der er der Veröffentlichung widersprochen hat, hat er nur eine weitere Peinlichkeit hinzugefügt. Denn die Schlußfolgerung, das die Darstellung der Blöd-Zeitung stimmt, liegt ja irgendwie nahe.
Heute gibt es ein interessante Aktion in Berlin. Shoe for you, Mr. Präsident. Einzelheiten dazu bei uns.
Der Mann muß weg. Und wenn Mutti klug wäre, dann jetzt, bevor sie nach der SH Wahl die Mehrheit in der Bundesversammlung verliert :-)

juwi hat gesagt…

@Frau Momo: Stimmt. Und auf den ersten Blick ist das ganze ja auch eine tolle Werbung des Bundespräsidenten für dieses - wenn es um die Privatsphäre prominenter Persönlichkeiten geht - ansonsten nicht gerade als zimperlich bekannten Boulevard-Blatts. Der Widerspruch Herrn Wulffs und die dadurch genährten Spekulationen, die nicht nur deiner Ansicht nach die von dir genannte Schlussfolgerung nahelegen, verleihen dem bunten Bilderblatt immerhin eine Art journalistischer Ernsthaftigkeit, die man ihm im allgemeinen nicht gerade nachsagen kann. Ich bin gespannt, ob da seitens der Bild-Zeitung noch etwas nach kommt, wenn die Sache auflagenmäßig langsam nachzulassen droht.

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