Donnerstag, 5. Januar 2012

36000 Einwände gegen polnisches Atomprogramm

Atomkraft? Nein Danke!Trotz der atomaren Super-GAUs von Tschernobyl und Fukushima mit all ihren bekannten Folgen für die Menschen in der Ukraine und deren Nachbarstaaten, sowie in Japan, plant Polen den Aufbau einer umfassenden Atomindustrie mit Uranabbau, Atomkraftwerken, Wiederaufarbeitung und Schnellen-Brütern.

Voraussichtlich etwa 250 Kilometer von der deutsch-polnischen Grenze enfernt soll dafür an der Ostseeküste in der Nähe von Danzig bis 2020 mindestens ein Atomkraftwerk gebaut werden.

Im Rahmen der von der EU geforderten "Strategischen Umweltprüfung" (SUP) hatten die deutsche Öffentlichkeit und Behörden bis gestern Gelegenheit, Stellungnahmen zu verfassen oder die Musterstellungnahme des "Umweltinstitut München e.V." zu unterzeichnen. Daran beteiligten sich insgesamt 36000 Bürgerinnen und Bürger. Gestern wurden die letzten Stellungnahmen gegen das polnische Atomenergieprogramm bei den zuständigen polnischen Behörden eingereicht.

Das "Umweltinstitut München" bemängelt das Fehlen eines schlüssigen Konzepts für die Versorgung mit Uranbrennstoff und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle in den polnischen Atomplänen. Völlig unrealistische Katastrophenszenarien, sowie die unzureichende Prüfung der Alternativen, böten Anlass für Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Umweltprüfung für das polnische Atomprogramm.

Frau Wurzbacher (Umweltinstitut München, Physikerin) verweist neben unkalkulierbaren Kostenentwicklungen auch auf dieVerschärfung der Gefährdungslage durch neue Atomkraft-Anlagen in Europa (Zitat):
"Es ist abzusehen, dass bei den infrage kommenden Reaktortypen, die allesamt noch nirgendwo auf der Welt in Betrieb sind, Pannen, Verzögerungen und Kostensteigerungen auftreten werden. Schon jetzt wurden bei den in Bau befindlichen EPR-Reaktoren*) schwerwiegende Mängel bei den Sicherheitssystemen festgestellt."

Die Technik der "neuen Atomkraftwerke" der bisher einzigen im Bau befindlichen EPR-Reaktoren in Finnland (Olkiluoto 3) und Frankreich (Flamanville) wird bei deren Inbetriebnahme mit rund 20 Jahren bereits veraltet sein. Nur vier Jahre waren vergangen, als "Framatome" (Frankreich) und "Siemens" (Deutschland) im Jahre 1989 mit der Unterzeichnung eines Kooperationsabkommens die gemeinsame Entwicklung des EPR beschlossen. "Framatom" ist seit 2001 Bestandteil des "AREVA"-Konzerns, der im gleichen Jahr aus der Fusion zusammen mehrerer weiterer Atomkraft-Unternehmen entstanden ist. Ende 1994 wurden die Zielvorgaben für den Bau des neuen Atomreaktors bekannt gegeben.

2005 erfolgte dann die Baugenehmigung für den ersten EPR (Block 3 der Atomkraftanlage "Olkiluoto", gleichzeitig der erste Neubau eines Atomkraftwerks seit dem Super-GAU von Tschernobyl) in Finnland und Ende 2007 begann der Bau eines zweiten EPR am Atomkraft-Standort "Flamanville" (Frankreich). Die Kosten beider Reaktoren belaufen sich inzwischen auf mehr als das doppelte der ursprünglichen Kalkulation.

Aufgrund der Kostenexplosion beim Bau von "Olkiluoto 3" beendete Siemens im Frühjahr 2011 die Zusammenarbeit mit AREVA. Da die neuen Atomkraftwerke "schlüsselfertig" zu einem Fixpreis ("Olkiluoto 3" für 3 Milliarden Euro / Flamanville für 3,3 Milliarden Euro) übergeben werden sollten, verzeichnet "AREVA" bereits jetzt hohe Verluste, auf denen der französische Konzern nach dem Ausstieg von Siemens möglicherweise allein sitzen bleiben wird. Im Juli 2011 rechnete "AREVA" für "Flamanville" mit Baukosten von 6 Milliarden Euro bis 2016. Über Übernahme die derzeit zu erwartenden Mehrkosten für "Olkiluoto 3" streiten die ehemaligen Partner Siemens und AREVA inzwischen vor Gericht.

Die bekannt gewordenen Mängel bei der Bauausführung in Finnland und in Frankreich verheißen nichts Gutes für die Dauer der vom Hersteller AREVA mit 60 Jahren angegebenen Betriebszeit der Atomreaktoren, deren voraussichtliche Fertigstellung und Inbetriebnahme sich bereits um mehrere Jahre immer weiter verzögert (Flamanville: 2012, 2014, 2016, ... / Olkiluoto 3: 2011, 2012, 2014).

Angesichts ähnlicher Zukunftsaussichten wird Polen wohl pleite sein, bevor es sein gigantisches Atomprogramm in die Tat umgesetzt haben wird. Sollte Polen seine irrsinnigen Atompläne wirklich umsetzen, dann würden angesichts der von "AREVA" prognostizierten Betriebszeiten für den EPR selbst die Kinder unserer Enkel noch mit der permanenten Bedrohung durch die Atomkraftwerke unseres Nachbarn leben müssen.


*) EPR: Europäischer Druckwasserreaktor (European Pressurized Water Reactor)

(Quellen: Umweltinstitut München vom 04.01.2012, contrAtom vom 16.11.2011, Stern vom 20.07.2011, FAZ vom 06.02.2010, WOZ vom 10.09.2009, Heise telepolis vom 04.07.2009, Wikipedia)

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