Dienstag, 9. September 2008

Afghanistan: Der Krieg, der keiner sein darf

"Das Gerede vom Krieg"

Die Nordsee-Zeitung berichtete am 04.09.2008, Herr Jung (Verteidigungsminister) sei genervt über das "Gerede vom Krieg". In Afghanistan herrsche kein Krieg. Er verstehe unter Krieg etwas anderes. Wie er Krieg definiert, habe der Minister jedoch nicht gesagt. Zum Auftakt seiner Reise nach Afghanistan habe Herr Jung die Soldaten in Kundus besucht. Wegen des Todes eines Bundeswehrsoldaten in der Woche zuvor sei die Stimmung unter ihnen angespannt gewesen. Gleich mehrfach habe Herr Jung die Forderung nach dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan kritisiert, die laut Umfragen von den meisten Deutschen vertreten wird. Herr Jung habe gesagt, wer einem Abzug der Bundeswehr das Wort rede, der betreibe "das Geschäft derjenigen, die letztlich unsere Soldaten gefährden". Er habe den Eindruck, die "Aufständischen" wüssten um die Diskussion in Deutschland und nähmen die Bundeswehr daher gezielt ins Visier. Will Herr Jung damit den Bürgern Deutschlands das Denken verbieten? Darf man es schon nicht mehr sagen, wenn man anders über dieses militärische Abenteuer der Bundeswehr in Ausland denkt? Die Befürworter der Auslandseinsätze der Bundeswehr in den Bundesregierungen der letzten 6 Jahre sind dafür verantwortlich, dass die Bundeswehr überhaupt in Afghanistan ist und dass dort "letztlich unsere Soldaten gefährdet" sind.


Die Bundeswehr -
vom humanitären Einsatz ...


Die ersten Bundeswehrsoldaten sind nach Afghanistan geschickt worden, um beim Wiederaufbau der Infrastruktur für ein funktionierendes Gesellschaftsleben in Afghanistan zu helfen. Das ist lange her und ist auch ziemlich lange einigermaßen gut gegangen. Bei Angriffen auf die Bundeswehr während dieser Zeit stand man auf der Seite der Guten. Nach allem was ich aus den Medien mitbekommen habe, ist das wohl auch von der Afghanischen Bevölkerung während dieser Zeit so gesehen worden.


... über die Unterstützung militärischer Einsätze ...

Anstatt ausschließlich diese zur Stabilisierung des Landes wichtigen humanitären Aufgaben gezielt weiter zu verfolgen, hat sich die Bundesregierung von ihren "Freunden" in der Nato dazu überreden lassen, zusätzlich Kriegsgerät zur Unterstützung kämpfender Truppen zur Verfügung zu stellen. DAS hat sie in das Visier der Taliban manövriert - NICHT das "Gerede vom Krieg" und der Wunsch einer Mehrheit der Deutschen, die Konsequenzen aus der veränderten Lage zu ziehen, und die Bundeswehr aus Afghanistan abzuziehen.


... zur Kriegsbeteiligten

Auffällig ist aus meiner Sicht die Häufung der Angriffe auf die Bundeswehr nach der Übernahme des Kommandos über das Regionalkommando Nord (RC N) von Norwegen. In diesem Rahmen stellt Deutschland seit kurzem die sogenannte "Quick Reaction Force" (QRF, Schnelle Eingreiftruppe). Der Auftrag der QRF kann Patrouilleneinsätze, Absicherungsoperationen von öffentlichen Veranstaltungen, den Schutz von Konvois, Evakuierungsoperationen, den Einsatz gegen gewaltbereite Menschenmengen umfassen und er schließt dabei auch den Einsatz als taktische Reserve des Regionalkommandeurs Nord nicht aus. So wird das auf der Internetseite der Bundeswehr formuliert. Ich habe in diesem Zusammenhang aber auch schon von verschiedenen Seiten den Ausdruck "möglicher Kampfeinsatz" anstelle von "taktische Reserve" gehört. Darauf deutet aus meiner Sicht auch ein Artikel in der Nordsee-Zeitung vom 08.09.2008 hin. Darin ist zu lesen, dass Deutsche Soldaten laut einem Bericht des "Spiegel" in Nordafghanistan drei Führer der radikal-islamischen Taliban jagen. Und da meint Herr Jung, in Afghanistan herrsche kein Krieg? Zu den Gejagten gehöre auch Mullah Salam (Taliban-Kommandeur für den Nordosten), der für den bislang verheerendsten Anschlag auf die Bundeswehr vom Mai 2007 mit drei Toten verantwortlich gemacht werde. Das heißt doch, die Taliban haben im Mai 2007 die Bundeswehr angegriffen, dabei drei Soldaten umgebracht, und als Reaktion darauf jagt jetzt die Bundeswehr die Angreifer. Auch DAS hat mit Sicherheit dazu beigetragen, dass die Bundesswehr in Afghanistan vermehrt zur Zielscheibe von Angriffen geworden ist.

Zur Erinnerung:
Wie auch immer man über die Zeit in Afghanistan denkt, als nach dem Rückzug Russlands und den anschließenden Kämpfen zwischen den verschiedenen Mudschaheddin-Gruppierungen, die Taliban dort regierten ... - das Taliban Regime ist in einem von den USA geführten Angriffskrieg vernichtend geschlagen worden. Das von den USA als Kriegsgrund vorgeschobene Kriegsziel, nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York Osama Bin Ladens habhaft zu werden, wurde jedoch nicht erreicht. Um die geflohenen Überlebenden der Taliban daran zu hindern, nach Afghanistan zurückzukehren, wurden im Rahmen der ISAF-Mission der UNO Soldaten aus mehreren Nationen nach Afghanistan geschickt. Die Taliban haben sich wieder gesammelt, und angefangen mit terroristischen Mitteln zurückzuschlagen. Das ist eigentlich nichts Neues. Anfang des letzten Jahrhunderts nannte man diese damals neue Form von Kämpfen noch Partisanenkrieg, als kleine Wider- standsgruppen aus der Zivilbevölkerung eroberter Länder immer wieder Besatzungstruppen aus dem Hinterhalt angriffen - und egal wie der Herr Jung das heute nennt: Nach meinem Verständnis ist das Krieg!

Die Nordsee-Zeitung schrieb, zwar sehe der oberste Dienstherr der deutschen Soldaten die ISAF weiterhin auf dem richtigen Kurs. Doch immer wieder betone er, die Lage sei angespannt und habe sich verschärft. Sie zitiert ihn mit den Worten: "Wir sind hier in einem risikoreichen Einsatz." Herr Gertz (Vorsitzender des Bundeswehr-Verbandes) hatte das vor einigen Tagen "etwas drastischer" mit den Worten "Wir befinden uns in einem Krieg gegen einen zu allem entschlossenen, fanatischen Gegner" ausgedrückt. Die Angriffe auf deutsche Soldaten haben in den vergangenen Wochen bedrohlich zugenommen. Doch die verantwortlichen Politiker wollen offensichtlich der Realität nicht ins Auge sehen. Es ist einfach nicht, was nicht sein darf: Die Bundeswehr hat in Afghanistan selbstverständlich keinen Kampfauftrag und der Begriff Krieg ist in diesem Zusammenhang sowieso tabu. Herr Gertz hat auch dafür die passenden Worte gefunden:

Die Bundesregierung verschleiert die Wahrheit über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan.

Ich finde es zwar "ziemlich bedenklich", aber ich denke, der Herr Gertz wird das aufgrund seines "beruflichen Sachverstands" sicher besser beurteilen können als sein oberster Dienstherr, der Herr Jung.


Das Ende der Unschuld

Es hat jetzt seit nahezu einem Jahrhundert immer wieder Versuche gegeben, Partisanengruppen oder Terroristen unter Einsatz militärischer Mittel mit gigantischen Kriegsmaschinerien zu besiegen - zum Erfolg hat das noch nie wirklich geführt. Ich fürchte, dass wird auch Deutschland und seine Bundeswehr erst noch schmerzlich erfahren müssen. Aber nach dem Ende des Kalten Krieges mit seinen einschränkenden Auflagen der Alliierten für die Bundeswehr sind wir ja wieder wer. Da heißt es "Verantwortung zu übernehmen"! Mir wird speiübel, wenn ich sehe, wie schnell sich die Bundeswehr schleichend von ihrem ursprünglichen Auftrag der "Landesverteidigung innerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Deutschland" zu einer irgendwo in der Welt in tödliche Kämpfe verwickelten Armee entwickelt hat. Dafür wurde - und wird - ein imenser materieller und personeller Aufwand getrieben, der mit finanziellen Mitteln aus unseren Steuergeldern finanziert wird, während viele Menschen in Deutschland nicht wissen, woher sie das Geld für das tägliche Leben nehmen sollen. Dass Bundeswehrsoldaten - unsere Mitbürger aus Deutschland - jetzt auch noch für den Tod von Frauen und Kindern irgendwo in Afghanistan verantwortlich sind macht mich in Anbetracht der kriegerischen Vergangenheit Deutschlands zu Beginn des letzten Jahrhunderts einfach nur fassungslos.

Diese Zäsur ist das Ende der Unschuld. Auf der weißen Weste der "Guten" sind jetzt die ersten roten Blutflecke zu erkennen ...


Gott sagt: "Du sollst nicht töten"

Die Bibel: Exodus, Die 10 Gebote
(2. Buch Mose, Kap. 20, Vers 13)


Es muss wohl einige Christen geben, für die dieses grundlegende
Gebot Gottes nur unter Vorbehalt Gültigkeit zu haben scheint.

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