Sonntag, 15. Dezember 2013

TTIP: Vorrang für Profite gegenüber der Demokratie

Hinter verschlossenen Türen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandeln die USA seit einiger Zeit über zwei großräumige Freihandelsabkommen. Dabei handelt es sich um das Transpazifische Freihandelsabkommen (TPP) und um das Transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP).

Das TPP ist ein streng geheimes  and weitreichendes Freihandelsankommen zwischen den USA und zwölf Pazifik Anreinerstaaten, inklusive Kanada, Mexico, Neuseeland und Australien. Durchgesickerte Texte lassen erkennen, dass das TPP Unternehmen und Konzerne dazu ermächtigen würde, auf direktem Wege vor nichtöffentlichen und intransparenten Handesltribunalen gegen Regierungen zu klagen, wenn deren Gesetze und Verordnungen  ihre Profite schmälern könnten.

Wir Europäer würden direkt von den Folgen des TTIP betroffen sein, das seit Juli zwischen der Europäischen Union und den USA verhandelt wird - wie es heißt, um "Handelshemmnisse" dies- und jenseits des Atlantiks abzubauen.

In der EU haben weder die Mitgliedsstaaten noch die nicht an den Verhandlungen beteiligten EU-Kommissare oder gar die Abgeordneten des Europäischen Parlaments und der  nationalen Parlamente Einblick in die Verhandlungsdokumente.

Andererseits haben einige hundert Industrielobbyisten exklusiven Zugang und die Möglichkeit, ihre Interessen direkt in den Vertrag zu diktieren. Ziel der Verhandlungs-Elite ist es, die Verhandlungen geheim abzuschließen und den demokratisch gewählten Vertretungen der Bürger/innen dann nur noch die Wahl zwischen der Zustimmung und der Ablehnung zu lassen.

Bei den Verhandlungen um das TTIP geht es - ebenso, wie beim TPP - nicht um ein klassisches Freihandelsabkommen, das die Abschaffung von Zöllen und Handelsschranken zum Ziel hätte. Statt dessen sollen so genannte "nichttarifäre Handelshemmnisse" abgebaut werden. Als "Handelshemmnis" können die Vertragspartner alles definieren, was der freien Entfaltung der Unternehmen und Konzerne im Weg steht:
  • Verbraucherschutz
  • Kennzeichnungspflicht für genmanipulierte Lebensmittel
  • Datenschutz
  • Arbeitnehmerrechte
  • ... 

Unternehmen, Konzerne und Exporteure könnten Staaten vor Schiedsgerichten verklagen, wenn sie ihre Gewinnaussichten durch deren Gesetze und Verordnungen verletzt sehen würden. Damit hätten sie die Macht, Gesetze für den Verbraucher-, Klima- oder Umweltschutz etc. per Klage außer Kraft zu setzen. Wenn mit dem TTIP alle Schranken fallen würden. dann wäre das gleichbedeutend mit dem Ende der freiheitlichen Selbstbestimmung der demokratischen Gesellschaften Europas!

Somit lassen allein die bisher bekannt gewordenen Inhalte des Abkommens bereits das Schlimmste befürchten. Das TTIP hätte, soweit bisher bekannt, fundamentale Auswirkungen
  • auf unsere Verbraucherschutz- und Gesundheitsstandards,
  • auf unsere Klima- und Umweltschutzauflagen,
  • auf unsere Landwirtschaft,
  • sowie auf viele andere Bereiche.
Einige der Auswirkungen würden beispielsweise dazu führen, dass
  • mit Chlor desinfizierte Hühnchen, 
  • Klon- oder Hormonfleisch, 
  • Milch von genmanipulierten Turbokühen
  • oder gentechnisch veränderte Tiere und Pflanzen
völlig legal per Import aus den USA auf unseren Tellern landen würden. US-Produkte müssten nicht mehr europäische Verbraucherschutz- und Tierschutzstandards einhalten, um in der EU verkauft zu werden. Um EU-Unternehmen nicht zu benachteiligen, müssten in der Folge hierzulande die Standards gesenkt werden.

Darüberhinaus  würde
  • der durch das Abkommen ausgelöste Preiskampf bei Lebensmitteln auf beiden Seiten des Atlantiks naturschonend wirtschaftende Bauernhöfe massenweise zur Aufgabe zwingen. Dumpingpreise für landwirtschaftliche Produkte aus der industriellen Landwirtschaft in den USA würden die kleinbäuerlichen Strukturen in Europa endgültig ruinieren.
  • die durch die EU-Chemikalienverordnung REACH vorgeschriebene Gefahrenprüfung vor der Markteinführung von Substanzen umgehbar werden: Ein Konzern müsste nur ein Produkt in den USA anbieten – und schon könnte er es auch in Europa verkaufen.
  • es eine Welle an Privatisierungen geben, wenn - wie es die Pläne bisher vorsehen - öffentliche Dienstleistungen als Märkte interpretiert werden würden.
  • es im Bereich des so genannten "geistigen Eigentums" zu Verschärfungen mit weniger Rechten für Internetnutzer und zu einem lascheren Datenschutz kommen.

Im Koalitionsvertrag hat die zukünftige schwarz-rote Regierungskoalition sich ausdrücklich einen "erfolgreichen Abschluss" der transatlantischen Verhandlungen zum Ziel gesetzt. Sollte es tatsächlich dazu kommen, dann würde sie unsere demokratischen Rechte der Gier der Konzerne zum Fraß vorwerfen! Das muss auf jeden Fall verhindert werden!


Internationaler Widerstand gegen TPP und TTIP

In den USA gibt es bereits zunehmenden Widerstand gegen den geplanten, sogenannten "Fast Track" Prozess, mit dem der US-Administration die Genehmigung erteilt werden würde, die Verhandlungen ohne Beteiligung des Kongresses zu führen. Inzwischen ist auch der internationale Widerstand der Bürger in den vom TPP und dem TTIP betroffenen Staaten erwacht.

Das internationale Netzwerk im Kampf gegen den Klimawandel 350.org, die weltweite Bewegung für eine bessere globale Ökonomie SumOfUs, das Umweltinstitut München, das demokratische Netzwerk Campact und das internationale demokratische Netzwerk AVAAZ haben Petitionen initiiert, die sich gegen die Inhalte des TTP und des TTIP wenden, welche unter anderem die Abschaffung demokratischer Grundwerte, die weltweite Freisetzung genetisch manipulierter Organismen, die Senkung der Standards für die Lebensmittelsicherheit und im Umweltschutz etc. zur Folge haben werden.


Hier sind die Inhalte der fünf Petitionen im Wortlaut:

(Die Inhalte der beiden englischen Petitionen habe ich für diejenigen unter euch, die des englischen nicht so mächtig sind, übersetzt.)

350.org:

The Trans-Pacific Partnership (TPP) will massively boost corporate power at the expense of our climate and environment, human and workers’ rights, sovereignty and democracy. We strongly urge you to publish the text of the TPP as it stands now, reject proposals that would undermine your regulatory power and oppose this corporate power-grab
Das Trans-Pazifische Partnerschaftsabkommen (TPP) wird die Macht der Konzerne auf Kosten des Klimas, unserer Umwelt, der Menschenrechte, der Arbeitnehmerrechte, die Souveränität und der Demokratie massiv ausweiten. Wir forden Sie dringend auf, den Text des TPP in der derzeitigen Fassung zu veröffentlichen, Vorschläge zurückzuweisen, die Ihre gesetzgeberische Macht unterminieren und sich dieser Machtergreifung durch die Konzerne zu widersetzen.

SumOfUs:

Promise to protect our democracies from corporate lawsuits, and stop the secret TPP and TTIP trade pacts.
Versprechen Sie uns, dass Sie unsere Demokratie vor Klagewellen durch Konzerne bewahren und die geheimen Handelsabkommen TTP und TTIP stoppen werden.

Umweltinstitut München:

Wir wollen:
  • Die mühsam erkämpften europäische Verbraucherschutz und Gesundheitsstandards erhalten
  • Eine kleinbäuerliche und ökologische Landwirtschaft erhalten und schützen
  • Klima- und Umweltschutzauflagen sowie das Vorsorge- und Verursacherprinzip in Europa und in Deutschland aufrechterhalten
  • Dienstleistungen der Daseinsvorsorge wie Trinkwasserversorgung oder Bildung sollen in demokratisch legitimierter öffentlicher Hand bleiben
  • Unser Grundgesetz und Rechtssystem vor intransparenten Schiedsgerichten ohne Berufung oder Revision und demokratische Kontrolle schützen.
Deshalb wollen wir diese gravierenden Eingriffe für Verbraucher und Konsumenten verhindern und fordern daher einen STOPP der Freihandels-Verhandlungen!


Campact:

TTIP: Verkauft nicht unsere Zukunft!

Das geplante Freihandels-Abkommen TTIP zwischen der EU und den USA dient den Interessen der Konzerne und nicht uns Bürger/innen:
  • TTIP höhlt Demokratie und Rechtsstaat aus: Ausländische Konzerne können Staaten künftig vor nicht öffentlich tagenden Schiedsgerichten auf hohe Schadenersatzzahlungen verklagen, wenn sie Gesetze verabschieden, die ihre Gewinne schmälern.
  • TTIP öffnet Privatisierungen Tür und Tor: Das Abkommen soll es Konzernen erleichtern, auf Kosten der Allgemeinheit Profite bei Wasserversorgung, Gesundheit und Bildung zu machen.
  • TTIP gefährdet unsere Gesundheit: Was in den USA erlaubt ist, würde auch in der EU legal – so wäre der Weg frei für Fracking, Gen-Essen und Hormonfleisch. Die bäuerliche Landwirtschaft wird geschwächt und die Agrarindustrie erhält noch mehr Macht.
  • TTIP untergräbt die Freiheit: Es droht noch umfassendere Überwachung und Gängelung von Internetnutzern. Exzessive Urheberrechte erschweren den Zugang zu Kultur, Bildung und Wissenschaft.
  • TTIP ist praktisch unumkehrbar: Einmal beschlossen, sind die Verträge für gewählte Politiker nicht mehr zu ändern. Denn bei jeder Änderung müssen alle Vertragspartner zustimmen. Deutschland allein könnte aus dem Vertrag auch nicht aussteigen, da die EU den Vertrag abschließt.
Daher fordere ich: Beenden Sie die Verhandlungen über das TTIP-Abkommen!

AVAAZ:

Als besorgte Bürger aus aller Welt fordern wir Sie auf, den Verhandlungsprozess der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) für alle transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Wir rufen Sie auf, jegliche Pläne abzulehnen, die unsere Regierungen in ihrer Fähigkeit einschränken, im öffentlichen Interesse zu walten. Die TPP ist eine Gefahr für die Demokratie, sie untergräbt die staatliche Souveränität, die Rechte der Arbeitnehmer, den Umweltschutz und die Internetfreiheit. Bitte verhindern Sie dringend, dass Unternehmen soviel Macht ergattern.



Nach Einschätzung von Campact müssen das Europaparlament und die Europäischen Regierungen dem Vertrag wohl auf jeden Fall zustimmen. Außerdem müsste der Vertrag in jedem einzelnen Mitgliedsstaat "ratifiziert" werden. In der Regel wird das Parlament darüber abstimmen. Möglich wären aber auch Volksentscheide in einzelnen Mitgliedsländern. Würde der Vertrag von nur einem Mitgliedsstaat der EU nicht ratifiziert werden, so wäre er gescheitert.

Der Kampf um unsere demokratischen Rechte, den Verbraucherschutz, den Schutz unserer Umwelt und des Klimas, gegen Privatisierungen der Trinkwasserversorgung und anderer öffentlicher Dienstleistungen, gegen Fracking, genmanipulierte Lebensmittel, Hormonfleisch etc. ist also nicht aussichtslos.

Während sich die Petition von SumOfUs gegen beide Freihandelsabkommen richtet, wenden sich die Petitionen von AVAAZ und 350.org sich nur gegen das TPP, diejenigen von  Campact und des Umweltinstituts München nur gegen das TTIP. Ich finde es wichtig, beide Vorhaben zu verhindern, da sie die gleichen, Ziele verfolgen: Die Untergrabung der demokratischen Selbstbestimmung in den betroffenen Staaten!


Zum Weiterlesen:


Update: 16.12.2013, Petition AVAAZ

(Quellen: 350.org, SumOfUs, Umweltinstitut München, Campact, AVAAZ, Wikipedia)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Europäer zeigen KEIN Rückrat sonst hätten sie auf Grund der Ausspähaktion die Verhandlungen längst abbrechen sollen. Statt dessen schlupfen sie dieser Pseudo-Großmacht in den Hintern. Ein Ärgernis.
Salut
Helmut

juwi hat gesagt…

@Helmut: Und genau darum ist es wichtig, dass wir Bürger Druck auf die Politik aufbauen, aufrechterhalten und je nach Bedarf verstärken. Leider wird das, was die da in Brüssel zusammenbrauen, von der Öffentlichkeit aber noch lange nicht genug wahrgenommen.

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